Sie machen Nägel mit Köpfen, aber was ist mir ihren Kindern? Wir lachen nicht. Wir kennen das. Es beruhigt 1989, daß die Scheibe hinter der Gardine in dieser Kneipe staubig ist. Es ist noch eine Beruhigung. Der Sommer ist noch nicht ganz in mir angekommen, doch ich bin für ihn bereit. Tage sollen wieder Tage sein. In Nächte übergehen, in Tage übergehen. Ohne die Melodie zu verlieren. Die Melodie des Sommers? Es fällt nicht allzuschwer zu sprechen. Stadtschenke heißt die Kneipe. Coburg heißt der Ort. Noch denken wir, wir proben für etwas. Etwas, das auf der wirklichen Bühne, in einer wirklichen Stadt, stattfinden wird. Die Stadt wäre Berlin. Wenn ich hier Namen und Städte nenne, könnte der Leser auf den Gedanken verfallen, ich meinte diese Städte. Dem ist nicht so. Die Städte tragen nur zufällig den selben Namen und lägen, wenn es geographisch zu beschreiben wäre, am selben Ort. So ist es nicht wahr, aber es kommt dem noch am nächsten. Um keine unnötige Spannung aufkommen zu lassen, weise ich gleich hier darauf hin, dass es sich nicht aufklären wird. Stadtschenke, Leopoldstraße. Viele tot. Viele weg. Manche da. Manche anders. Manche so herrlich gleich. Was auf die Städte zutrifft, trifft auf die Menschen ebenfalls zu. Sie heißen genauso, sehen genauso aus, geboren da, gestorben oder auch nicht. Jedenfalls die selben. Anders. Der ersten Lüge bin ich schon freudiger Verkünder geworden. Das mit den selben Gesichtern ist nicht so. Es kann so nicht gesagt werden. Keine Fragen. Lothar, Rennrad, klein, John Lennon Brille. Ich kenne ihn nicht. Er ist wichtig. Nicht für die Geschichte. Für das Bild. Das Bild, die Stadt , die Zeit. Selbstverständlich ist die Zeit die zweite Lüge. Sich nicht zu schade sein. Ein Teil des Bildes zu sein. Lügen bis es wahr ist. Doch Lügen ist ein hartes Wort. Es ist immer wahr. Ich möchte gehen und bleibe doch. Der Kicker, ist er schon hier? Diesen Teil werde ich verlieren. Ich kann ihn nicht verlieren und es ist kein Teil. Jahre werden vergehen. Nichts wird vergehen und ich war niemals dort. Aber wo war ich? Der Sommer hat mir noch nicht die Lügen meiner Winterangst aus der Seele gefressen. Wenn ich Angst bin, sind es keine Lügen. Bin ich Angst? Ist Angst der Grundstoff aus dem ich geformt bin? Der Sommer behauptet das Gegenteil. Mit geschloßenen Augen im Freibad zu liegen. Viele Tage. Dann in die Stadt zu laufen mit der Sporttasche. Was verkündet da was? Sollte ich aus irgend etwas gemacht sein, das aus einem anderen Stoff ist als dieser Sommer, aus einem anderen Stoff als der abendliche Blick auf die Rosenauer Straße, ist es keine Angst. Habe ich zu irgendeinem Zeitpunkt in den letzten tausend Jahren etwas anderes gemacht als hier entlang zu gehen? Was fühlt sich wahr an? Die Sporttaschen der Mädchen. Adidas blau. Ich liebe Gott wegen dieser Mädchen und damit ist es gut. Es könnte gar nicht anders sein. Wie kann man nur annehmen, dass in diesem Bild irgend etwas anders sein könnte? Das waren schon viele Tage Freibad, Sommerbad. Wie heilig doch die Welt.