Eva Herold - Das Leben einer Bertelsdorfer Sammlerin.

#1 von Feldwebel M , 22.11.2009 20:43

Eva Herold

Geboren wurde Eva Herold am 07.12.1923 in der Bertelsdorfer Mühle. Nach der üblichen vierjährigen Volksschulzeit in Neuses besuchte sie die damals bestehende "Aufbauschule" bis zur mittleren Reife und begann dann eine Lehre als Müllerin, die sie 1943 mit der Gesellenprüfung abschloss. Trotz der vielfach besehenden Schwierigkeiten des Kriegs- und Nachkrigszeit bekam sie - als politisch "Unbelastete" - Ende 1945 die Erlaubnis zur vorgezogenen Meisterprüfung und durfte für den damals noch nicht entnazifizierten Vater als Treuhänderin die elterliche Mühle weiterführen. Dieser erste, für eine Frau bereits recht außergewöhnliche Lebensabschnitt, endete notgedrungen 1956 mit dem Betriebsende der Bertelsdorfer Getreidemühle. Getreu ihrem Motto: "Nicht nach den Sternen greifen, sondern sich ein Ziel setzen, das man ohne Hilfe anderer Menschen erreichen kann", begann Eva noch einmal mit der Schulausbildung und legte nach nur einjähriger Vorbereitung und nunmehr bereits im 32. Lebensjahr das Abitur ab. Anschließend begann sie erneut eine Lehre, diesmal als Apothekerin, um dann die nächsten 27 Jahre in der väterlichen Apotheke in Coburg Neuses erfolgreich wirken zu können. Die Lage der Apotheke am Rande der Stadt führte natürlich viele Kunden aus dem umliegenden Land zu Eva, und so mancher von ihnen konnte dazu bewegt werden, Gegenstände aus seinem Besitz bzw. seinem Umfeld der Sammlung der Apothekerin hinzuzufügen - denn Eva hatte schon vom Vater die Neigung zum Sammeln heimatkundlicher Dinge übernommen und bald auch selbst Erfolg damit. Gleichzeitig begann sie auch, ihre Sammlung in gewisser Weise in den Dienst der Volksbildung zu stellen. Stets dienten die beiden Schaufenster in der Neuseser Apotheke als Museumsvitrinen, worin die verschiedensten Themen zur Volkskunde dargeboten wurde, was bei der Bevölkerung auf erfreulich großes Interesse stieß.

Mit 62 erfolgte "endlich der langersehnte Eintritt ins Rentendasein". Mit anderen Worten: nun konnte sie mit "vollem Einsatz" ihrer eigentlichen Neigung, der Volkskunde, nachgehen. Immerhin hatte Eva in den vorhergehenden Jahrzehnten ihre Mühle bereits zu einem richtigen Museum ausgebaut. Finanziert wurde das Bertelsdorfer Museum stets rein privat ohne jegliche öffentliche Zuschüsse oder Steuervorteile. "Angestellte oder Mitarbeiter gibt es keine, die Funktion eines leitenden Direktors bis zur besenschwingenden Putzfrau vereinigen sich in einer Person, und das bin ich" sagte Eva.

Damit aber immer noch nicht genug. 1986 - nun völlig unabhängig von beruflichen Zwängen - begann Eva an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg mit dem Studium der Volkskunde und den Nebenfächern Denkmalpflege und Archäologie des Mittelalters, das sie dann - nun 68-jährig - mit der Magisterprüfung erfolgreich beendete. Natürlich waren dabei die von ihr zusammengetragenen eigenen Sammlungen eine wertvolle Hilfe und Anschauungsmaterial im besten Sinne des Wortes, auch für die jungen Studienkolleginnen und - Kollegen. Die Katalogisierung der eigenen Möbelsammlung war dann auch ein wesendlicher Bestandteil ihrer Magisterarbeit, die (1993) unter den Titel:
"Bemalte Möbel im Coburger Land" als Buch erschien. Weitere Bücher von Eva waren:
"Moggenbrunn - Das goldene Dorf" (1994)
"Bertelsdorf und seine Höhe" (1997)
"Spitalgasse 100 Jahre Handel und Wandel" (1998)
"Coburger Weihnacht" (1999)
"Coburg Rathaus-Bürger-Marktgeschehen und der Weg der Frauen ins Rathaus" (2002)
"Das Leben und Treiben auf dem Marktplatz in Coburg" (2005)
"Vom Sterben und Begrabensein in Coburg und anderswo" (2005)
"Ev`chen komm...!" (2007)

Wer Eva persönlich näher kennenlernen durfte, wird mir zustimmen, daß sie immer für eine Überraschung gut war. Keine Überraschung war ihr Tod, der sie nach einem Aufenthalt im "Seniorenwohnheim Am Schießstand 40", im Klinikum in Coburg am 07.04.2009 zu sich holte. Der Grabstein ihrer Vorfahren steht im Park der Bertelsdorfer Mühle, auf dem Eva schon vorsorglich ihren Namen eingravieren ließ.

Ihre Sammlung hat Eva schon teilweise zu Lebzeiten weiterverkauft. Der Rest wird nun nach ihrem Tod in alle Windrichtungen zerstreut. Dies ist nicht nur ein Verlust für Bertelsdorf, sondern für ganz Coburg. Ob das Eva wirklich wollte ?

Bild 1 Eva als Müllerin bei der Arbeit
Bild 2 Eva bei einer Führung durch ihr Museum
Bild 3 Eva beim Besuch einer Ausstellung in der Bertelsdorfer Gemeinschaftshalle.


Angefügte Bilder:
Aufgrund eingeschränkter Benutzerrechte werden nur die Namen der Dateianhänge angezeigt Jetzt anmelden!
 Eva 1.jpg   Eva 2.jpg   Eva 3.jpg 
 
Feldwebel M
Beiträge: 576
Punkte: 576
Registriert am: 21.06.2009

zuletzt bearbeitet 22.11.2009 | Top

RE: Eva Herold - Das Leben einer Bertelsdorfer Sammlerin.

#2 von Jürgen , 23.11.2009 11:42


Ein Klassebeitrag - Spitze!


LG
Jürgen

... unser Coburg ist doch einzig schön ...

Jürgen  
Jürgen
Beiträge: 1.089
Punkte: 1.089
Registriert am: 13.06.2006


RE: Eva Herold - Das Leben einer Bertelsdorfer Sammlerin.

#3 von Feldwebel M , 23.11.2009 16:52

Hallo Norbert,

du hast wie immer Recht. Bei den von dir aufgelisteten Büchern hat Eva nur mitgewirkt, Bildmaterial gestellt oder einen Beitrag geschrieben.
Ich habe mich falsch ausgedrückt. Es hätte heißen müssen: Folgende Bücher hat Eva selbst herausgebracht bzw. hat dabei mitgewirkt.

Über Eva gäbe es noch viel zu schreiben. Evtl. hat ja noch jemand einen Beitrag dazu.

Grüße Fw. M


 
Feldwebel M
Beiträge: 576
Punkte: 576
Registriert am: 21.06.2009

zuletzt bearbeitet 23.11.2009 | Top

RE: Eva Herold - Das Leben einer Bertelsdorfer Sammlerin.

#4 von Feldwebel M , 22.01.2010 21:08

Beitrag von Eva Herold aus dem Büchlein "Ev´chen, komm...!"
Coburger Frauen erzählen............

"Ev´chen, komm...!"

Durch den Krieg hatten wir bereits als junge Menschen ein Verhältnis zum Sterben bekommen.
Unser Jahrgang war geteilt in eine Mädchen- und zwei Bubenklassen. Nur zwei unserer Schulkameraden sind wieder aus dem Krieg heimgekommen - sie waren als Sanitäter und nicht als Soldaten eingestzt. Alle anderen, also zwei ganze Klassen voller junger Männer mussten ihr Leben für den 2. Weltkrieg opfern.

Als "Backfische" saßen wir Mädchen zuhause und konnten wenig gegen die Kriegsgewalt zun. Im Radio hörten wir von der "Tapferkeit vor dem Feind" und dass bald der Endsieg erreicht sei. Ich glaubte daran, bis ich amerikanische Panzer auf Bertelsdorf zurollen sah.

Um nicht nur hilflos zuschauen zu müssen, leistete ich auf meine Art einen Beitrag zur Truppenbetreuung. Oft habe ich Verwundetet, die nicht laufen konnten, mit meinem Pferdegespann ausgefahren. Oder ich habe auf meiner Ziehharmonika für sie gespielt.

Mit meinen Eltern, vielen zwangseinquartierten Flüchtlingen und einem französischen Kriegsgefangenen wohnte ich in der Bertelsdorfer Mühle. Unser Anwesen galt als kriegswichtiger Betrieb. Deshalb hatten wir auch schon während des 2. Weltkrieges ein privates Telefon in der Mühle.

Wenn es in der Zeit ums Ende des Krieges geklingelt hat war sehr oft die Oberschwester Martha aus dem Hofbräusaal (heute Kaufhof) am Apparat. Sie versorgte dort im Lazarett die Verwundeten. Wann immer sie anrief, sagte sie nur die Worte:

"Ev´chen, komm"!

Da wusste ich, es ist wieder einmal so weit. Einer der jungen, schwer Verwundeten liegt im Sterben und verlangt nach einer Hand. Sofort schwang ich mich in Bertelsdorf auf mein Fahrrad und radelte schnurstracks zum Hofbräusaal. Ich wollte helfen.

Viele Stunden wachte ich als Sterbebegleitung am Bett, hielt die Hand, versuchte zu trösten, sprach mir dem Sterbenden oder blieb mit ihm still. Alle wollten immer eine Frau oder ein Mädchen um sich haben, nie einen Mann, schon gar keinen in Uniform. Und so war auch bei fast allen dieser unfreiwilligen Helden das letzte Wort: "...Mutter..."

Mir bleibt noch, den Toten die Augen zuzudrücken.


 
Feldwebel M
Beiträge: 576
Punkte: 576
Registriert am: 21.06.2009

zuletzt bearbeitet 22.01.2010 | Top

RE: Eva Herold - Das Leben einer Bertelsdorfer Sammlerin.

#5 von faraway , 23.01.2010 05:19

Mein Gott!!

Wie arm waere doch die Welt, wenn es nicht solche Menschen gaebe! Ob ihr wohl irgend jemand einmal dafuer gedankt hat??

Gruss,
Angelika

 
faraway
Beiträge: 1.235
Punkte: 1.243
Registriert am: 25.03.2005


RE: Eva Herold - Das Leben einer Bertelsdorfer Sammlerin.

#6 von Feldwebel M , 04.08.2010 13:39

Wie geht es weiter mit der Bertelsdorfer Mühle ?

Die LBV-Kreisgeschäftsstelle wird jetzt im Naturkundemuseum eröffnet und nicht wie gedacht in die Bertelsdorfer Mühle integriert.

In den nachfolgenden Artikeln kann sich jeder sein eigenes Bild dazu machen:

Quellen:
Artikel 1: Aus dem Halbjahresprogramm des LBV
Artikel 2: Coburger Tageblatt vom 4.8.2010
Artikel 3: Aus dem Halbjahresprogramm des LBV


Angefügte Bilder:
Aufgrund eingeschränkter Benutzerrechte werden nur die Namen der Dateianhänge angezeigt Jetzt anmelden!
 Mühle 1.jpg   Mühle 2.jpg   Mühle 3.jpg 
 
Feldwebel M
Beiträge: 576
Punkte: 576
Registriert am: 21.06.2009

zuletzt bearbeitet 04.08.2010 | Top

   

Der Nadlermeister und Handelsmann Johann Andreas Adami (Beitrag vom 04.09.2010)
Privatier und Hofagent Max Faber



Xobor Einfach ein eigenes Forum erstellen
Datenschutz