Die Tage und Wochen vor dem 1.April 1945
Nur scheinbar friedlich und still liegt unser Dorf im schönen Maintal. Aufgeschreckt durch die Sirenen, welche die Luftangriffe der alliierten Streitkräfte ankündigen, horchen wir hinaus in die Nacht. Schon bald hören wir ein Donnern und Grollen aus der Ferne. Kommt es von Westen, dann wissen wir, sie bombardieren wieder Schweinfurt. Wir sehen sogar den Feuerschein am nächtlichen Himmel. Rumpelt es hinter dem "Bambergla",dann bombardieren sie Nürnberg . Wir bangen um unsere Verwandten in dieser Stadt. So geht es öfters. Angst und Schrecken erfüllten uns. Sirenengeheul ist unser ständiger Begleiter.
"Flüchtlings-Trecks aus dem Osten"
Es wird bekannt, das die Fronten in Ost und West immer mehr zurück gedrängt werden. Bereits im Februar ziehen die ersten Flüchtlingstrecks aus Ostpreussen und Schlesien durch unser Dorf. Bauersleute wie wir, mit Pferden und Planwagen, das nötigste darauf gepackt. Fünf bis sechs Wochen sind sie schon in der Kälte unterwegs. Manche halten an und meine Großmutter kocht Tee für die frierenden und hungernden Menschen. Wir reichen Futter und Wasser für die Pferde und versorgen, so gut es geht, die Menschen mit Nahrungsmitteln. Dann ziehen sie weiter, wissen noch nicht wohin. Daheim mussten sie Haus und Hof, Hab und Gut zurück lassen. Jeder von uns weiß, was es bedeutet. Jetzt ist es gewiss, der Krieg hat seinen Höhepunkt erreicht. Was wird uns noch alles bevor stehen?
"Schützengräben" für Mensch und Dosenwurst
Unser Nachbar meint, es wäre gut ,einen Schützengraben zu bauen, so wie er ihn im 1.W.K. in Frankreich kennen gelernt hatte. Dort könnten wir uns bei einer etwaigen Gefahr in Sicherheit bringen...
Also fangen wir an-alle helfen mit-in unserem Obstgarten zu graben. Etwa acht Meter lang, etwas im zick-zack, ca. 1,20 Meter tief, so dass man sich vom Aushub her, ganz gut dahinter verstecken kann. In der Orstmitte wird inzwischen eine Panzersperre über die Straße gebaut.Es herrscht überall große Angst und Aufregung .Aus Breslau ,abgestempelt mit Datum vom 28.Februar 1945, bekommen wir den letzten Brief von meinen Vater. Jetzt im März wissen wir, dass Breslau schon eingeschlossen ist. Also eine schlechte Nachricht. Meine Mutter und ich beschließen, in der Scheune ein Loch zu graben, um einige Lebensmittel darin zu verstecken. Ganz heimlich muss das geschehen. Also graben wir in den Lehmboden ein Loch, ca. 50cm tief und verstauen darin Dosenfleisch und wurst, einen Topf Schmalz, Geräuchertes, Mehl, Salz und Streichhölzer. Darüber dicke Bohlen, ein Blech und Erde. Dann wir der Pflug darauf gestellt, so dass niemanden was auffällt.
(Nachdem die Scheune am 1.April völlig abbrannte und wir nichts mehr hatten, waren wir heilfroh,als wir die Sachen wohlbehalten aus dem versteck holen konnten!)
Auch den Schützengraben hatten wir nicht umsonst gebaut. Als nämlich die Katastrophe am 1.April begann, brachten wir gleich die Großmutter und meine Schwester zum Schutz dorthin und auch Nachbarn flüchteten sich hinein. Die Karwoche ist angebrochen. Am Mittwoch geht meine Volksschulzeit zu Ende. Am Sonntag darauf erleben wir die große Katastrophe!.....
(besagter Schützengraben ist auf der Luftaufnahme, welche ein US Amerikanischer Aufklärer kurz nach der Katastrophe gemacht hat und der Chronik bei liegt, gut zu erkennen!)
Wie ich die Katastrophe von Zapfendorf am 1.April 1945 erlebte....
Karsamstag. Alle Vorbereitungen für das höchste Fest im Jahr sind fast erledigt. Die Mutter hat zwei große "Frankenkung"(Streuselkuchen) gebacken, die Großmutter schon die Kartoffeln für die Klöße geschält ,der Hammelbraten liegt bratfertig in der "irdenen" Pfanne und die Küch´n is nausgewischt. Jetzt muss nur noch der Kessel im Waschhaus mit einer Butt´n Wasser vom Brunnen gefüllt und angeschürt werden, um warmes Wasser zum Baden zu bekommen. Einer nach dem anderen schrubbt sich im Waschhaus in der großen Zink- Waschwanne, in welcher sonst beim wöchentlichen Waschtag die Wäsche eingeweicht und gewaschen wird. Alles ist vorbereitet für die zwei Feiertage und man freut sich auf das österliche Fest.
Die letzte Nacht bricht an,....es sollte für uns die letzte Nacht in dem schönen über hundert Jahre alten Bauernhaus werden! Sechs Personen schlafen in dieser Nacht dem Ostermorgen entgegen. Im Untergeschoss die Großmutter in "ihr´m Stübla",auf dem frisch gefüllten Strohsack, die Mutter und meine Schwester in der "Schlofstub´n", meine Cousine und ich in der "öber´n Stub´n", die Tante Kathi in ihrer oberen Wohnung und der alte Schäfer, Herr Zöller, welcher schon den vierten Winter bei uns logierte.Er war ein Schäfer aus der Rhön. Seine Schafherde mit zwei jungen Schäfern hatte ihr Winterquartier bei uns in der Karwoche verlassen und er wollte nach Ostern auch abreisen.
Ostermorgen,1.April 1945....Fliegeralarm
Meine Mutter ruft über die "Bod´nstieg" nauf: "Ihr Madla, stett auf, Fliegeralarm is, ich geh jetzt nei die Frühmess".Wir stehen sofort auf, ziehen uns an und fangen mit der Großmutter und dem Schäfer an zu frühstücken, wobei wir erfahren, das in der Nacht Militärfahrzeuge mit Kanonen draußen vorbei gefahren sind und teilweise auch noch in der Ortschaft unter gezogen stehen.
Es dauert auch gar nicht lange, das wir die Tiefflieger kommen hören und ein lautes Knattern erschüttert das Haus. Neugierig wollen wir zur Haustüre rausschauen, aber der alte Schäfer hält uns zurück und drängt uns in den Gang hinter dem Hausplatz, denn er meint, die schießen auch noch zur Haustür herein...
Es brennt..
Ängstlich drücken wir uns an die Wand. Als das knattern nachlässt, schauen wir vorsichtig zur Haustüre hinaus und sehen, dass von unseren Scheunendach Feuer hinausbrennt. Schnell packen wir die Großmutter und meine behinderte Schwester zusammen und bringen sie zum Schützengraben im Garten. Auch die immer bereit stehende Tasche mit den wichtigsten Papieren und Decken und Kissen bringen wir dorthin. Etliche Nachbarn suchen jetzt hier Schutz. Die Feuerwehr, Soldaten und hilfsbereite Nachbarn kommen herbei um zu löschen. Inzwischen kommt auch meine Mutter von der Frühmesse hergerannt. Irgend jemand hatte ihr zu gerufen, das es bei uns brennt. Unter großer Gefahr retten meine Mutter und ich noch die Mähmaschine, die Kuhgeschirre und das "Handwägerla" aus der brennenden Scheune. Alles andere müssen wir zurück lassen, denn die Tenne hat bereits angefangen zu brennen. Jetzt gilt es nur noch das Wohnhaus zu retten, das an die Scheune angebaut ist.
Inzwischen kommt auch die Tante Kuni mit ihrer Tochter herbei. Sie lebt als "ausgebombte" von Nürnberg hier bei uns in Zapfendorf bei ihrer Schwägerin. Sie übernimmt das Pumpen am Brunnen, denn eine Wasserleitung gibt es damals noch nicht.(sie wurde erst 1950 gebaut!)
Mit Wassereimern gegen das Feuer...
Tante Kathi, meine Mutter und ich tragen mit Eimern das Wasser drei Treppen hinauf in den oberen Hausboden um die Wand abzulöschen. Unterdessen brennt auch die Scheune vom "Schell" an der Ecke Cäcilienstraße. Tante Kuni meint: "Da drüben bei uns brennt´s auch scho , ich geh nüber und bring a paar Betten in den Keller". Sie verlässt den Brunnen und geht weg. Daraufhin bietet sich der elfjährige Nachbarsbub Alfons an."Nachbara ich pump un ihr könnt weiter trong"
Und so machen wir weiter. Das aber beim Schießen der Tiefflieger auch ein Munitionszug getroffen wurde, wussten wir nicht!
Die erste große Explosion
Auf einmal, wir sind gerade alle drei im oberen Dachboden ,kommt die erste große Explosion. Uns reißt es zu Boden, die Ziegel prasseln auf uns herab und das Gebälk bricht zusammen. Nach einer Weile komme ich wieder zur Besinnung und rufe nach meiner Mutter und Tante. Jede kriecht aus einer anderen Ecke hervor. Wir sehen den Himmel über uns und lauter Rauch und Qualm. Alle drei sind wir verletzt, meine Mutter am Bein, Tante Kathi am Kopf und ich an Arm und Knie. Überall blutend und rußgeschwärzt suchen wir uns den Weg über die Trümmer-die Treppe war nicht mehr da,
hinunter in den Hof.
Schwarze Fahnen
Als sich der Rauch etwas verzogen hatte, sehen wir erst was geschehen war. Die Gebäude ringsum sind schwer beschädigt und an den Bäumen hängen überall schwarze Fahnen herab, was uns unerklärlich ist.(Erst hinterher erfuhren wir, das wohl ein Eisenbahn Waggon, der mit Stoffballen beladen war auch mit in die Luft geflogen ist)
Mit dem Wasser von einen geplatzten Feuerwehrschlauch waschen wir uns erst mal das Blut und den Dreck vom Gesicht. Am Brunnen finden wir den Alfons unter einen Steinquader bewusstlos liegen. Am Schweinestall liegen ein Soldat und der 16 jährige Junge "Sommers Ferd´l", welche beim Löschen behilflich waren, tot unter den Trümmern. Der alte "Masters Schorsch", der auch mit der Feuerwehr behilflich war, kam mit dem Schrecken davon, als neben ihm ein Puffer von einen Eisenbahn Waggon einschlug...
F.f.