Es gehört zu einem der monumentalsten Jugendstilbauten in Coburg. Die Rede ist hier vom sogenannten „Berger-Block“, welcher wie ein Palast an der Kreuzung Bahnhofstraße / Hintere Kreuzgasse / Hindenburgstraße steht. Benannt ist er nach dem Architekten dieses Bauwerks, dem Hildburghäuser Jugendstil-Baumeister August Berger. Dieser errichtete zwischen 1910 und 1913 in mehreren Bauabschnitten dieses durchaus architektonisch wertvolle Gebäude. Was jedoch kaum einer weiß: Bereits vor dem Bau des „Berger-Blocks“ standen dort einige Häuser. Auch diesen gilt hier unser Augenmerk. Insgesamt standen dort drei Handwerkerhäuser, welche wohl aus dem 16. und 17. Jahrhundert stammten. Eine Beschreibung aus der Zeit um 1700 spricht hier von zwei Hofstätten und einem alten Haus mit zwei Etagen, einer Stube und einer Werkstatt. Der Begriff Hofstatt bedeutet in diesem Zusammenhang, dass hier wohl zwei Gehöfte, also zwei landwirtschaftlich geprägte Anwesen, existierten. Auf dem Urkatasterplan von 1860 ist dieses Gehöft, mit Zugang über die Hintere Kreuzgasse, noch deutlich erkennbar. 1875 erhielten die drei Gebäude die Adressen Bahnhofstraße 8, 10 und 12. An der Ecke zur Hinteren Kreuzgasse stand das Haus Nr. 8. Dieses war über hundert Jahre lang ein Weber- bzw. ein Tuchmacherhaus. Ab 1864 befand sich in dem Gebäude eine Schuhmacherwerkstatt. Im Jahre 1883 kam das Anwesen in den Besitz des Kaufmanns Carl Thomas, welcher dort ein Lebensmittelgeschäft eröffnete. Dieser Laden erfreute sich in seiner Umgebung einer großen Beliebtheit. Schon bald bezeichnete der Volksmund diese Straßenecke als „Thomas-Eck“. Das nächste Haus mit der Nummer 10 war einst ein Gerberhaus. Davon zeugen die Trockenböden auf der Fotoaufnahme von 1900. Die bekannte Gerberfamilie Aumüller hatte es seit 1820 in ihrem Besitz. Das Gebäude Bahnhofstraße 12 war ebenfalls im Besitz der Familie Aumüller und gleichermaßen ein Gerberanwesen. Es kann dabei vermutet werden, dass beide Gebäude einst zusammengehörten. Dafür spricht, dass die zwei Häuser vor 1875 eine gemeinsame Hausnummer besaßen. Die Frage jedoch, welche sich hierbei stellt, ist die nach dem fließenden Gewässer, welches für die Ausübung des Gerberberufs unbedingt von Nöten war. Der Hahnfluss, an welchem sich ja die meisten Gerber angesiedelt hatten, floss hier nicht vorbei. Wo kam demnach das Wasser her? Bis 1875 floss zwischen dem eben genannten Haus Nr. 12 und dem Anwesen Nr. 14 (heutiger Reiterladen) der sogenannte „Lautergraben“ entlang. Dessen Verlauf begann in der Nähe der Heiligkreuzbrücke, wo er die Itz verließ, überquerte die Bahnhofstraße und folgte einer Linie Hindenburgstraße / Löwenstraße, bis er am heutigen Alexandrinenbad in den Hahnfluss mündete. Die Aumüller´schen Anwesen besaßen damals einen Zugang zum Lautergraben. Mit der Zuschüttung des Grabens wurden auch die Gerbereien in der Bahnhofstraße aufgegeben. Großflächige Veränderungen auf diesem Areal begannen kurz nach 1900. Der Baurat Carl Kleemann plante dort ein Geschäftshaus zu errichten. 1904 erfolgte die Zustimmung des Städtischen Bauamts für dieses Vorhaben. Als erstes Teilstück wurde bereits 1908 das Haus Hintere Kreuzgasse Nr. 1 errichtet, welches auf der Zufahrt zur alten Hofstatt entstand. Inzwischen war der Baurat Kleemann allerdings verstorben. Sein Baugeschäft übernahm der bereits erwähnte August Berger, welcher die einzelnen Grundstücke zum Hausbau erwarb. 1910 konnte der Architekt den Bauantrag an die Stadt stellen, welcher einen positiven Bescheid erhielt. Sogleich begannen die Arbeiten an diesem Projekt. Das „Thomas-Eck“ durfte jedoch noch ein Jahr stehen bleiben. Erst 1911 kaufte Berger dieses Anwesen auf Abbruch. Die Familie Thomas zog daraufhin in das Haus Hintere Kreuzgasse Nr. 4 um, und betrieb ihr Lebensmittelgeschäft dort noch einige Jahrzehnte. 1913 waren die Bauarbeiten abgeschlossen. Es ist beachtenswert, dass es zu diesem Projekt zahlreiche Fotoaufnahmen vorhanden sind, welche den Stand des Hausbaus dokumentieren. Eine der bekanntesten Aufnahmen aus dem Jahre 1910 ist hier abgebildet. August Berger hat hier einen der markantesten Jugendstilbauten Coburgs geschaffen. Es war kein Spekulationsobjekt, sondern der Komplex blieb im Besitz des Architekten. Als dieser 1947 starb, traten seine Kinder das väterliche Erbe an. Die Geschäfte, welche in das neue Haus einzogen, waren vielfältig. Bedeutende Unternehmungen waren darunter aber nicht. Interessanter ist jedoch die Tatsache, dass sich neben einige Familien mit der Zeit auch zahlreiche Arztpraxen in dem Komplex niederließen. Der bekannteste Bewohner des „Berger-Blocks“ ist jedoch der Kunstmaler Heinrich Höllein gewesen, der im Haus Nr. 12 einige Zeit lebte. Etwas kurioses gäbe es am Schluss auch noch zu berichten. Ende der 1970er Jahre stürzte ein Erker des Teil-Gebäudes Bahnhofstraße 10 an der Seite zur Hinteren Kreuzgasse aus unbekannter Ursache auf die Straße. Verletzte und Tote waren dabei nicht zu verzeichnen, da dass Unglück mitten in der Nacht geschah. Der Erker wurde kurz darauf wieder aufgerichtet.
Bildquellen: Nr. 1 Die drei früheren Anwesen an der Stelle des "Berger-Blocks". Aufnahme um 1905 (Sammlung HG Coburg) Nr. 2 Bauarbeiten am neuen Jugendstilhaus. Daneben das noch stehende "Thomas-Eck" um 1910 (Sammlung Christian Boseckert) Nr. 3 Der heutige Jugendstil-Komplex des August Bergers (Foto: Christian Boseckert, 2007)
Christian
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Bahnhofstrasse 10 und 12.
Bergerblock.jpg
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