Die Coburger Innenstadt besaß in der Vergangenheit eine Vielzahl von Brunnenanlagen, die mit der Zeit, aufgrund des zunehmenden Straßenverkehrs, entfernt werden mussten. Der Coburger Chronist Karche erwähnt im 18. Jahrhundert das zu dieser Zeit 29 Brunnen im Bereich der Innenstadt existierten. Eine Straße, die heute „brunnenfrei“ ist, aber einst zahlreiche solcher Anlagen aufweisen konnte ist die Judengasse. Dieser Beitrag soll auf die Suche nach den Brunnen gehen, wo sie gestanden haben und wie sie vielleicht aussahen.
Unsere Reise beginnt dabei direkt am Judentor. Vor dem gegenüberliegenden Haus Judengasse Nr.11, indem heute sich der Netto-Supermarkt befindet, stand einst ein Ziehbrunnen, der vom Grundwasser gespeist wurde. Er wird erstmals im Jahre 1440 erwähnt. In seinem Brunnenverzeichnis vom Jahre 1700 weist der Chronist Hönn ebenfalls auf einen Brunnen direkt vor dem Judentor hin. Später wurde offenbar aus dem Ziehbrunnen ein Pumpbrunnen, denn bei dem Chronisten Karche, den wir bereits oben genannt haben, heißt es, dass die Hochwasser der Jahre 1760 und 1764 bis zu dem „Pumpenbrunnen bei dem Bäckerhaus am Judenturm“ reichten. Mit dem Bäckerhaus ist das Haus Nr. 11 gemeint. Der Brunnen wird letztmalig in den Annalen der Stadt Coburg im Jahre 1807 genannt. Laut Zeitzeugenberichten hat er allerdings noch am Anfang des 20. Jahrhunderts gestanden und lieferte für alle Anwohner noch reichlich Wasser. Erst die Einführung der Kanalisation um 1907, machte den Brunnen überflüssig und er wurde entfernt.
Ein weiterer Brunnen, der offenbar im Zuge der Trockenlegung des Stadtgrabens zwischen Judentor und Ernstplatz im Jahre 1825 entdeckt wurde, war der Viktoriabrunnen. Dieser befand sich an der Stadtmauer, unterhalb des Anwesens Metzgergasse Nr.2. Der Brunnen wurde mit Steinen gefasst, erhielt aber den Namen „Viktoriabrunnen“ erst nach einer Verschönerung im Jahre 1862. Mit der Namensgebung wollte man die britische Königin Viktoria ehren, die damals 14 Tage mit ihren Kindern in Coburg, der Heimatstadt ihres 1861 verstorbenen Ehemanns Albert, zu Besuch war.
Der Brunnen plätscherte noch bis über die Jahrhundertwende hinaus, versiegte aber nach dem Abriss des kleinen Judentores im Jahre 1899 allmählich und wurde schließlich wegen Gesundheitsschädlichkeit des Wassers zugemauert. Die kurze Straße vom Judentor zum Ernstplatz wurde erst im Jahre 1883 „Am Viktoriabrunnen“ getauft.
Ein weiterer Brunnen von dem wir nur die Existenz kennen befand sich vor dem Hause Judengasse Nr.28 (ehemals Papierwarengeschäft Steinert) im Einmündungsbereich Webergasse/Walkmühlgasse/Judengasse. Dieser Pumpbrunnen könnte auf den „Säumarkt“ zurückzuführen sein, der hier einige Jahre stattgefunden hat, bevor er in die untere Ketschengasse zog. Wann diese Anlage entfernt wurde ist noch unbekannt. Deshalb verlangt dies noch weitere Forschungen.
Die letzte Brunnenanlage, ebenfalls ein Pumpbrunnen in der Judengasse befand sich vor dem Wirtsgarten der Gaststätte Bauer. Auf einigen Abbildungen ist er noch deutlich erkennbar.
Die ersten Pumpbrunnen kamen Anfang des 18. Jahrhunderts auf und ersetzten die Ziehbrunnen. Ursprünglich waren diese aus Holz. Erst ab 1880 waren die Pumpbrunnen ganz aus Eisen. Das Exemplar bei der Gaststätte Bauer musste 1948 dem wachsenden Verkehr weichen. Nur ein metallener Verschluss auf dem Bürgersteig vor dem Biergarten erinnert noch an seinen Standort.
So haben wir in einer nur kurzen Strecke bereits vier Brunnenanlagen kennen gelernt, die aber alle nicht mehr vorhanden. Wir dürfen uns dabei über diese Anzahl nicht wundern. Brunnen waren für das Überleben der Menschen wichtig, denn diese spendeten das kostbare Wasser. Ein Umstand den die „Wasserleitung-Generation“ heute nicht mehr nachvollziehen kann. Und so war es nicht ungewöhnlich, dass in einer Straße mehrere Brunnen existierten, siehe heute noch die Ketschengasse.
Fotoquellen: Bild 1: Am Viktoriabrunnen um 1900 (Fotosammlung Christian Boseckert) Bild 2: Der Pumpbrunnen vor dem ehemaligen Biergarten der Gaststätte Bauer (Fotosammlung Christian Boseckert)
Christian
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Pumpbrunnen.jpg
Viktoriabrunnen.jpg
Hallo Christian, wieder ein Klasse Bericht -sehr interessant! Viele werden sich gar nicht vorstellen können, dass dort Brunnen waren. Aber der Grundwasserstand im Bereich Marktplatz/Judengasse ist trotz der Höhenlage des Geländes nicht sehr tief und damit für Brunnen gut geeignet. Dass manche Brunnen im Laufe der Zeit durch die dichtere Besiedlung gesundheitsschädlich wurden, ist verständlich, wenn man an die Abwassersitituation (Einfache Gruben usw.) denkt. Wenn maqn dann noch überlegt, dass funktionsfähige Kanalisationen bereits vor Christigeburt im Bereich Indien/Pakistan, Rom und in den römischen Siedlungen in Germanien vorhanden waren, wird das alles richtig unverständlich. Das ist auch für mich der Beweis, dass das Mittelalter und die Zeit davor und danach tatsächlich sehr dreckig war und allen Seuchen Vorschub leistete. Erst im 19. Jahrhundert hat man in London nach einer großen Epidemie mit dem Bau von Kanalisationen und Kläranlagen begonnen und anschließend auf dem Festland. Schauderhaft!
Der Viktoriabrunnen steht im Verdacht im späten Mittelalter bzw. in der frühen Neuzeit für jüdische Ritualbäder (solcher Einrichtungen hießen "Miekwen") benutzt worden sein. Auf dem Gelände des Hauses Judengasse 9 (Woll-Pingouin, ehemals Frenzel) stand im ausgehenden Mittelalter die Coburger Judenschule (Sprich Synagoge).