Wie versprochen, hier ein paar Fakten zum Unwetter 1958 im Coburger Land. Der Bericht ist von meiner Homepage auf http://oberfranken-wetter.de.tl/Unwetterjahr-1958.htm. Dort hab ich auch noch eine Karte eingestellt, bzw gehe noch kurz auf den 1. August 1958 ein, an dem nochmal eine Sturmfront über Coburg zog.
Das äußerst Unwetterträchtige Jahr 1958 nahm mit der Sturmnacht vom 14. auf 15. Mai 1958 seinen Anfang. Ein Hagelunwetter mit Hagel in Hühnereigröße, schwere Orkanböen, möglicherweise sogar ein Tornado hielten die Menschen in dieser Nacht auf Trab. In Neustadt bei Coburg kam ein Mensch zu Tode, viele wurden verletzt.
Beim Blick auf die Wetterkarten fällt auf, das sich am 14. Mai noch eine warme Luftmasse mit einer 850 hPa Temperatur (Temperatur etwa in 1500 Meter Höhe) von über 15 °C über Bayern befand. Diese wurde dann rasch von West nach Ost durch einen massiven Kaltlufteinbruch verdrängt, die 850 hPa Temperaturen lagen danach am 15. Mai nur noch bei 0 °C. Die Wetterstation Bamberg meldet am 14. Mai eine Maximaltemperatur in 2m Höhe von 23,8 °C, am 16. Mai gab es nur noch ein Maximum von 11,9 °C. Die Kaltfront verursachte eine Böenwalze, vermutlich auch eine lange Squalline(Gewitterlinie), die über Oberfranken und Südthüringen rollte. An der besagten Wetterstation Bamberg wurde gemeldet: „starkes Gewitter aus W, 23 3/4 Uhr – nachts, starker Wind.“ Diese Böenfront hatte sich aus einer warmen Südwest-Strömung, die von der heranziehenden Kaltluft verdrängt wurde, zusammengeballt. An der Südabdachung des westlichen Thüringer Schiefergebirges kam es zum Stau der Luftmassen, eine breite Wand tiefhängender Wolken umgab das ganze Gebiet von Coburg, Neustadt und Sonneberg wurde damals beobachtet. Nach damaligen Angaben der Wetterwarte Sonneberg-Neufang betrugen die Maximalgeschwindigkeiten der Böen bis zu 50 m/s, was 180 km/h entsprechen.
Die „Neue Presse Coburg“ schrieb am 15. Mai dazu: „Zwischen 23 und 24 Uhr in der vergangenen Nacht wurde das Verbreitungsgebiet der „Neuen Presse“ von einem verheerenden Hagelunwetter heimgesucht, das strichweise schwersten Schaden an Gebäuden und Straßen anrichtete.. …In Coburg selbst mußten sämtliche Feuerwehrzüge und Polizeistreifen ausrücken, um die aufgetretenen Schäden zu beseitigen. Noch um 1 Uhr heute früh waren die Auswirkungen des kurzen, aber äußerst heftigen Hagelsturms nicht zu übersehen. Sogar die Feuerwehr hatte Müh und Not, um überhaupt ausrücken zu können; denn von der Leopoldstraße herab wälzten sich die Wassermassen zum tiefergelegenen Schloßplatz. Von Neuses bis Ketschendorf wurden uns schwere Schäden gemeldet. Keller und Parterrewohnungen wurden überflutet, Bäume entwurzelt, die die Straßen sperrten… Die Hagelkörner nahmen stellenweise die Größe von Taubeneiern an…“
Die „Schadensschneise“ des Unwetters nahm bereits südwestlich von Coburg, im Raum Ebern und Haßberge seinen Anfang. Im ehemaligen Landkreis Ebern musste die Bundesstraße 279 bei Pfaffendorf aufgrund der Schlammmassen gesperrt werden. Gebietsweise wurden 70 % der Feldfrüchte vernichtet, Fensterscheiben wurden zertrümmert und Dächer abgedeckt. Die ehemalige Kreisstadt Ebern wurde dabei selbst kaum betroffen, dagegen gab es viel Schaden in Kraisdorf, Albersdorf, Junkersdorf, Pfarrweisach, Leuzendorf, Altenstein, Hafenpreppach, Untermerzbach, Fischbach, Bischwind, Neuses am Raueneck, Brünn, Gemünd, Vorbach und Dürrenhof.
Aus Weitramsdorf kamen Nachrichten von sehr großen Schäden, dort wurde der tiefliegende Mittelteil des Ortes vollkommen überflutet. In einigen Ställen standen die Kühe bis zu den Hüften im Wasser. Lichtenfels selber soll weniger betroffen worden sein, in Staffelstein dagegen waren wieder mehr Schäden. Dort wurden die Felder ebenfalls zu rund 70% zerstört, außerdem wurde das Dach der Schloßkirche zu Banz teilweise abgedeckt. Nordöstlich von Coburg schließlich, erreichte die Böenfront ihr Schadensmaximum. Sie rollte mit den stärksten Böen und dem Hagelkern Richtung Neustadt bei Coburg weiter und hinterließ dort immensen Zerstörungen. Es existiert ein Video auf Super 8, welches am Tag darauf gedreht wurde, und die Verwüstungen eindrucksvoll zeigt.
Dazu die „NP“ am 17. Mai: „Die Nacht zum Himmelfahrtstag 1958 werden die Puppenstädter so schnell nicht wieder vergessen, war sie doch eine Katastrophenacht im wahrsten Sinne des Wortes. Das Hagelunwetter überraschte die Bevölkerung meist schon im tiefen Schlaf. Da durch die Gewalt des orkanartigen Sturmes die Stromzuleitungen zerrissen wurden, verstärkte sich die Verwirrung in der sich die Stadt befand. Tiefe Dunkelheit herrschte überall, nur unterbrochen von gewaltigen Blitzen, die die Nacht für Sekunden taghell lichteten. In das Prasseln der großen Hagelgraupeln auf Straßen und Häuserwände mischte sich das Krachen der von den Dächern stürzenden Ziegeln und das dumpfe Dröhnen umfallender Bäume, die samt ihrem Wurzelwerk aus dem Boden gerissen und auf Straßen und Plätze geworfen wurden…“
Zum tragischer weise tödlich verunglückten Arbeiter unter dem 60m hohen Schornstein des Ferngaswerkes schrieb die „NP“: „Im denselben Augenblick, in dem der Schornstein einstürzte, wollte der Vorarbeiter Josef Rosenberg in treuer Pflichterfüllung über den Hof eilen, um an einem gefährdeten Ofen nach dem Rechten zu sehen. Hierbei wurde er von herabfallenden Steinen so schwer getroffen, das er ins Krankenhaus eingeliefert werden mußte, wo er inzwischen verstorben ist…“
In der sogenannten „Dr.- Weppler- Siedlung“, eine Behelfssiedlung aus Holzbaracken, bot sich ein Bild der Verwüstung. Wie Streichhölzer wurden die Holzbalken von den Orkanböen gebrochen und die Wände eingedrückt. Zwischen dem Durcheinander von gesplitterten Brettern und Balken versuchten die Bewohner noch ihr Hab und Gut zu retten. Hier ist von Glück zu sprechen, dass keine weiteren Todesopfer zu beklagen waren, wohnten in der Siedlung doch meist kinderreiche Familien. Die Obdachlos gewordenen Menschen wurden noch in der Nacht in eine Notunterkunft in der Feldstraße gebracht. Am nächsten Tag wurde erst das Ausmaß der Schäden in vollem Umfang sichtbar. Der zuvor komplett bewaldete Muppberg, mit dem weithin bekannten Aussichtsturm, wurde nahezu vollständig entwaldet. Laut Aussage des damaligen Oberforstmeisters Lunz soll der Windwurfschaden im Neustadter Forstamt 12.000 cbm betragen haben. Da es zu der Zeit kaum Bagger und Motorsägen gab, dauerte es Wochen, die kreuz und quer übereinanderliegenden Stämme aufzuräumen.
Schwere Schäden gab es auch vor allem in Kipfendorf, wo zwei Scheunen einstürzten und kein Hausdach ohne Schaden blieb. Weiter betroffen wurden auch: Thierach, Wellmersdorf, Kleingarnstadt und Oeslau. Der Sturm zog sich anschließend über Sonneberg bis in den nördlichen Landkreis Kronach hin, wobei in den Forsten um Sonneberg nochmal ca. 75. 000 FM Waldbestand vernichtet wurde. Es entstanden in fast allen Forstrevieren Flächenbruch, Nestbruch und Gassenbruch hauptsächlich in 50-60-jährigen Beständen. Bei diesen enormen Windgeschwindigkeiten, sicher auch durch die engen Täler verstärkt, ist es nicht verwunderlich das der Anteil der gebrochen Bäume 40 % beträgt. Stammbruch entsteht, abhängig von Baumart und Bodenbeschaffenheit, vorzugsweise bei stärksten aber kurzanhaltenden Windböen.
Fazit: Ein Todesopfer, zahlreiche Verletzte, der Sachschaden betrug allein in Neustadt über 3 Millionen DM, in Coburg mindestens 1 Million. 3 Es dürften mindestens 150. 000 Festmeter Holz geworfen und gebrochen worden sein. Die Wetterstation Coburg-Hohenfels hat eine Niederschlagssumme von 40,7 mm gemessen. 7 Die Windgeschwindigkeit wurde mit 25 - 50 m/s angegeben , was 90 - 180km/h entspricht. Das diese Maximalgeschwindigkeit von 180km/h erreicht worden ist, scheint durch das Schadensbild vor allem in Neustadt und Sonneberg sicher. Downbursts (Gewitterfallwinde) und Kanalisationseffekte lassen kleinräumig solche Windstärke durchaus zu. Interessant ist eine Aussage in der „Neuen Presse“ vom 17. Mai. Da hieß es: „Der während der Entladung eines Gewitters durch diese Gegend jagende, von Windhosen begleitete Orkan mit Wolkenbruch ließ ein trostloses Bild hinter sich…“ Eine Windhose wird dabei von Laien häufig mit starken Böen + starken Regen gleichgesetzt. Der eigentliche Begriff „Windhose“ ist in der Meteorologie eine Trombe bzw. Tornado. Ob hier in Neustadt tatsächlich ein Tornado mit im Spiel war, lässt sich im Nachhinein jedoch nicht mehr feststellen.