Im Coburg der Nachkriegszeit waren besonders zwei Faschingsveranstaltungen sehr beliebt – der Fasching der Bäcker und der Schwimmerfasching. Beide Veranstaltungen fanden bis Anfang der 70er Jahre in den legendären Hofbräusälen in der Mohrenstraße statt, der Letzte im Jahre 1971. Danach wurden die Hofbräugaststätten abgerissen und der Kaufhof errichtete dort ein Warenhaus. Wie es nun damals beim Schwimmerfasching zuging soll nun folgender Artikel der NEUEN PRESSE aus dem Jahre 1971 wiedergeben.
„Viel Durst und Beine im vollbesetzten Hofbräusaal – Nur Busen blieb rar auf der Shiloh-Ranch.
Der bärtige Cowboy schob den schwarzen Schlapphut ins Genick, bog den Kopf zurück und setzte die Bierflasche an: „Einen Durst hat man hier dauernd.“ In der Tat, beim Schwimmerfasching fühlte man sich gestern pausenlos ausgedörrt. Aus einfachem Grund: beim „Western-Festival auf der Shiloh-Ranch“ war der zum Schauplatz wüster Wild-West-Gelage umfunktionierte – bis unters Dach prall yolle – Hofbräusaal mächtig eingeheizt. Schlug ein Hitzegeschädigter als neues Motto vor: „So heiß war´s nimmer, beim Fasching der Schwimmer.“
Aber die Initiatoren des Gaudi-Rodeos hatten in weiser Voraussicht das Feuerchen geschürt. Denn die meisten Kostüme waren nicht dazu geeignet, den letzten schweren Schnupfen dieses Winters zu verhindern. Großer Modehit auf der Shiloh-Ranch: Heiße Höschen. Die harten Westmänner gerieten ganz schön ins Schleudern, als da die Squaws gleich herdenweise schenkelfrei einliefen.
Weiter oben ließen die Schwimmerinnen ihre Fans aber weitgehend auf dem Trockenen sitzen. Will sagen: Busen blieb rar auf der Ranch. Angesichts dieses offensichtlichen Notstandes wurde eine propere Jungmaid als Attraktion ausgerufen, allein weil sie in ihren Pulli ein Guckloch geschnippelt hatte.
Alles in allem war also kaum Grund, den Pferden die Scheuklappen anzulegen. Doch was an Freizügigkeit fehlte, wurde durch Phantasie ersetzt. Phantasie in Sachen Kostüme natürlich. Die aus einschlägigen Fernsehserien hinlänglich bekannten Wild-West-Typen waren beim Faschingsmotto entsprechend in der Überzahl. Aber auch Beduinen hatten sich auf die Shiloh-Ranch verirrt (offensichtlich um ihre Haremsbestände aufzufrischen), ein Germane stieß sich per Helmhörner den Weg frei, ein (echter) Kriminalbeamter lief mit seinem Hemd Reklame für Hasch und Tarzan schritt gleich in zweifacher Ausfertigung gemessen durch die wild wogende Menge und schaute nach jagdbarem Wild aus.
Und sie fanden es alle, die Tarzans, Clowns, Cowboys und Kosaken. Das Festival war noch nicht 2 Stunden alt, da zogen sich die ersten Paare auf die mit Recht so beliebten Hofbräutreppen zurück. Um sich nur dann voneinander zu lösen, wenn das Bier ausgegangen war.
Und das ging oft aus an diesem Abend. So oft, dass die zahllosen Saloon-Bars pausenlos umlagert waren. Der Sekt floss in Strömen, dass man bald gar nicht so schnell schwitzen konnte wie die Barkeeper nachgossen.
Apropos Schwitzen: nicht nur, dass im Hofbräu gut eingeheizt war, die drei Kapellen schürten noch das Feuer. Combo C 5 und „Silverstars“ lösten sich in konzentrierter Aktion ab. Das perfekte musikalische Wechselbad zwischen Pop und Polka. Mit vorrückender Stunde weichten aber die harten Melodienfronten auf und am Ende traf man sich zum einheitlichen „Präriehoppel“.
Manche trafen sich aber auch nicht. Da war zum Beispiel der Mann, dessen Frau entschlossen den Revolver umschnallte und munter in die Menge galoppierte. Das Cowgirl war nie mehr gesehen, obwohl der Mann wohl an die fünfmal spähend die Tanzfläche umschlich.
Am Ende gab er es auf und zog sich in die unteren Räume zurück, wo die „Redstars“ mit Erfolg Stimmung ausposaunten. Unser Westmann wurde dann noch einmal gesichtet, als er sich nach Old Shatterhand-Art an eine Shiloh-Bombe im schwarzen Bikini anpirschte. Verzeihung, der schwarze Bikini war nicht das einzige, was die Dame trug. Sie hatte noch einen Patronengürtel um den nackten Bauch geschnallt und eine Zigarette im Mund.
Wie die NEUE PRESSE schon ihrer Vorschau am Samstag prophezeite: so wild wie beim Schwimmverein war der Wilde Westen nie. Das musste sich auch NP-Redakteur Sindermann erleben: als er sich in Ausübung seines harten Berufes durch das Knäuel der Tanzenden quälte, fühlt er sich plötzlich hinterrücks von einer kräftigen Faust gekniffen. Jetzt fragte sich Sindermann: „Hat mich der Kneifer nun für eine Frau oder ein Pferd gehalten?““
Leider sind heute solche Veranstaltungen inzwischen in Coburg ausgestorben. Schade ist´s.
Bildquellen:
Bild 1+2: Bilder vom Schwimmerfasching 1971 (Fotos: Neue Presse Coburg)