Werrabahn

#1 von Christian , 15.01.2009 22:07

Die Eröffnung der Werrabahn vor 150 Jahren
Schon sechs Jahre nach dem Bau der ersten deutschen Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth, tauchten im Jahre 1838 Pläne auf, auch eine Bahn zu bauen, die den Süden mit dem Norden Deutschlands verbinden sollte. Dafür waren schon Aktien gezeichnet worden. Aber die verschiedenen Kleinstaaten, durch deren Gebiet die Bahn geführt werden sollte, konnten sich nicht einigen, so dass die Einlagen wieder zurückgezahlt werden mussten. Eine Nord-Süd-Verbindung über Hof oder eine durch das Werratal standen zur Diskussion. Zu den Männern, die sich für eine Werraeisenbahn im Interesse der Industrie in Südthüringen einsetzten, gehörte der Verlagsbuchhändler, Industrielle und Publizist Joseph Mayer aus Hildburghausen, der Begründer des Leipziger Bibliographischen Instituts. Schließlich wurde durch einen Staatsvertrag zwischen Bayern, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Weimar-Eisenach und Sachsen-Coburg und Gotha im Juni 1845 der Bau einer künftigen Werrabahn von Lichtenfels über Coburg nach Eisenach gesichert. Von den geplanten 151 Kilometern führten über 100 durch das Werratal, daher der Name der Eisenbahnstrecke. Erst 1855 hatte man die zunächst notwendigen fünf Millionen Taler beisammen, so dass mit dem Bau Anfang Februar 1856 begonnen werden konnte. Dem ersten Verwaltungsrat der Werraeisenbahn AG gehörten von Coburg an der Oberbürgermeister Leopold Oberländer, der Kaufmann Forkel und der Justizrat Riemann. Die Hauptaktionäre waren der Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach, die Städte Coburg und Sonneberg sowie drei thüringischen Kleinstaaten Sachsen-Meiningen, Sachsen-Weimar-Eisenach und Sachsen-Coburg und Gotha. Drei Jahre nach dem ersten Spatenstich wurde die Gesamtstrecke von Eisenach bis Lichtenfels am 25. Januar 1859 eröffnet, nachdem der größere Abschnitt Eisenach-Coburg bereits am 2. November 1858 dem Verkehr übergeben worden war und eine Probefahrt von Lichtenfels nach Coburg am 2. Dezember 1858 stattgefunden hatte. Die gesamte Bahn hatte 8,25 Millionen Taler gekostet. Zu den ursprünglich gezeichneten fünf Millionen Talern mussten noch 3,5 Millionen beschafft werden. Umgerechnet in Euro betrugen die Gesamtkosen ca. 450 Millionen Euro, wobei die Staaten Weimar, Coburg und Meiningen noch Zuschüsse leisten mussten. Die Werraeisenbahn besaß 1862/63 an die 24 Lokomotiven mit ebensoviel Tendern, 40 Personenwagen, zwölf Gepäckwagen, 100 bedeckte Güterwagen, 180 offene, drei Pferdestandwagen, zwölf Langholzwagen und 20 Kieswagen. Uns Coburger dürfte interessieren, dass es lange Zeit einen Bahnhof in Creidlitz gar nicht gab, dafür einen Haltepunkt in Niederfüllbach. Auch Grub am Forst musste lange auf einen eigenen Bahnhof warten. Wie verkehrsgünstig die Werraeisenbahn für die Coburger früher war, geht daraus hervor, dass man von Coburg aus den Eisenbahnknotenpunkt Bebra in Hessen damals in 3,5 Stunden erreichen konnte. Man benutzte den über Coburg aus den böhmischen Bädern fahrenden D-Zug mit Kurswagen zum Ruhrgebiet und zu den Hansestädten und gelangte, ohne umsteigen zu müssen, nach Bebra. Die heutige Bahnfahrt von Coburg über Bamberg und Würzburg nach Bebra ist 100 Kilometer länger. Dazu kommt noch das man mindestens zweimal umsteigen müsste. Diese verkehrsungünstige Verbindung nach dem Norden müssen wir seit 1945 in Kauf nehmen. Es gibt seitdem keine Werraeisenbahn von Lichtenfels bis Eisenach mehr. Der durchgehende Zugverkehr ist eingestellt worden und 1947 wurden die Gleise von Görsdorf bis Eisfeld für die Russen demontiert. Von Coburg aus fuhren bis zur Station Görsdorf, die im Gegensatz zum Dorf gleichen Namens, auf bayerischem Gebiet lag, bis 1949 Personenzüge, wobei diese auch auf der nach dem Kriege neu errichteten Behelfsstation Oberlauter hielten. Nur einmal noch fuhr 27 Jahre später ein Zug nach Görsdorf und wieder zurück. Das war am 9. August 1976 als die ehemaligen Eisenbahner der Werrabahn einen Abschiedszug fahren ließen. Kurz darauf wurden die Gleise abgebaut. Nur die alte Trasse ist noch sichtbar und dient heute als Wanderweg. Für Coburg war die Werrabahn aus heutiger Sicht von herausragender Bedeutung, denn mit ihr kam die Industrie in die Vestestadt und ins Coburger Land. So sind die Folgen dieser Bahnstreckeneröffnung aus dem Jahre 1858 noch heute für jedermann deutlich zu erkennen.


Links und Mitte: Der Bahnhof der Stadt Coburg um 1860 (Beide Aufnahmen Fotosammlung Stadtarchiv Coburg). Rechts: Erster Fahrplan um 1859


Angefügte Bilder:
Aufgrund eingeschränkter Benutzerrechte werden nur die Namen der Dateianhänge angezeigt Jetzt anmelden!
 Bahnhof.jpg   Coburg.jpg   Fahrplan.jpg 
Christian  
Christian
Beiträge: 7.896
Punkte: 8.344
Registriert am: 03.12.2004

zuletzt bearbeitet 06.04.2013 | Top

RE: Werrabahn

#2 von Jürgen , 16.01.2009 13:27

Hallo Christian,
toller Bericht! Da sieht man mal wieder, dass unsere Altvorderen cleverer waren als wir in den 1950er Jahren! Wir (meine Eltern und ich) wollten (und sind auch - wahrscheinlich auch mit Hilfe der Sparkasse) von Neustadt nach Coburg umziehen. Da wir damals Spielwaren herstellten (einschl. Heimarbeiter so ca. 20 bis 30 Arbeiterinnen), waren wir in Coburg nicht erwünscht! Der OB sagte damals: Coburg ist keine Industriestadt, sondern eine Kongreßstadt! Dieser "Wunsch" hat wahrscheinlich auch dafür gesorgt, dass der Vogelverlag, Zeiss, Siemens und weitere Coburg wieder verlassen haben. Heute wären wir mehr als dankbar, hätten wir nur einen Teil davon!
Gruß Jürgen

Jürgen  
Jürgen
Beiträge: 1.089
Punkte: 1.089
Registriert am: 13.06.2006


RE: Werrabahn

#3 von gerd , 16.01.2009 13:48

Hallo Jürgen,Deine Worte sind mir noch gut in Erinnerung!Ich entsinne mich das damals von den Leuten dieses Thema heiss depattiert wurde!
Die "Residenzler" waren sehr auf ihre Kongress und Residenzstadt fixiert!Ich glaube das hier der damalige OB Langer entscheidenten Anspruch daran hatte,hier keine Industrie rein zu lassen!
Was wurde auch um das "Thüringer Viertel" und um das Demo",später dann um die "Klagemauer"--gerungen,immer mit der Begründung: hier wird das Westliche Stadtbild verschandelt!!

gerd  
gerd
Beiträge: 4.446
Punkte: 4.566
Registriert am: 19.06.2004


RE: Werrabahn

#4 von Stefan , 16.01.2009 16:15

Kümmerling kommt aus Coburg ?
Tatsächlich - 1949 aus Deesbach / Thüringen übersiedelt.
Wo hatten die denn bis 1963 ihre Produktionsstätten ?

 
Stefan
Beiträge: 395
Punkte: 409
Registriert am: 22.11.2008


RE: Werrabahn

#5 von Christian , 16.01.2009 19:58

Steht das nicht in einem Adressbuch von dir Norbert?

Übrigends. Ich bringe nächste Woche an der Stelle Kurioses zur Werrabahn.

Christian  
Christian
Beiträge: 7.896
Punkte: 8.344
Registriert am: 03.12.2004


RE: Werrabahn

#6 von faraway , 17.01.2009 04:28

Hallo, Christian,

Dein Bericht ueber die Werrabahn ist sehr interessant. Gut gemacht! Aber die Bilder vom Coburger Bahnhof sind ganz erstaunlich. Wie oft bin ich von Coburg nach Moenchroeden oder Oeslau gefahren u. hatte keine Ahnung dass der Bahnhof mal anders aussah.

Wie schoen dass das Magazin wieder mehr aktiv ist!

Viele Gruesse,
Angelika

 
faraway
Beiträge: 1.235
Punkte: 1.243
Registriert am: 25.03.2005


RE: Werrabahn

#7 von Jürgen , 17.01.2009 11:10


Klasse! Angelika ist wieder da!
Jürgen

Jürgen  
Jürgen
Beiträge: 1.089
Punkte: 1.089
Registriert am: 13.06.2006


RE: Werrabahn

#8 von gerd , 17.01.2009 12:52


Wer hilft?
Angelika will was über`s ehemalige Parkhotel im Neuen Weg wissen!(Jürgen,du wohnst doch nur einige Meter weiter?)
Ist bekannt wann das Hotel errichtet wurde?
Auf den Plänen in der Landesbibliothek von 1860(?) ist es nämlich nicht zu sehen.(Auf dem letzten Plan von Coburg ganz unten ist die Situation dort zu sehen-Judenbrücke usw.)
gerd

gerd  
gerd
Beiträge: 4.446
Punkte: 4.566
Registriert am: 19.06.2004

zuletzt bearbeitet 17.01.2009 | Top

RE: Werrabahn

#9 von Christian , 17.01.2009 13:16

Hallo Gerd,
das Gebäude gehörte 1911 einem Eberhard Friedmann, der auch das Parkhotel in dieser Zeit eröffnete. Aber schon 1919 wechselte der Eigentümer und die Geschichte des Hotels war schon wieder zu Ende.
Gebaut hat das Gebäude 1865 ein Theodor Köppen. 1919 ist der Corvettenkapitän Friedrich von Weidebach Eigentümer des Hauses und ab 1924 gehörte es dem Kaufmann Oswald Henning. Letzter Eigentümer war ein gewisser Stegner.

Bildquelle: Illustrierte Zeitung Nr. 1472 vom 16. September 1871, gez. B. Strassberger (Sammlung Boseckert)


Angefügte Bilder:
Aufgrund eingeschränkter Benutzerrechte werden nur die Namen der Dateianhänge angezeigt Jetzt anmelden!
 Ehemaliges Parkhotel (Neuer Weg 2) 1871.jpg 
Christian  
Christian
Beiträge: 7.896
Punkte: 8.344
Registriert am: 03.12.2004

zuletzt bearbeitet 06.04.2013 | Top

RE: Werrabahn

#10 von Jürgen , 17.01.2009 13:41

Hallo Christian,
es wurde auch erzählt, es handle sich hierbei um das Gästehaus des Herzogshauses; stimmt dies eigentlich, oder ist dies nur wieder ein "Windei"?
Gruß Jürgen

Jürgen  
Jürgen
Beiträge: 1.089
Punkte: 1.089
Registriert am: 13.06.2006


   

Geschichten aus der Mohrenstraße - Der Mohrensträßler Heinrich Emil Deyßing (Beitrag vom 6.3.2009)
Der letzte Fasching in den Hofbräugaststätten (Artikel vom 20.02.2009)



Xobor Einfach ein eigenes Forum erstellen
Datenschutz