Geschichten aus der Mohrenstraße - Die Entstehung (Artikel vom 13.02.2009)

#1 von Christian , 13.02.2009 10:06

Mit dem neuangelegten „Zuweg zum Bahnhof“, der heutigen Bahnhofstraße, war 1861 die zweite Verbindung des im Jahre 1858 gebauten Coburger Hauptbahnhofes mit der Innenstadt hergestellt. Vorher war die einzige Möglichkeit, zur Stadt zu gelangen, der Weg durch die Lossaustraße, über die Judenbrücke zur Judengasse und dann weiter zum Markt. Es fehlte bis dahin der dritte und direkteste Zubringer zum Bahnhof. Aber schon bald nach 1860 plante man einen solchen. Auf einem Stadtplan aus dieser Zeit ist geradlinig vom Spitaltor bis zur Itz in nordwestlicher Richtung und dann nach West-Süd-West abknickend eine Straße ohne Namen eingezeichnet worden, von der weitere projektierte Wege nach rechts und links im rechten Winkel abbiegen sollten. Doch zunächst blieb es beim Planen, denn das Gelände mit seinen Wiesen, Hecken und Bäumen zwischen der Stadt und der Lossau war im Privatbesitz. Zum einen gehörte das Areal dem Regierungsrat Georg Feder, dessen Hauptbesitz in diesem Gebiet der sogenannte „Federsgarten“ zwischen der Mohrenstraße und der Mühlgasse, war. Zum anderen gehörten dem Lautermüller Georg Roschlau große Teile dieses Areals. Die Lautermühle lag an einem kleinen Seitenarm der Itz, dem man den Lautergraben nannte. Ihren Standort muss man im Einmündungsbereich der Mühlgasse in der Löwenstraße suchen, dort wo heute die Häuser Mühlgasse 12 (ehemals Praxis Dr. von Kamp) und Löwenstraße 17 stehen. Georg Roschlau wollte im Jahre 1873 seinen gesamten Grundbesitz an die Stadt Coburg veräußern. Der Magistrat zögerte zunächst, griff aber dann doch zu, da das umfangreiche Gebiet ideal für eine Bebauung war. Die Stadt zahlte dafür an Georg Roschlau 18.000 Gulden. Ziel war es in erster Linie dort, eine neue Verkehrsanbindung zum Bahnhof zu schaffen. So wurde der Lautergraben 1875 zugeschüttet und die Lautermühle abgerissen, während der Hahnfluss, welcher die spätere Mohrenstraße wie die Itz überquerte, noch fast 100 Jahre munter dahinfließen durfte. Die Kaufverhandlungen mit Georg Roschlau und mit den anderen Grundbesitzern des Geländes (u.a. Georg Feder), das für künftige Straßen benötigt wurde, führte im Einvernehmen mit dem damaligen Coburger Oberbürgermeister Rudolf Muther, der Bankier und Magistratsrat Otto Hülbig. Die ehemaligen Grundbesitzer freuten sich derart über ihre guten Erlöse, dass sie schließlich noch ein Fest mit einem ausgiebigen Mahl feierten. Georg Roschlau konnte sich damit zur Ruhe setzen und dazu noch in der neuen Straße ein Haus bauen, das dort stand, wo sich heute der Kaufhof befindet. Ursprünglich trug es die Adresse Mohrenstraße 17 und musste 1926 dem Bau des Tageblatt-Hauses weichen. Mit der Anlage der neuen Straße und deren Bebauung konnte ab 1875 begonnen werden. Die ersten Häuser entstanden im Abschnitt zwischen dem Bahnhof und der Itz. Aus dieser Zeit stammt noch das Haus Mohrenstraße 8 (ehemals Fotogeschäft Mitschke), welches an der Ecke zur Kanalstraße entstand. 1875/76 entstand auch die erste Brücke über die Itz, eine eiserne Straßenbrücke, welche aber bereits nach 50 Jahren dem stärker einsetzenden Autoverkehr nicht mehr gewachsen war. Die Bebauung der Mohrenstraße allerdings, ging nach 1875 nur sehr langsam voran. So war der obere Bereich zwischen der heutigen „Kaufhof-Kreuzung“ und dem „Gräfsblock“ auch 20 Jahre später kaum bebaut. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass ein direkter Zugang der Mohrenstraße zum Markt über die Spitalgasse noch nicht existierte und die Straße abrupt auf einer Linie Webergasse – Badergasse – Georgengasse endete. Dieses Problem sollte aber noch in den kommenden Jahren angegangen werden.

Bildquellen:
Bild 1: Stadtplan von 1866 (Sammlung Christian Boseckert)

Bild 3: Das älteste Wohnhaus der Mohrenstraße (Foto: Christian Boseckert, 2007)


Angefügte Bilder:
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 Freizeit 560.jpg   Mohrenstrasse 8.jpg 
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RE: Geschichten aus der Mohrenstraße - Die Entstehung (Artikel vom 13.02.2009)

#2 von Stefan , 13.02.2009 22:09

Christian - Klasse Artikel !
Was mich schon immer interessiert hat:
Der Hahnfluß kreuzte die Mohrenstraße - aber eine Brücke ist auf keinem der mir bekannten Fotos zu sehen. Gab es damals schon eine "Verrohrung" an diesem Punkt ?

 
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RE: Geschichten aus der Mohrenstraße - Die Entstehung (Artikel vom 13.02.2009)

#3 von Christian , 14.02.2009 11:10

Die Frage nach der Verrohrung muss ich hier mit einem Nein beantworten. Die Breite des Hahnflusses an dieser Stelle machte einen großen Brückenbau unnötig. Der Hahnfluss überquerte die Mohrenstraße zwischen den Hofbräugaststätten und dem Tageblatthaus auf der einen, und zwischen der heutigen Einmündung der Anna-B.-Eckstein-Anlage und dem daneben liegenden Reisebüro, auf der anderen Straßenseite. Man erkennt auf den alten Aufnahmen, besonders wenn sie die Hofbräugaststätten oder das Tageblatthaus zeigen einen Brückenzaun. Was besonders interessant ist, wäre die Tatsache dass der Hahnfluss zwischen den beiden Gebäuden bereits vor 1968 dort verrohrt wurde. Das Tageblatt stellte daraufhin nämlich auf den ehemaligen Flussbett einen Flachbau hin, wo man deren Zeitungen kaufen konnte.

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RE: Geschichten aus der Mohrenstraße - Die Entstehung (Artikel vom 13.02.2009)

#4 von gerd , 14.02.2009 13:34

Christian,ich hätte zu Deinem letzten Bericht mal folgende Gedankengänge:
BADERGASSE-->wenige Meter nach den "Baderstuben" Richtung Post,war früher eine Engstelle,die nur für Fussgänger gangbar war.Hier war eine Holzbrücke über den Hahnfluß.Unmittelbar links an diese Brücke angebaut war die Stadt(?)Mühle.Und von hier,bis zur Anna-B-Eckstein -Anlage,also unter dem ganzen Anwesen des ehemaligen Hofbräu/Passage Kino/-Mohrenstraße, war der Hahnfluß verrohrt oder in einem ausgebauten Kanal(?) geführt. Wie es dort,als es das Hofbräu noch nicht gab,aussah, ist für mich spekulativ.War vom "Roschlau" Anwesen bis zur Stadtmühle Bebauung (später durch das Tageblatthaus und das Hofbräu überbaut) vorhanden oder nur Wiesen?Wenn man Deine Aufnahme von der Mohrenstraße ansieht,wo linker Hand das Haus vom Lautermüller Roschlau steht,könnte man annehmem,das der Hahnfluß zwischen diesem Haus und dem zu erkennenden Gebäude des Hofbräu durchführt.
Der Verlauf des Hahnfluß unter dem heutigen Kaufhof hindurch,dürfte sicher noch so sein wie er früher war!?Was geschah beim Abriss des Hofbräu?Wurde dort die Hahnflußverrohrung erneuert?(Nachdem der Kaufhof drüber gebaut wurde?)
Andere Frage:die Mohrenstraße war bei der Neuanlage schon so breit wie heute?Das heisst doch,das von dem Flachbau des Tageblatt bis zur A-B-Eckstein Anlage der Hahnfluß verrohrt war.
Mal sehen,was die Karten von 1860 hergeben.
gruß gerd

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RE: Geschichten aus der Mohrenstraße - Die Entstehung (Artikel vom 13.02.2009)

#5 von gerd , 14.02.2009 13:42

Christian,noch eine andere Frage zu Deinem Stadtplan:
Ich frage mich,warum hat man dem Hahnfluß,hinter der Post,diese große Kurve verpasst?Um das Gewässer näher an die (Gerber) Häuser heran zu führen?

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RE: Geschichten aus der Mohrenstraße - Die Entstehung (Artikel vom 13.02.2009)

#6 von Christian , 14.02.2009 13:59

Hallo Gerd,
zu deiner letzten Frage kann ich nur vermuten, dass es sich hierbei um einen natürlichen Verlauf des Hahnflusses sich handeln muss. Solche Schleifen, früher im Volksmund auch "Ketschen" genannt (deshalb der Name Ketschengasse) besaß auch die Itz, bevor sie 1909 begradigt wurde.

Das Gelände der Hofbräugaststätten war schon vor 1873 bebaut. Dort befand sich eine industrielle Anlage, welche grundstücksmäßig zur Badergasse gehörte. Teile dieser Firmengebäude wurden schließlich in den Hofbräusaal verbaut.

Die Breite der Mohrenstraße hat sich in all den Jahren nicht verändert.

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RE: Geschichten aus der Mohrenstraße - Die Entstehung (Artikel vom 13.02.2009)

#7 von gerd , 14.02.2009 14:04

Wieder was Neues!Und was war das für eine Firma,welche da in den Gebäuden des Hofbräu aufgegangen ist?

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RE: Geschichten aus der Mohrenstraße - Die Entstehung (Artikel vom 13.02.2009)

#8 von Christian , 14.02.2009 14:17

Also das Grundstück gehörte damals zur Badergasse 8. Vor 1873 befand sich dort eine Färberei mit Dampfkesselanlage, welche von einem gewissen Ernst Fischer betrieben wurde.

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Der letzte Fasching in den Hofbräugaststätten (Artikel vom 20.02.2009)
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