Gerd Bieler: Die Gaststätte Rohmann, Teil 1 (Beitrag vom 12.12.2009)

#1 von Christian , 12.12.2009 09:16

"Servus!" - "Servus" - "Wo gehst`n hie?" - "Ah`ns trink`n, zum Ludwich!" - "Geh ich mit!"

Freitag Abend, erster Anlaufpunkt "Rohmanns Gaststätte" in der Rückertstrasse. Damaliger Pächter in den 60-70er Jahren Ludwig Koch. Frau Else, ständig im Stress hinter der Theke in ihrer "Kochnische". Jeder neue Gast wurde mit "Servus" und "Hallo" begrüßt. Man kannte sich und ging an keinem Tisch vorbei ohne freundschaftlich zu "klopfen". Ch., wie immer am Flipper, gleich dort am Eingang und stets mit der Frage auf den Lippen: "Kannste mir mal`n Bier bezahlen?" Wie oft hat der die Scheibe vom Flipper zerhauen!? Lokalverbot das Resultat. Aber 3 Trage später war wieder alles vergessen. Neue Scheibe und Ch. war in noch schlechterer finanzieller Verfassung!

Endlich den " 3er" und den "1er" gleich dazu. F. war als Fahrschullehrer ganz okay und kam auch regelmäßig ins Rohmann. Das erste Auto! Mit was für "Krück`n" ging es los? 600er Fiat, NSU Prinz 4, DKW Junior, BMW 700, VW, und, und, und! Sprit bei 60 bis 70 Pfennig pro Liter bis später die sogenannte "Energiekrise" den Weg frei machte für die "Abzocke" nach oben! Nur Probe aufs Exempel! Mal sehen, wie der konsumverblödete deutsche Michel darauf reagiert? Zuvor wurde der deutsche Autofahrer bei z. B. ESSO mit dem "Tiger im Tank" geködert und bei BP und ARAL wurden die Leute verrückt gemacht mit dem Losspiel "Rubbel die Mark". Es konnten bis zu 10.000 DM gewonnen werden. Nur brauchte man zum Los das passende Gegenlos. Am Samstag waren dann die Anzeigen in der Presse oder im Tageblatt zu lesen: Habe Los Nr......., suche Gegenlos. Gewinn "Halbe-Halbe". Die Leute haben getank wie die "Weltmeister" - und dann plötzlich "Energiekrise"! Wie wurden wir damals nur verarscht!

Erstmal eine "Ehrenrunde" um den Markt, rein in die "Spit", um den "Gräfsblock" und zurück zum Albert. Spätestens jetzt brüllte oder pfiff einer und wollte mitfahren - wieder Retour und durch die Mohrenstrasse runter zum Bahnhof. Jetzt müssen die Kumpels kommen, die zur Zeit beim Bund sind. Massen von Leuten schieben sich durch den Bahnhof. V. kommt heute im Dienstanzug - da muss der Wachhabende in Amberg gerade auf dem Klo gewesen sein, als V. an der Wache vorbei ging! P. kommt natürlich mit Ausgehuniform nach Coburg. Mohrenstrasse, Spit, Markt, Herrengasse, Rückertstrasse - Parkmöglichkeiten fast überall! Wie gross war damals die Verkehrsdichte in Deutschland? Der Kult um Deutschlands liebstes Kind, sprich "PKW" war halt damals noch nicht so ausgeprägt wie heute. Die Bürgersteige waren vielerorts schmäler, Fussgängerzone? - Hä? Was`n des? - Unbekannt! Tempo 30? - Wohl blöd was! - Parken also kein Problem.

Am Stammtisch gegenüber der "Kochnische" ist noch Platz. "Was kriegt`n ihr?" - Elfi, wie immer gut drauf, bedient heute Abend. Urkulm, Edelherb, EKU-Pils bitte! Es wurde behauptet, der Ludwig hätte weit über 40 (!) Biersorten parat! Das ist wie heute beim Sagasser. Gulschsuppe, Schmalzbrot oder Brot mit Bratwurstfülle, die einzigen Gerichte im Rohmann. Wenn in der Gulaschsuppe Fleisch war, ging das wie ein Lauffeuer durch die Stadt. Doch essen sollte man die Gulaschsuppe erst gegen 23 Uhr! Man hatte ja dann schon mehrere Pils intus. Eifrige Stammtischbeobachter konnten nämlich berichten, dass der angebrannte Topf, in dem die Gulaschsuppe so vor sich hin köchelte, schon mal am Rand mit einem Zeigefinger etwas "gereinigt" wurde! - Scho` lang her! (Fortsetzung folgt)


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RE: Gerd Bieler: Die Gaststätte Rohmann, Teil 1 (Beitrag vom 12.12.2009)

#2 von Jürgen , 12.12.2009 13:45

Bei Ludwig war ich nicht so oft, wohl aber bei seinen Vorgängerinnen. Da war auch immer etwas los - aber etwas kultivierter. Auch Gulaschsuppe, Würstchen usw. gabs - aber ohne "Topfrand".
Wir sind dann in "unsere" Kneipe gewandert, in den Bauernkeller zum Ölmann's Karl und deshalb seltener ins Rohmann. Da muss auch mal einer auf dem WC eingeschlafen sein - hat man gemerkt, da es etwas "streng" gerochen hat und Wasser unter der Tür durchkam. Er hatte nämlich sein Bier als Wegzehrung mitgenommen und in der WC-Schüssel im Ablauf "abgestellt" und so alles verstopft- Der etwas "strenge Geruch" war entstanden weil er vergessen hatte diie Hosen runterzulassen...
Noch eine Episode: Bei einem Pfingstfest wollte man zu früher Stunde das Rohmann für ein paar Stunden Schließen, aber gegen unseren Willen! Zähe Verhandlungen ergaben dann folgenden Kompromiss: Das Lokal wird offiziell geschlossen, wir bleiben drin und man stellte uns ausreichend "Stoff" (Bier) hin; Abrechnung dann nach Verbrauch. Das Problem "WC" war auch keins - wer mal musste, Fenster auf, rausgeklettert und eine stille Ecke aufgesucht und weiter gings. Wäre heute alles undenkbar!


LG
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RE: Gerd Bieler: Die Gaststätte Rohmann, Teil 1 (Beitrag vom 12.12.2009)

#3 von Stammbus , 12.12.2009 14:08

Ergänzung: Ludwig war auch Automatenaufsteller, und wenn Else das "Rohmann" führte, war er mit einem riesigen Schlüsselbund in seinem weißen S-Klasse-Benz unterwegs, um seine Automaten zu leeren. Nachdem er so gegen 23.00 Uhr das Geld zum Nachttresor der Bank gebracht hatte, kam er ins "Rohmann", um Else abzulösen. Und wer Else dann nach Hause fuhr, konnte anschließend noch zwei Bier auf Rechnung des Hauses trinken (was meine Getränkekasse eine Zeitlang ungemein entlastet hatte). War es dann 1 Uhr, wurde zwar darauf geachtet, dass zur Sperrstunde das Lokal leer war, aber so gegen 1.30 Uhr hat man dann mit Ludwig in kleiner Runde weiter gesessen und gewürfelt. Oft war es dann drei Uhr, bis wir leise aus dem Hause gingen, nicht ohne vorher zu checken, ob die Luft rein ist. "Rohmann" war im bürgerlichen Coburg eben etwas, wo "man" nicht hingeht.

Nicht zu vergessen Elfi, die Bedienung, eine Seele von Mensch. Und die berühmte Musikbox, die für 20 Pfennig 45er-Scheiben dudelte, die Stones waren am meisten angesagt. https://www.youtube.com/watch?v=B1JARuXvyRU. Wenn ich das höre, denke ich, es wäre erst gestern gewesen.


 
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RE: Gerd Bieler: Die Gaststätte Rohmann, Teil 1 (Beitrag vom 12.12.2009)

#4 von gerd , 12.12.2009 14:42

Da hast Du ja Erinnerungen,ans Rohmann,welche ich Lückenlos bestätigen kann!


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RE: Gerd Bieler: Die Gaststätte Rohmann, Teil 1 (Beitrag vom 12.12.2009)

#5 von Stammbus , 12.12.2009 14:54

Ich habe ja auch einen nicht kleinen Teil meines damaligen Lebens dort verbracht

 
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RE: Gerd Bieler: Die Gaststätte Rohmann, Teil 1 (Beitrag vom 12.12.2009)

#6 von Stammbus , 12.12.2009 15:32

So ähnlich, noch ein bisschen älter, sah die Musikbox aus:

Angefügte Bilder:
Aufgrund eingeschränkter Benutzerrechte werden nur die Namen der Dateianhänge angezeigt Jetzt anmelden!
 22-1.JPG 
 
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RE: Gerd Bieler: Die Gaststätte Rohmann, Teil 1 (Beitrag vom 12.12.2009)

#7 von gerd , 13.12.2009 12:53

.....und stand im letzten Raum in der Türnische,welche ganz früher einmal Haupteingang zum Lokal gewesen sein mußte!
Schön war es im Sommer,wenn dort im letzten Raum die Fenster geöffnet waren!Man konnte sofort sehen,ob sich Kollegen im Lokal befanden und es ist auch vorgekommen,als einer Lokalverbot hatte, der sein Bier vom Gehsteig aus getrunken hat!So lange das Ludwig nicht merkte war das o.k.Es dauerte aber nicht lange,Ludwig sah das und die Fenster wurden geschlossen...unter heftigen Protest der Gäste!Bei Hochsommerlichen Temperaturen war das dann für die Else sehr schweißtreibend (in ihrer "Kochnische")und die Fenster wurden wieder geöffnet,mit dem strengen Befehl an Elfi,durch das Fenster kein Bier mehr heraus zu geben!.....Schon lange her.....!
Erklärung:Das Else Koch nur eine "Kochnische" z.V. hatte,war rein zufällig!


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RE: Gerd Bieler: Die Gaststätte Rohmann, Teil 1 (Beitrag vom 12.12.2009)

#8 von Stammbus , 13.12.2009 13:24

Im Nachhinein gefragt: Was war eigentlich das Faszinierende an dieser "Gaststätte"?

- Diese Musikbox? (Ähnliche gab es aber damals öfters, allerdings selten mit so geiler Musik).
- Die rauhe aber herzliche Atmosphäre von Ludwig, Else und Elfi, die alle drei in Wirklichkeit sensible Persönlichkeiten waren?
- Dass das Bier nur aus Flaschen getrunken wurde, die nach dem Schluck krachend auf den hölzernen Tisch zurück gestellt wurden?
- Dass das "Rohmann" den Ruf einer "Spelunke" genoss, um die der braver Spießer einen weiten Bogen machte? (Ich kannte wirklich Leute, die auch am Morgen nicht auf dieser Seite der Rückertstraße den Bürgersteig benutzen wollten).

Oder habt Ihr noch andere Ideen?

Die Toiletten waren es jedenfalls bestimmt nicht

 
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RE: Gerd Bieler: Die Gaststätte Rohmann, Teil 1 (Beitrag vom 12.12.2009)

#9 von gerd , 13.12.2009 18:42

Für mich(uns)war das Rohmann einfach ein Anlaufpunkt.Erstens um ein Bier zu trinken und zweitens um Kumpels zu treffen.Im Rohmann waren die verschiedensten Leute zu finden.Nicht zu vergessen,das wir uns um das Jahr 1968 dort aufhielten!!Da war der Fahrschullehrer genauso zu finden wie der Juniorchef/heutige Chef von Coburger Firmen!(Und nicht nur einer!!)Ich empfinde die 60er Jahre als Aufbruch.Nicht nur weil man sich vom Elternhaus löste,auch weil man die Lehre beendet hatte,sich ein Auto kaufen konnte und die Welt offen stand.Und da hat das Rohmann mit dazu beigetragen.Das es manchmal nicht ganz "fein" zu ging? Wen störte denn das von uns?Wer nicht wollte,mußte ja nicht dort hin gehen!Die Leute welche ich in der Kneipe getroffen habe,waren m.M. nach alle in Ordnung.Schüler,Lehrlinge,Studenten, das waren doch die Leute welche das hauptsächliche Publikum dort bildeten!?
Erst später,als es einmal hieß:"Hast du Haschisch in den Taschen,hast du immer was zum naschen",da soll der Ruf des Rohmann noch weiter(??) gesunken sein!?Ich denke jedenfalls gerne an die Zeiten zurück,wo man oft gefragt wurde:"Wo gehst`n hin?.."Geh ins Rohmann !"


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RE: Gerd Bieler: Die Gaststätte Rohmann, Teil 1 (Beitrag vom 12.12.2009)

#10 von kilroy ( gelöscht ) , 13.12.2009 19:38

Zu meiner Zeit lief im Rohmann recht haeufig dieses Lied.

https://www.youtube.com/watch?v=mBrbpWwWafQ


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zuletzt bearbeitet 13.12.2009 19:39 | Top

   

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