Von einem "Preiselbeerbrunnen" und einem abgerissenen Jugendstilhaus (Beitrag vom 01.05.2010)

#1 von Christian , 30.04.2010 08:25

In Zusammenhang mit der großen Resonanz, die auf dem Aufsatz über den Mohrenkeller folgte, soll der Mündungsbereich Weichengereuth / Hutstraße / Marschberg in einem weiteren Artikel dargestellt werden. Seit der Fertigstellung der Frankenbrücke in den 1990er Jahren hat sich die Umgebung dort völlig verändert. Wenn man heute mit dem Auto aus der Innenstadt kommt und rechts hinauf zur Hut fährt, fällt einem sicher ein prachtvoller Brunnen auf, der unterhalb des Hauses Marschberg Nr. 2 an einer Mauer installiert ist. Ursprünglich befand sich dieser Brunnen seit 1904 am Jugendstilgebäude Weichengereuth Nr. 3, welches 1989 im Zuge des Ausbaus der Frankenbrücke abgerissen wurde. Architekt dieses Gebäudes war der Maurermeister Carl Bauer, den wir schon beim Mohrenkeller kennengelernt haben. Das Gebäude besaß sehr sehenswerte Schmuckornamente. An dieser prächtig gestalteten Fassade befand sich auch der Wandbrunnen, den wir heute an der Ecke Hutstraße / Marschberg sehen können. Darüber befanden sich Reliefs, die zwei Schiffe darstellten. Über der Eingangstüre gaben ein Winkel und eine Reißschiene Auskunft über den Beruf des Hausbesitzers Carl Bauer. Ferner erinnerten neben dem Balkon des Hauses zwei Gestalten mit Steinmetzwerkzeugen und Bauplan an Bauer, der das Gebäude wegen Zahlungsschwierigkeiten 1909 versteigern lassen musste. Neuer Hauseigentümer wurde der Klempnermeister Friedrich Schneider. 1924 wird die Witwe Aline Schüler als Grundstücksbesitzerin erwähnt. Das Haus Weichengereuth Nr. 3 war eines der wenigen Privathäuser in der Gegend, die noch 1977 im Privatbesitz lagen. Die Bundesrepublik Deutschland hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die meisten Gebäude aufgekauft. Die Denkmalschutzbehörde hatte schließlich das Haus mit dem Rückgebäude in ihre Liste aufgenommen. Den Abriss von 1989 wurde dadurch nicht verhindert, aber es gab Diskussionen die Fassade des Jugendstilhauses als Treppenaufgang zur Hügelstraße künstlich wieder aufzubauen. Für manche war dies ein „mutiger Versuch“, für andere eine reine „Mickey-Mouse-Architektur“. Schwierigkeiten mit der Finanzierung lies dieses Projekt nicht zur Ausführung kommen. Vorsorglich wurden aber seinerzeit die Ornamente und der Wandbrunnen von Weichengereuth Nr. 3 abgebaut und nummeriert. Zur Ausführung kam schlussendlich im Jahre 1997 nur die Wiederherstellung des Brunnens. Der Platz, wo er heute steht, wurde nicht zufällig ausgewählt. Er erinnert dabei an eine andere Brunnenanlage, die dort einst stand, nämlich an den Ölberg- oder Hölberlesbrunnen. Urkundlich wird der Brunnen erstmalig im Jahre 1439 als „Älberlein“ jenseits der „Eichen brukken“ erwähnt. Diese war eine Vorläuferin der heutigen Schlachthofbrücke. Neben dem Brunnen stand vor der Reformationszeit eine Ölberggruppe, die auf die Passion Christi hinwies. Im Jahre 1606 wurde sie entfernt und im damaligen Friedhof an der Salvatorkirche wieder aufgestellt. Dort stand sie noch bis 1822. Dem Brunnen hatte sie seinen Namen gegeben. Das Volk hat im Sprachgebrauch aus Ölbergbrunnen, Oelberleinsbrunnen und schließlich „Hölberlesbrunnen“ gemacht. Zu diesem Namen trug auch der Professor am Gymnasium Casimirianum Hermann Gottfried Hornschuh irrtümlich bei. In einer Schrift aus dem Jahre 1773 schrieb er dem Wasser des Brunnens einen Geschmack von Preiselbeeren zu. Und da ja die Coburger zu Preiselbeeren „Hölberle“ sagen, war schließlich dieser Name geboren. Die Heiligengruppe gab aber nicht nur dem Brunnen, sondern auch dem Gelände zwischen dem Marschberg und der Hutstraße den Namen, nämlich Ölberg. Dort gibt es auch eine Straße mit dem Namen „Am Ölberg“. Der Ölbergbrunnen, der zuweilen auch „Hutbrünnle“ genannt wurde, war ein laufender Brunnen. Seine Quelle lag im ehemaligen „Albrechtsgründle“, der sich einst zwischen der Hut und der Sandstraße befand. Das Wasser des Brunnens wurde vom Volk sehr geschätzt zumal es bei der Behandlung von Augenleiden nützlich gewesen sein soll. Der Polizeiinspektor Johann Philipp Eberhardt, ein fleißiger Beamter der Coburger Stadtverwaltung, zollt in seiner handgeschriebenen umfangreichen Statistik über die Coburger Verhältnisse dem Ölbergbrunnen im Jahre 1803 ein hohes Lob. Das Wasser des Brunnens war in früherer Zeit nicht nur ein Labsal für alle, die vorübergingen, für die Pilger, die Hirten und die Fuhrknechte, sondern auch für das Vieh, das zur Hut getrieben wurde. Der Standort des Ölbergbrunnens befand sich ungefähr auf der heutigen Straßenmitte der Hutstraße zur Kreuzung Marschberg / Frankenbrücke, also etwas südlicher als die heutige Brunnenlange. Dabei handelte es sich um einen sechseckigen Kastenbrunnen aus Sandstein mit einer eisernen Säule. Darauf stand ein Meißener Löwe. Dieser hielt ein Schild mit der Abbildung des Coburger Mohren darauf. Im Jahre 1935 stellte man die Gesundheitsschädlichkeit des Wassers fest, sodass der Zufluss zugemauert werden musste. Die Brunnenanlage wurde allerdings stehen gelassen. Erst 1956 wurde aufgrund von Sanierungsarbeiten in dem Stadtviertel der Brunnen endgültig entfernt. Was aus der Brunnensäule und dem Löwen geworden ist, blieb bis heute im Dunkeln.

Bildquellen:
Bild 1: Ehemaliger Wandbrunnen des Hauses Weichengereuth 3, heute an der Ecke Marschberg/Hutstraße gelegen (Foto: Christian Boseckert 2010)
Bild 2: Das Jugendstilgebäude Weichengereuth 3 (Quelle: https://www.coburg-magazin-forum.de, freundlicherweise zur Verfügung gestellt von unserem Mitglied Phoenician)
Bild 3: Der Ölberg- oder Hölberlesbrunnen um 1920 (Archiv: Christian Boseckert)

Angefügte Bilder:
Aufgrund eingeschränkter Benutzerrechte werden nur die Namen der Dateianhänge angezeigt Jetzt anmelden!
 CCI30042010_00000.jpg   Wandbrunnen Weichengereuth.jpg   f11793357t505963p7253491n1.jpg 
Christian  
Christian
Beiträge: 7.898
Punkte: 8.348
Registriert am: 03.12.2004


RE: Von einem "Preiselbeerbrunnen" und einem abgerissenen Jugendstilhaus (Beitrag vom 01.05.2010)

#2 von Jürgen , 30.04.2010 11:01

Hallo Christian,
sehr interessant für mich als 1955 Zugezogener und Fastnachbar!!
Habw aber mal eine Frage: Wenn ich mir das Gebäude hinter der Brunnensäule (Bild 3) ansehe meine ich, dass es sich um die ehemalige Gastwirtschaft "Lindental" handelt. Auch diese Gastwirtschaft war - zumindest in den 50er Jahren - eine Speisegaststätte. Der Brunnen dürfte im ehemaligen Biergarten gestanden haben.


LG
Jürgen

... unser Coburg ist doch einzig schön ...

Jürgen  
Jürgen
Beiträge: 1.089
Punkte: 1.089
Registriert am: 13.06.2006


RE: Von einem "Preiselbeerbrunnen" und einem abgerissenen Jugendstilhaus (Beitrag vom 01.05.2010)

#3 von Christian , 30.04.2010 11:18

Hallo Jürgen,
das ist soweit richtig. Das Haus dahinter ist die frühere Gaststätte Lindental, die ja ebenfalls beim Bau der Frankenbrücke abgerissen wurde. Das Gebäude mit dem Turm am linken Bildende steht noch.

Christian  
Christian
Beiträge: 7.898
Punkte: 8.348
Registriert am: 03.12.2004


RE: Von einem "Preiselbeerbrunnen" und einem abgerissenen Jugendstilhaus (Beitrag vom 01.05.2010)

#4 von MFU , 30.04.2010 21:45

Hallo,

ich bin als Kind noch am Mohrenkeller vorbei gelaufen bzw. geradelt und habe das Gebäude noch vage in Erinnerung. Hat jemand ein Foto von dem Schotterplatz dannach, der dann Jahre bis zum Bau der Frankenbrücke als Park- und Christbaum-Verkaufplatz diente parat?
Grüße MFU

MFU  
MFU
Beiträge: 27
Punkte: 27
Registriert am: 27.02.2008


RE: Von einem "Preiselbeerbrunnen" und einem abgerissenen Jugendstilhaus (Beitrag vom 01.05.2010)

#5 von Christian , 06.05.2010 16:17

Leider kann ich für diesen Platz mit keinem Bild dienen. Morgen kommt nochmal ein Bericht der sich auf die Ecke Hutstraße / Marschberg beziehen wird - diesmal als Gegenüberstellung früher heute.

Christian  
Christian
Beiträge: 7.898
Punkte: 8.348
Registriert am: 03.12.2004


RE: Von einem "Preiselbeerbrunnen" und....

#6 von Phoenician , 21.12.2011 22:15

Gedicht vom "Schursch" aus seinem dritten Band von 1926...

Angefügte Bilder:
Aufgrund eingeschränkter Benutzerrechte werden nur die Namen der Dateianhänge angezeigt Jetzt anmelden!
 Hoelberlesbrunnen.jpg 
Phoenician  
Phoenician
Beiträge: 242
Punkte: 249
Registriert am: 16.12.2009


RE: Von einem "Preiselbeerbrunnen" und....

#7 von Qidan , 21.12.2011 23:06

Dös war fei gud!

Qidan  
Qidan
Beiträge: 55
Punkte: 55
Registriert am: 06.11.2011


   

Bötticher Villa
Fotos - Coburg - NS Zeit



Xobor Einfach ein eigenes Forum erstellen
Datenschutz