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Als die einst beliebte Gaststätte „Fischerei“ in der Webergasse und mit ihr die Klause „St. Lucas“ um 1980 der Stadtsanierung in diesem Bereich weichen musste, blieb ein Zeuge übrig, eine seltsame Brunnenfigur, die ein Mitglied der Künstlerzunft St. Lucas, der Professor Otto Pörtzel, schuf. Die Figur stellt einen Schweinekopf mit menschlichen Zügen dar, aus dessen Maul klares Wasser floss. Möglicherweise hat sich der Künstler dabei einen Scherz erlaubt und bei der Gestaltung an irgendein Vorbild gedacht. Im Jahre 1940 versiegte der Brunnen. Inzwischen hat dieser einen würdigen Platz am Ausstellungspavillon des Kunstvereins im Hofgarten gefunden. Otto Pörtzel hat seine Begabung von seinem Vater Gustav Wilhelm geerbt, der in Scheibe / Thüringen (heutiges Scheibe-Alsbach) in einer Porzellanfabrik als Modelleur tätig war. Geboren wurde Otto Pörtzel am 24. Oktober 1876 in dem thüringischen Waldort, besuchte nach einer Bildhauerlehre drei Jahre die Sonneberger Industrieschule, welche im Gebäude des heutigen
Deutschen Spielzeugmuseums untergebracht war und arbeitete danach im Atelier Stellmacher in Gotha. Im Jahre 1900 ließ er sich in Coburg als selbstständiger Bildhauer nieder, ergänzte aber sein Können noch durch ausgedehnte Reisen in Italien und durch Studien an der Königlich-Bayrischen Akademie der Bildenden Künste in München, wo er u.a. bei Adolf von Hildebrand lernte. In der bayrischen Landeshauptstadt unterhielt Pörtzel, neben seinem Atelier in Coburg am Ernstplatz 1, eine eigene Werkstätte. In der Vestestadt lebte er allerdings weiterhin, bis zu seinen Tod am 17. Januar 1963. In der Hügelstraße 8 baute er sich ein Künstlerheim, in dem er seine Werke schuf. Mit den Künstlern Coburgs, besonders aber mit denen der Zunft St. Lucas, verband ihn enge Freundschaft. Otto Pörtzel war ein Mitbegründer des Coburger Kunstvereins, Ehrenvorsitzender des Schutzverbandes bildender Künstler, Vorsitzender der Prüfungskommission für das künstlerische Handwerk und viele Jahre Vorsteher der Künstlerzunft St. Lucas.
In dem Hause Pörtzels versammelte sich immer eine außergewöhnliche Gesellschaft. Wenn Besucher kamen, so trafen sie dort in Gips, Stein und Bronze den Kaiser Wilhelm II. in Großadmiralsuniform, Kaiser Haile Selassie von Abessinien, den Zaren Ferdinand von Bulgarien, das Coburger Herzogspaar Carl Eduard und Viktoria Adelheid sowie eine Reihe damals prominenter Persönlichkeiten. Unter der Schar der Schöpfungen Pörtzels befand sich auch die anmutige modellierte Figur der Hofschauspielerin Hilde Knoth vom Coburger Hoftheater. Knoth war zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Liebling des Coburger Theaterpublikums. In Coburg wollten deshalb nach der Einweihung des Ernst-Alexandrinen-Volksbades im Jahre 1907 die Gerüchte nicht verstummen, dass die Schauspielerin dem Bildhauer für die graziöse nackte Gestalt auf dem Giebel des Portikusbaues Modell gestanden habe. Man war eben damals sehr prüde in Coburg. Als Professor Pörtzel an seinem 80. Geburtstag im Jahre 1956 darauf angesprochen wurde, soll er lächelnd geantwortet haben:
Sie war eine bildhübsche junge Frau“. Das Geheimnis aber, nahm Pörtzel mit ins Grab. Der Künstler war zeitlebens ein keramischer Bildhauer, konnte aber auch mit Bronze und Marmor umgehen. Eine Reihe von Krieger- und Grabdenkmälern außerhalb von Coburg, bzw. auf dem Coburger Friedhof am Glockenberg geben davon Kunde. Zahlreiche Plastiken für die keramische Industrie gingen aus seinem Atelier hervor. Sein Ruf war in ganz Europa verbreitet. Auf den Weltausstellungen in St. Louis / USA im Jahre 1904, und Brüssel im Jahre 1910 war er mit Großplastiken vertreten. Die zahlreichen Kinderplastiken sind ihm besonders gut gelungen. Sie vermitteln dem Betrachter Freude. Der Gesichtsausdruck der Kinder entspricht ihrer jeweiligen Tätigkeit. Erinnert sei hier an die ehemalige Rosenschau und an den Aufgang zum alten Union-Theater am Hahnweg, wo Pörtzels Kinderfiguren aufgestellt waren. Bei der Darstellung von Menschen legte der Künstler großen Wert auf eine originale Wiedergabe. Ein Beispiel dafür ist die Büste
der Herzogin Alexandrine, die in der Alfred-Sauerteig-Anlage vor dem ehemaligen Ernst-Alexandrinen-Volksbad steht. Auszeichnungen, Orden und der ihm im Jahre 1913 verliehene Titel Professor blieben nicht aus. Seit 1911 übte Pörtzel seine künstlerische Tätigkeit freiberuflich aus. Die Folgen zweier Weltkriege allerdings, die sein erarbeitetes Vermögen und seine Alterssicherung aufzehrten, zwangen ihn, noch im hohen Alter tätig zu sein. Professor Pörtzel wurde 86 Jahre alt.
Literatur zu finden bei Ernst Eckerlein, Coburger Heimat Band 6, Coburg 1986.
Bildquellen:
Bild 1: Professor Otto Poertzel (Fotosammlung Stadtarchiv Coburg)
Bild 2: Der Brunnen der Gastwirtschaft Fischerei von Otto Pörtzel, heute am Ausstellungspavillon des Kunstvereins am Hofgarten befindlich (Sammlung Christian Boseckert)
Bild 3: "Die Badende" von Otto Pörtzel auf dem Dach des Portikusbaues. (Foto: Historische Gesellschaft Coburg)
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@Christian: sehr guter Beitrag, der auch an schönen Details nicht spart. Perfekt wäre, wenn neben den Bildquellen generell auch noch die schriftlichen Quellen aufgeführt werden würden.
Über die Angabe von schriftlichen Quellen habe ich damals, als ich mit dem Schreiben anfing, mit Patrick gesprochen. Wir sind damals zum Entschluss gekommen, dass wir keine großartig wissenschaftlichen Texte hier herein stellen sondern nur ein wenig an der Oberfläche der jeweiligen Themen kratzen wollen. Ich bin aber gerne bereit bei Nachfragen Literaturhinweise zu geben, die tiefer in das Thema einsteigen bzw. die ich zum Teil auch verwendet habe.
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