Kriegsende in Moenchroeden

#1 von faraway , 27.08.2012 22:41

Fuer die Bewohner des Roedentals kam das Kriegsende am 10.4. 1045. Da ich damals grade mal erst 2-1/2 Jahre alt war, weiss ich das meiste nur von dem was die Erwachsenen erzaehlt haben. Jedoch hab ich 2 recht klare, eigene Bilder im Gedaechtnis, die meine fruehesten Erinnerungen sind.

Wie schon anderswo erwaehnt, war ich damals die meiste Zeit bei meinen Grosseltern in Moenchroeden. Das Zimmergeschaeft A.C. Maar gehoerte meinem Grossvater und lag direkt am Schafhaeuserhuegel und gegenueber der heutigen Gnaileserstr. die in Richtung Oberwohlsbach fuehrt. Aus dieser Richtung naeherten sich die Amerikaner mit ihren Panzern usw. dem Tal, schnurgerade auf unser Haus zu.

Zu diesem Zeitpunkt hatten wir uns alle im sogenannten Maschinenraum der Zimmerei versammelt, da der durch anstossende Gebaeude auf beiden Seiten ziemlich geschuetzt war. Der Raum war nicht uebermaessig gross und ich sehe es heute noch vor Augen: Die grossen Motoren, all meine Familie....ob noch andere Leute, z.B. Arbeiter dabei waren, weiss ich nicht........mein Kinderwagen war dort und ein ziemlich grosses, geflochtenes Weidenkoerbchen voller Eier die Grossmutter aufgehoben hatte.

Folgendes stammt dann aus Erzaehlungen: Als sich die Amerikaner unserem Haus naeherten, schossen sie ploetzlich auf das Haus; warum, das wussten wir nie genau.......moeglicherweise weil einer meiner Grossvaeter ueber den Hof gerannt ist und die das gesehen haben. Der Schuss schlug in die Wohnzimmerwand ein, flog von dort durch Wohn- und Esszimmer und auf der gegenuebeliegen Wand ins Freie. Dabei war an der Einschlagstelle ein Granatsplitter in der Wand stecken geblieben, den die Grosseltern bis in die 70iger dort belassen haben. Ich bin mit dem Ding in der Wand aufgewachsen.


Das naechste Bild in meiner Erinnerung ist dann, dass auf der langen Treppe vom 1. Stock im Wohnhaus zum Hof runter, auf jeder Stufe ein GI sass, natuerlich in Stahlhelm u. Uniform, und die Ruehreier isst, die Grossmutter von unserem Vorrat fuer sie kochen musste. Dabei waren doch Eier damals beinahe nicht mit Gold aufzuwiegen!

Alles andere stammt dann wieder aus Erzaehlungen: dass sie die Telefonleitung durchschnitten haben, dann im Haus in der Diele sassen und mit Mutti und anderen geredet haben und sich dann langsam verzogen haben. Etwas Anderes ist mir allerdings noch verblieben, u.z. wie dann zu spaeterer Zeit die Agfa Kamera, die in Grossmutters Garten vergraben war, wieder ausgegraben wurde. Sie hatte etwas durch Feuchtigkeit gelitten, hat aber noch funktioniert. Ich hatte diese dann noch mehrere Jahre und hab damit geknipst.

Uebrigens kann man den beschriebenen Granatsplitter heute im Heimatverein Roedental finden. Ich habe ihn an den Verein geschenkt, nachdem Grossmutter ihn mir nach vielem Bitten geschickt hatte. Dieses Stueck Metall hat also den Atlantik insgesamt 3 Mal ueberquert!


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RE: Kriegsende in Moenchroeden

#2 von faraway , 28.08.2012 21:12

Dieses Foto zeigt das damalige Alexandrinental und die noch stehenden Kastanienbaeume am Schafhaeuserhuegel (Bildmitte rechts). Die Haeusergruppe links dieser Baeume ist das Anwesen A.C. Maar.......mit dem einen Schlot. Man sieht da auch sehr gut die damalige "Kirschenalle".........heute Gnaileserstr..........die nach rechts von den Baeumen her kommt. Bildmitte oben zeigt das "Annawerk", das heute noch besteht, wenn auch unter anderem Namen.

Dazu noch ein Zitat aus einer Coburger Tageszeitung am 8.4.2006 (ich weiss allerdings nicht ob Neue Presse oder Tageblatt):

Augenzeugenberichte aus diesen dramatischen Tagen schildern den Einmarsch, aber auch die letzten Kampfhandlungen: (...)"Als die Amis an die Itz kamen, haben sie sich erst einmal ausgezogen und sind nackt ins Wasser gesprungen", erzaehlt Gerhard Pohl, der damals 13 Jahre alt war. "Sie bekamen dann neue Unterwaesche und Leute aus dem Ort haben sich die abgelegten Sachen schnell geholt, denn es gab ja nichts".

(...)"Kurz bevor die Amerikaner kamen, war hier im Ort, im Abthaus, das "Standericht Helm" untergebracht. Diese Herren suchten nach Soldaten, die sich ihrer Truppe enfernt hatten...Im schlimmsten Fall wurden diese verurteilt und zur Abschreckung an einem Strassenbaum erhaengt". (...) Die Bomber waren ihre Bomben, die in den Bombenschaechten haengen geblieben waren, unkontrolliert ab. Eine solche schlug zwischen Rothehof und Kipfendorf ein und hinterliess ein grosses Loch. Ebenso waren Tiefflieger im Einsatz und beschossen alles, was sich bewegte. So auch einen Gueterzug, der von Coburg nach Sonneberg fuhr. In diesem Zug lag eine Frau, die im Krankenhaus in Coburg entlassen worden war. Sie wurde von den Kugeln der Tiefflieger toedlich getroffen."
Probleme gab es bei der Kapitulation von Moenchroeden. Der Buergermeister wollte keine weissen Fahnen hissen und trug bei den Verhandlungen sein goldenes NS-Parteiabzeichen. Man riss es ihm ab und der Ort ergab sich.


Angelika




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Angefügte Bilder:
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zuletzt bearbeitet 28.08.2012 | Top

RE: Kriegsende in Moenchroeden

#3 von Stammbus , 30.08.2012 11:02

Zitat von faraway im Beitrag #2
Bildmitte oben zeigt das "Annawerk", das heute noch besteht, wenn auch unter anderem Namen.




Und mit völlig anderen Produkten als damals und noch Anfang der 70er Jahre, als ich dort meinen Industriekaufmann "gebaut" habe.

Zufällig habe ich neulich bei einer Tagung jemanden getroffen, der dort Anfang der 90er Jahre Geschäftsführer war, im Oktober treffe ich ihn wieder. Nur wenige Unternehmen haben sich so grundlegend gewandelt wie das Annawerk.

 
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