Vorab:
Nachfolgende Texte habe ich aus dem Geheft "Das Ende des Zweiten Weltkrieges im Rodacher Winkel des Landkreises Coburg" entnommen. Verfasst wurde es von Dr. Albin Schubert mit dem Gedanken "die Kriegsereignisse um den 10. April 1945 im Rodacher Raum nach 25 Jahren der Vergessenheit zu entreisen, dem Heimatgedanken zu dienen und einer heranwachsenden Generation das Bewußtsein an eine geschichtsträchtige Zeit nahezubringen."
Da ich weder eine ISBN-Nummer, noch ein Copyright-Zeichen oder ähnliche Anhaltspunkte entdecken kann und ich der Meinung bin, dass der oben zitierte Wunsch des Verfassers hier entsprochen wird, erlaube ich mir, mit Verweis auf dieses Geheft, daraus zu zitieren. Ich glaube auch nicht, dass es dieses Geheft jemals zu Kaufen gab - es handelt sich eher um eine privat erstellte Zusammenfassung der Ereignisse im Rodacher Raum. Es befindet sich lediglich in meinem Besitz, da mein Großvater seinerzeit Bürgermeister von Ahlstadt war und mir deshalb dies von Dr. Albin Schubert persönlich signiertes Exemplar vorliegt bzw. meinem Großvater vorlag. Sollte es dennoch Einwände geben (Christian?), dann wäre ich selbstverständlich bereit, den Text wieder zu entfernen - wäre aber wirklich schade, da es dieses Geheft nirgends zu kaufen gibt und es somit umsonst in Vergessenheit geraten würde. Ich glaube nicht, dass hier irgendwelche Rechte verletzt werden.
Erscheinungsjahr war übrigends 1970
Weil es in einem anderen Thread bereits erwähnt wurde, beginne ich mit dem Ort Lempertshausen, nordwestlich von Rodach gelegen.
Zitat
Lempertshausen:
Der Bürgermeister Hermann Morgenroth autorisiert zu folgenden Bericht:
Das Völkerringen nähert sich seinem Ende. Der Feind ist bereits in Hildburghausen am 7. April eingedrungen. Tiefflieger beschießen mit Bordwaffen alles Bewegliche. Am Sonntag, 8. April beschießt die Artillerie die Hauptstraße Adelhausen - Eishausen. Hinter Rodach nach Adelhausen zu werden 70cm starke Lindenbäume gesprengt und als Panzersperren verwendet. Aufklärer beobachten diesen Vorgang.
Am 9. April wird der Angriff erwartet. Lebensnotwendige Güter werden in Kisten und Kasten verpackt, teilweise sogar vergraben.
Am 10. April ist der Himmel hell und klar. Ein Aufklärer kreist dauernd über dem Ort. Im Dorf liegen 11 Soldaten der Waffen-SS, die vom Rodacher Kampfkommandanten zur Verteidigung abgestellt sind. Sie beziehen Stellung am Hopfenberg und sind nicht zu überreden, den Ort zu verlassen. Alle Einwohner bringen sich in Kellern in Sicherheit. Da taucht im Nordwesten des Hopfenberges der erste feindliche Panzer auf. Spähwagen halten sich in seiner Nähe. Ein SS-Freiwilliger aus Weißrußland eröffnet das Feuer und gibt damit das Zeichen für den Angriff. Lemmpertshausen wird unter Feuer genommen. Ein unaufhörliches Brummen von Flugzeugmotoren, schwere Artillerieschläge! Schließlich ist nur noch ein einziges Pfeifen, Heulen und Dröhnen. Es können zwei Stunden vergangen sein. Plötzlich fällt kein Schuss mehr. Ein Aufatmen! Vorsichtig gehen nur wenige aus ihren Verstecken, bringen weiße Tuecher an oder nutzen die Gelegenheit und gehen außerhalb des Dorfes sogar in den Wald. Nach 10 Minuten beginnt aber das Schießen von neuem. Diesmal sind es Brandgranaten. Schon ist es, als falle Aschenregen auf die Dächer. Die Angst schaut aus den Augen, Kinder weinen. Auf einmal lässt das Schießen nach. Pferde springen im Galopp, wiehernd vor Angst, die Dorfstraße hinab, das Vieh brüllt das Entsetzen. Nach und nach trauen sich die Menschen aus ihren Verstecken, aber zunächst kann keiner dem anderen helfen.
An acht verschiedenen Stellen brennt es. Infolge der Trockenheit rast das Feuer von einem Gehöft zum anderen. Viel Vieh ist noch in den Ställen und wartet mit einem mark- und beinerschütterndem Gebrüll darauf, dass es losgebunden wird. Männer und Frauen tun ihr Bestes und bekämpfen das Feuer. Zum Unglück zerfahren die einrückenden feindlichen Truppen mit ihren Panzern und Geschützen die Schlauchleitungen der Feuerwehr.
Die Glocke auf dem 1737 erbauten Gemeindehaus setzt sich durch die Hitze von selbst in Bewegung zu ihrem eigenen Totengeläut. Dann fällt das Haus in sich zusammen.
Dem Feuer fielen zum Opfer 13 Wohnhäuser und 17 Scheunen. Total brannten die Häuser folgender Besitzer ab:
Berthold Stölzel Nr 25
Felix Pfeuffer Nr 26
Viktor Wirsing Nr 27
Ludwig Büttner Nr 28
Hermann Morgenroth Nr 22
Ernst Morgenroth Nr 23
Paul Stampf Nr 24
Erwin Gatzer Nr 6
Ottomar Schwanert Nr 17
Gemeindehaus Nr 19
Alfred Fischer Nr 15
Hilda Stedler Nr 12
Werner Meyer Nr 30
Nebengebäude Bernhard Karnitschky Nr 31
Herbert Thiem Nr 16
Alma Gatzer Nr 5
Es kamen ums Leben: Ludwig Büttner, 50 Jahre, Besitzer des Hauses Nr 25
Bruno Morgenroth, 15 Jahre aus dem Hause Nr 23
zwei Soldaten, unter den Toten war der Schütze, der das Unglück ausgelöst hatte.
Diese vier Menschen glaubten sich in dem Keller unter der Scheune in Sicherheit, die zum Haus Nr 28 gehörte. Als die Scheune von dem Feuer erfasst wurde, kamen sie nicht mehr heraus.
Zwei weitere Soldaten wurden am Wasserbehälter vor Heldritt erschossen. Beide waren an der Verteidigung von Lempertshausen beteiligt. Der fünfte Soldat wurde verwundet, drei andere wurden in Lempertshausen gefangen genommen.
Ein 15 jähriger Junge aus Massenhausen kam auf dem Heimweg auf der Höhe des Kirchsteigs durch Bordwaffenbeschuss eines Tieffliegers ums Leben.
An Tieren kamen um: 54 Rinder, 2 Pferde, 36 Schweine, 19 Schafe und 11 Ziegen.
Noch lange fehlten 4 Pferde und anderes Vieh. Diese 4 Pferde wurden wieder beigebracht, das letzte aus Veilsdorf. Noch nach Tagen fand man verendetes Vieh auf den Feldern.
In Lempertshausen waren 64 Flüchtlinge untergebracht, nämliche 6 Kroaten, 20 Ausgebombte aus Hamburg, 32 aus dem Osten und 6 aus Windsberg bei Pirmasens. Diese Menschen mussten in Nachbardörfer verlegt werden, weil Wohntraum fehlte.
Am 8. Mai detonierte ein Blindgänger. Der 12 jährige Helmut Lutz aus Heldritt, gebürtig aus Lempertshausen, musste sein junges Leben lassen. Außerdem gab es noch einen Schwer- und einen Leichtverletzten. An der Unglücksstelle am Verbindungsweg von Lempertshausen nach Heldritt in der Nähe des Steinbruches steht heute zur Erinnerung eine Weißtanne.
Sehr interessant wie ich finde. Solche Texte müssen unbedingt für die Nachwelt festgehalten werden. Ähnliche Beschreibungen hab ich für fast jeden Ort im Rodacher Raum.