habe ich mittlerweile ein paar Infos zusammentragen können. Hier mal in Kurzform:
Durch den Neubau der A73 im Zuge des Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 16 zur infrastrukturellen Vernetzung der alten und neuen Bundesländer sollte u.a. Coburg ans Autobahnnetz angeschlossen werden. Hierfür gab es verschiedene Trassenvarianten - in Frage kam z.B. eine westliche Trasse um Coburg herum sowie eine östliche Trassenführung, wie sie dann schließlich auch umgesetzt wurde. Dadurch wurde ein bisher nur landwirtschaftlich genutztes Areal im Coburger Norden, die "Lauterer Höhe", wirtschaftlich betrachtet zu einem "Filetstück", da es direkt an die neue A73 und auch an die Verlängerung des sog. "Nordrings", der vierstreifig ausgebauten B4 (Stadtautobahn) im Norden Coburgs, grenzen würde. Am 24.9.98 beschloss deshalb der Stadtrat (35 zu 1 Stimmen), dass die Lauterer Höhe zu einem Handel- und Dienstleistungszentrum ausgebaut werden soll. Man entschied sich, die Lauterer Höhe mehreren Projektentwicklern anzubieten - diese sollten hierzu dann Nutzungskonzepte entwerfen. 2/3 der Fläche sollten für den Einzelhandel und Dienstleistungen, 1/3 als Gewerbegebiet zur Verfügung stehen. Insgesamt ging es um 25 ha (wobei man hier unterschiedliche Angaben finden kann). 13 Projektentwickler hatten sich beteiligt, am 25.3.1999 wurden dann im Stadtrat beschlossen, 4 Konzepte weiter zu verfolgen, und zwar von Procom, Metro, OMG und Globus. Es folgten dann für diese zweite Runde ein paar weitere Vorgaben, u.a. sollten folgende Nutzungen ausgeschlossen werden:
Zusätzlich bestellte man Gutachter, die die bearbeiteten Entwürfe bewerten sollten. Gutachter Prof. Maier war einer davon, und er schlug zudem vor, die Lauterer Höhe mit der Innenstadt zu verknüpfen über
-eine Verkürzung der ÖPNV-Taktzeiten -Shuttle-Bus über die B4 -zusätzliche schienengeführte (!!!) Verknüpfungsmöglichkeiten -Radwege
Die überarbeiteten Projektentwürfe sahen folgendermaßen aus:
Procom: -SB-Warenhaus, 12000m², LIDL&Schwarz (ich vermute, damit war wohl Kaufland gemeint) -Elektromarkt, 4000m² -Baumarkt, 12000m², OBI/AVA -Gartencenter, 4000m² -Sportartikelfachmarkt, 5000m² + 5000m² Außenfläche, Decathlon -Texil/Bekleidung, 800m², Vögele/Adler -Einrichtungshaus, 500m², -Teppichfachmarkt, 2000m² -Fachmarkt für Heimtextilien und Bäderbedarf und Küchenstudio, 2000m², Dänisches Bettenlager -Info- und Dienstleistungszone, 2000m² -Gastro im Eingangsbereich des SB-Warenhauses und Medienfachmarkts, 500m² -Euro-Eddy-Family-Funpark, 1500m², Euro Eddy -2580 Stellplätze
Metro: -Babdy-Fachmarkt, 1800m² -Elektromarkt, 2500m² -SB-Warenhaus, 8000m², real (der real in Dörfles wäre dann wohl unter einer anderen Metro-Marke weiterbetrieben worden!) -Fun-Markt Sport+Spiel, 2200m² -Baumarkt mit Gartecenter, 9000m² -Fachmarkt Wohnen/Deko, 1600m² -Court, 800m² -Passage/Verkehrsfläche -Shops, 4500m² (was auch immer damit konkret gemeint war) -evtl. Hotel -3000 Stellplätze
Unkonkreter wird es dann beim nächsten Punkt, nämlich
2. Freizeit
Globus: Kleine Lösung: -Children-Edutainment-Center -Disko -Bowling/Funsportcenter -Fitness-Wellness-Center -Gastro
Große Lösung: -wie kleine Lösung + Familien- und Freizeitpark
Procom: Kleine Lösung: -Disco -Bowlingbahn/Eisstockschießen -Fitnesscenter -Euro-Eddy-Family-Funcenter -Lauterer Park mit Aktivitäten (Labyrinth, Öko-Lehrpfad, Areal mit Feldern für Beachvolleyball/Badminton/Basketball, Abenteuerspielsplatz, Sommerrodelbahn, See mit Kanu-/Kajakverleih etc.)
Große Lösung: -wie kleine Lösung + Multifunktionshalle und Eisstadion
Metro: Kleine Lösung: -Spielpark (nach Muster des Ravensburger Spielelandes bei Tettnang) -Markenpark (Nahebringen von Produkten, Herstellungsprozessen, Firmengeschichten etc.
Große Lösung: -Grünes Forum -Bühne -Funsportanlagen -Freizeitarena -Fürstenbad (Spaßbad)
Verschiedene Gutachter verglichen diese Konzepte: Prof. Kurzak und das Straßenbauamt Kronach bewerteten die Verkehrsplanung - hierbei schnitt der Procom-Vorschlag am besten ab, zu den beiden anderen Entwürfen gab es eigentlich nur negative Kritikpunkte. Professor Falk bewertete den Einzelhandelsentwurf. Hier finden sich in allen 3 Konzepten Negativpunkte - bei Procom z.B., dass das zugeparkte Atrium (siehe Bild Nr. 2 unten - hier dürfte es sich wohl um die grauschwarze Fläche zwischen den Gebäuden handeln?) eine schlechte städtebauliche Sicht ergäbe, die zusätzlichen unterirdischen Parkflächen unattraktiv seien etc. Bei Metro wurde das Fachmarktzentrum als "attraktiv" bezeichnet, im Globus-Konzept hingegen fanden sich viele widersprüchliche Angaben insbesondere zu den Einzelhandelsflächen. Schließlich erfolgte noch die Beurteilung der Freizeitplanung durch Dr. Gspan. Er bemängelte bei allen Freizeitkonzepten fehlende Bedarfsanalysen; daneben seien einige Punkte in den Konzepten zu optistisch dargestellt, nicht wirtschaftlich und wären demnach Zuschussgeschäfte (für die Stadt Coburg), z.B. die Multifunktions-Arena. Als Prognose für die Kostendeckung dieser Arena wurden 50 bis 80% veranschlagt. Dr. Gawin (wohl auch ein Gutachter?) hielt dazu fest, dass bei allen 3 Entwürfen die Freizeitkonzepte nicht ausreichend nachvollziehbar seien - man empfahl deshalb, die Entscheidungen bzgl. der Freizeit- und Einzelhandelskonzepte zu trennen!
Favorisiert wurde von der Stadt am Ende wohl der Procom-Vorschlag. Um diesen dürfte es sich wohl auch bei den Bildern handeln, die ich auf gloeckner.de gefunden habe:
Am 9.4.2000 erfolgte dann ein Bürgerentscheid - oder, präziser, gleich 2 Bürgerentscheide:
1. Bürgerentscheid Nummer 1 (Ratsbegehren) FÜR die Lauterer Höhe (unterstützt von der Initiative "Pro Coburg"):
"Coburg - doppelt aktiv, doppelt attraktiv. Deshalb: Ja zur Lauterer Höhe und Innenstadt. Sind Sie für ein doppelt attraktives Coburg, das mit einer weiterentwickelten Innenstadt sowie mit zusätzlichen Freizeit-, Einkaufs- und Gewerbeflächen auf der Lauterer Höhe mehr Menschen aus einem größeren Umkreis anzieht, Kaufkraft in der Stadt bindet und damit mehr Arbeitsplätze schafft?"
2. Bürgerentscheid Nummer 2(Bürgerbegehren) GEGEN die Lauterer Höhe ("Attraktive Innenstadt")
"Attraktive Innenstadt. Sind Sie dafür, daß die Schaffung neuer Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten auf bereits erschlossenen und zentrumsnahen Flächen erfolgt und nicht auf der Lauterer Höhe, damit die Attraktivität der Innenstadt gesteigert und unnötiger Landschaftsverbrauch vermeiden wird?"
Am Abstimmungstag wurden BEIDE Bürgerentscheide mehrheitlich angenommen - Entscheid 1 mit 52.32%, Entscheid 2 mit 56.38% der Stimmen. Deshalb entschied dann eine
Stichfrage: "Wenn beide Bürgerentscheide angenommen werden: Welche Entscheidung soll dann gelten? Bürgerentscheid 1 (Ratsbegehren) Bürgerentscheid 2 (Bürgerbegehren)"
In der Stichfrage siegte dann Bürgerentscheid 2 mit lediglich 27 (!) Stimmen Vorsprung, nämlich 7013 zu 6986. Damit wurden die Bebauungspläne abgelehnt.
Wie sich in der Zukunft zeigte, ging diese Kampagne einiger Innenstadthändler aber nach hinten los. Media Markt, Adler, Dehner, ToyFactory und Co. kamen trotzdem, aber eben nicht nach Coburg, sondern in die Nachbarstadt Rödental. Dadurch schnitt man sich ins eigene Fleisch, denn nun floss sogar noch Kaufkraft aus der Stadt ab und Gewerbesteuereinnahmen durch die Lauterer Höhe hatte man auch nicht - die bekam nun Rödental. Man erreichte somit das Gegenteil von dem, was man dem Bürger glauben machen wollte. Auch die angekündigten "neuen Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten auf bereits erschlossenen und zentrumsnahen Flächen", wie es von der Bürgeriniative versprochen wurde, wurden nie umgesetzt. Vielmehr blieb in der Innenstadt alles beim Alten. Ein angedachtes innenstadtnahes Einkaufszentrum auf dem alten Postgelände (Shopping-Mall) durch die ECE konnte nicht realisiert werden, da die Hauptpost von Investoren weggekauft wurde, von denen mindestens einer wohl zeitgleich Immobilien in der Kernstadt besaß/bestitzt. Böse Zungen behaupteten, dadurch wollte man verhindern, dass die Mieteinnahmen in der Kernstadt sinken, wenn ein Einkaufszentrum gebaut würde. (Kleiner Exkurs: Pikant hierbei: Diese Person (Postgebäude-Aufkäufer) war wohl auch vehement gegen die Lauterer Höhe. Die Argumente der Bürgerinitiative waren ja immer, sie wollten lieber die Innenstadt beleben statt die Lauterer Höhe. Durch das Post-Center hätte sich genau diese Möglichkeit ergeben. Warum also kauft dann jemand, der angeblich für die Innenstadtbelebung ist, schnell eine Immobilie in der Innenstadt auf und verhindert somit im Endeffekt den Bau eines Einkaufszentrums auf diesem Gelände? Meine Vermutung: Es ging den Lauterer-Höhe-Gegnern nur um den Status Quo, d.h. Vermeidung jeglicher Konkurrenz (aus Angst vor Umsatzeinbußen und Mieteinbußen). Die Ankündigungen, die Innenstadt beleben zu wollen, waren somit wohl nichts als heiße Luft, damit man die Wähler ködern konnte, so dass diese gegen Lauterer Höhe stimmten).
Das Ende vom Lied war nun
-Lauterer Höhe blieb unbebaut -Viele Fachmärkte kamen trotzdem, aber in die Nachbarstadt Rödental -Coburg entging Gewerbesteuer -Kaufkraft wurde nach Rödental abgezogen -die Innenstadt wurde nicht attraktiver, hier blieb alles beim Alten -weiter entfernte Städte wie Erfurt, Bamberg, oder Schweinfurt konnten den Vorsprung zu Coburg massiv ausbauen, was bis heute einen noch stärkeren Kaufkraftabfluss aus Coburg bewirkte
Die Bürger bekamen somit am Ende das komplette Gegenteil von dem, wofür sie abzustimmen glaubten. Für die neuen Einkaufsmöglichkeiten musste man sogar nun noch in die Nachbarstädte fahren statt in die Coburger Innenstadt.
In den 13 Jahren nach dieser vertanen Chance tat sich aber dann doch einiges auf der Lauterer Höhe. Wenige Jahre nach dem Bürgerentscheid gab es erneut (und stark abgemagerte) Planungen, die dann schließlich auch umgesetzt wurden. Den Anfang machte eine Tankstelle und eine Burger King Filiale sowie ein Autohaus. Daraufhin folgten eine OBI-Filiale, ein E-Center, ein Aldi, eine Rossmann-Drogerie, ein Getränkemarkt, KFZ-Serviceeinrichtungen, ein Fressnapf und ein Dänisches Bettenlager. Bemerkenswert hierbei ist, dass dies in weiten Zügen den früheren Einzelhandels-Konzepten der 3 Projektentwickler entspricht, auch wenn es sich bei den meisten Niederlassungen nur um Standort-Verlagerungen handelt, entweder innerhalb Coburgs (Fressnapf) oder von den Nachbarkommunen nach Coburg (z.B. OBI aus Rödental, Dänisches Bettenlager und Aldi aus Dörfles)... Hätte man damals gleich bauen können, inklusive kleinen Freizeitangeboten, dem See und der Arena, wäre sicherlich ein ansehnlicheres Gebiet entstanden als das, was heute auf der Lauterer Höhe in mehreren Bauabschnitten verwirklicht wurde. Damit sieht es nun aus wie in jedem 0815-Gewerbegebiet. Außerdem gab es in den 2000ern dann auch wieder einen neuen Anlauf für eine Arena auf der Lauterer Höhe. In einem Bürgerentscheid im Jahr 2007 entschieden sich die Bürger aber für den Schützenanger als Standort ("Neues Innenstadtkonzept"). Eine Halle bekam die Lauterer Höhe trotzdem, nämlich als "Ballsporthalle" (HUK-Coburg-Arena) für rund 3000 Besucher, was von vielen Bürgern als geschickte Umgehung des Bürgerentscheids 2007 angesehen wird. Für den Bau einer richtigen Multifunktionshalle/Arena ist mittlerweile nun kein Geld mehr im Stadtsäckel, die Planungen für dieses Projekt - auch bekannt als "Coburgs Neuer Süden" - liegen derzeit auf Eis. Auch bleibt fraglich, ob es überhaupt Sinn machen würde, nun neben der bereits vorhandenen Ballsporthalle noch eine zweite Großhalle für Konzerte/Veranstaltungen zu bauen.
Nichsdestrotrotz bleibt die Entwicklung auf der Lauterer Höhe nicht stehen. Weitere Ansiedelungen sind in Planung, unter anderem ein BMW-/Mini-Zentrum, das seinen bisherigen Standort verlegen möchte. Auch ein Elektro-Markt ist wieder im Gespräch. Man darf gespannt sein, ob es sich hierbei eventuell um die Umsiedelung des Media Markts in Rödental handelt).
Ich hoffe, es war ein bissel informativ, auch wenn die manche Leser hier vielleicht nicht ganz so junge Stadtgeschichte bevorzugen. Wer noch weitere Infos zu den (ehemaligen) Projekten auf der Lauterer Höhe hat, darf sie gerne hinzufügen.
PS: Erklärungen, wie man einen OBI oder ein Gartencenter im Innenstadtbereich hätte ansiedeln sollen, gab es von der Bürgerinitiative gegen die Lauterer Höhe übrigens nie.
PPS: Quellen: Hauptsächlich ein Argumentationspapier einer Coburger Stadtratsfraktion, daneben noch alte Flyer etc. Zur Postgebäude-Sache: Rede des OB Kastner vom Januar 2002. Bilder: http://gloeckner.de/flash_deutsch/01_spo...tten/01_coburg/