Die Brauerei Sturm (Beitrag vom 26.09.2009)

#1 von Christian , 25.09.2009 13:27

Die Ketschengasse sah in ihrer langen Geschichte viele Geschäfte, die hoffnungsvoll gegründet und später wieder aufgegeben wurden. Das gleiche galt für die dort ansässigen Gastwirtschaften. Allein in der oberen Ketschengasse, von Markt bis zum Albertsplatz, gab es einst acht Speise- oder Bierwirtschaften. Die Bierlokale waren allerdings nicht über das ganze Jahr geöffnet, sondern sie konnten nur dann besucht werden, wenn Bier im Haus zum Verkauf vorhanden war. Gebraut wurde der Gerstensaft von den Hausbesitzern, wenn sie eine Brau- und Schankgerechtigkeit aufweisen konnten.

Die frühere Coburger Brauerei Sturm ist aus einer solchen Bierstube in der Ketschengasse entstanden. Der Firmengründer Anton Sturm, wurde im Jahre 1809 in Coburg im Hause Obere Salvatorgasse Nr. 4 geboren und heiratete 1833 Johanna Christiane Friederike Obenauf, deren Vater ein angesehener Bürger und Seilermeister in der Ketschengasse (Haus Nr. 15) war. Dieses Gebäude besaß damals eine solche Brau- und Schankgerechtigkeit. Um das Brauen und den Betrieb der Schenke kümmerte sich nach seiner Heirat ausschließlich der junge Ehemann Anton Sturm, welcher hauptberuflich das Handwerk eines Webers ausübte. Damals wurde in einem der städtischen Brauhäuser die Würze für das Bier gebraut, die dann in Holzbutten in die Keller der einzelnen Bierlokale getragen wurde. Dort setzten die Hausbrauer Hefe der Bierwürze zu, was zu einer Vergärung führte. Nach vollendeter Reife entstand daraus ein schmackhaftes Bier. Ein solches braute auch Anton Sturm. Die Einheimischen konnten es in seiner Bierwirtschaft in der Ketschengasse und ab 1840 auch im Sommer, im sogenannten „Sturmsgarten“ zwischen der heutigen Alexandrinenstraße und der Hohen Straße trinken. Der Garten besaß auch einige Keller, wo Sturm sein Bier gut lagern konnte. Nachdem auch viele Wirte Interesse am Sturmsbier zeigten, wurde im Jahre 1873 nach viele Schwierigkeiten die heute noch bestehende Brauerei-Anlage an der Callenberger Straße gebaut. Sturms Plan, die Brauerei am Glockenberg, anstelle seines Kellerbiergartens zu errichten, scheiterte an den Einsprüchen der Nachbarn und der herzoglichen Regierung. Wenige Monate nach der erfolgreichen Aufnahme der Bierproduktion im neuen Gebäude am Bärenhölzchen, starb Anton Sturm am 3. Januar 1874 im Alter von 64 Jahren an Herzversagen.

Seine drei Söhne Georg, Samuel und Gotthold übernahmen fortan die Geschäftsführung und den Betrieb von Gaststätte und Gartenlokal. 1891 wurde die Kellergartenwirtschaft verkauft, um aus dem Erlös für die Brauerei neueste Technik anschaffen zu können. Die Lokalität in Ketschengasse bestand bis in die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts fort und wurde von den beiden unverheirateten Töchtern Anton Sturms, Emma und Wilhelmine, weitergeführt. Der Volksmund gab der beliebten Gastwirtschaft fortan an den Spitznamen „Sturms Tanten“. Die Brauerei indes entwickelte sich erfolgreich weiter. Um 1910 konnte bereits eine jährliche Bierproduktion von 25.000 Hektolitern erreicht werden. Die Absatzgebiete lagen vor allem im Thüringer Raum. 1908 übernahm Anton Sturm jun. die Brauerei. Als er zu Anfang des Ersten Weltkrieges an der Westfront fiel, ging die Brauerei an eine Erbengemeinschaft. Geschäftsführer wurde sodann der Kommerzienrat Julius Schiller, der seit 1897 in der Brauerei arbeitete und mit einer geborenen Sturm verehelicht war. 1923 wandelte er das Unternehmen von einer als OHG geführten Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft als AG um. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gelang es Schiller, das Unternehmen erfolgreich durch die schwierige wirtschaftliche Situation der 1920er Jahre zu führen. Der Krieg und die nachfolgende Teilung Deutschlands brachten der Brauerei wirtschaftliche Nachteile. So verlor man durch die Grenzziehung ca. 75 % seiner Kunden. Doch gelang es dem neuen Brauereichef Walter Steinhäuser, der zuvor als Buchhalter in dem Betrieb gearbeitet hatte, diese Schwierigkeiten zu überwinden. Notwendige Investitionen wurden durch die Aufstockung von Kapital finanziert und als Folge daraus mit dem Coburger Kaufmann Carl Puff einen neuen Großaktionär in die Aktiengesellschaft aufzunehmen. 1975 trat mit Friedrich Puff der letzte Brauerei-Vorstand sein Amt an. Unter seiner Führung entwickelte sich die Brauerei zu einem mittelständischen Unternehmen mit rund 50 Mitarbeiten und einem jährlich Bierausstoß von 45.000 Hektolitern.

Das Ende der Selbstständigkeit erfolgte 2001 mit dem Tode Friedrich Puffs, welcher im August 2001 im Alter von 58 Jahren seinen Tod in einem Gärbottich fand. Bereits am 1. November 2001 wurde die Firma an die Kulmbacher Brauerei verkauft. Der Name Sturm ist allerdings noch heute allgegenwärtig in Coburg. Sei es der Sturmsbrunnen in der Ketschengasse oder die Sturmstreppe am Glockenberg – beides erinnert an dieses große Coburger Unternehmen.

Bildnachweise:
Bild 1: Die Sturm´sche Bierwirtschaft in der Ketschengasse 15, mit dem Sturmsbrunnen im Vordergrund (Zeichnung: Emil Maurer)
Bild 2: Die Brauereigebäude in der Callenberger Straße (Quelle: ehemaliges Firmenarchiv Sturmsbrauerei)
Bild 3 und 4: Werbung der Brauerei Sturm (Sammlung Christian Boseckert)

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 Sturmsbrauerei.jpg   Sturmsbrunnen.jpg   Werbung Brauerei Sturms Callenberger Straße 37 II.jpg   Werbung Brauerei Sturms Callenberger Straße 37.jpg 
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RE: Die Brauerei Sturm (Beitrag vom 26.09.2009)

#2 von auswanderer01 , 14.10.2009 12:57

Hallo Christian,
ich habe im Archiv der Brauerei gelesen, das Anton Sturm hauptberuflich Gerber war. Anton Sturms Plan war es, die Brauerei in der Allee zu errichten, da an dieser Stelle die damalige Kegelbahn mit Biergarten von Anton Surm in Betrieb war. Dies scheiterte jedoch am Einspruch der Herzoglichen Regierung mit der Begruendigung, das man keine groessere Brauerei in der Innenstadt haben wollte.

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RE: Die Brauerei Sturm (Beitrag vom 26.09.2009)

#3 von Christian , 14.10.2009 14:32

Hallo,
die aktuelle Literatur (Wolfgang Vatke - Coburger Brauereien von 2008) geht davon aus, das Sturm Weber war. Auch im Einwohnerverzeichnis von 1860 ist als Beruf Weber angegeben. Dies scheint mir logisch. Als Gerber hätte er ein Anwesen mit Wasserzugang benötigt. Dieses hatte sowohl sein Elternhaus Obere Salvatorgasse 4, noch sein Haus in der Ketschengasse, aber nicht. Wenn man so betrachtet, wo sich die Gerber angesiedelt haben, wird dies am klarsten. Gerber finden sich in der Judengasse, Steinweg, Schenkgasse und Gerbergasse. Alle diese Handwerksmeister hatten einen Zugang zum Hahnfluss. Desweiteren galt der Gerberberuf als "unehrlich". Das heißt nicht, dass man öfters bei Gerbern übers Ohr gehauen wurde, sondern man würde diesen Begriff heute mit "schmutzig" vergleichen können. Der Gerberberuf war ein schmutziger Beruf. Auch entwickelte sich bei der Bearbeitung der Tierfelle ein gewisser Gestank, wodurch dieser Beruf in die Vorstädte verbannt wurde.

In der Allee gab es seinerzeit keinen Biergarten von Anton Sturm. Einzig größerer Biergarten dort, war der Fischersgarten auf dem Gelände des heutigen katholischen Gemeindezentrums. Auf einem Stadtplan von 1866 ist auch der Sturmsgarten mit Namen am Glockenberg zu finden. Den Standort des Biergartens habe ich hier an anderer Stelle markiert. Auf dem unten stehenden Link ist er noch mal zu sehen.

https://files.homepagemodules.de/b215451/...1p7250743n1.jpg

Gruß
Christian

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RE: Die Brauerei Sturm (Beitrag vom 26.09.2009)

#4 von Christian , 14.10.2009 22:07

Norbert, diese Biergärten waren zum Teil richtig groß. Der Frommannsgarten an der Festungsstraße zum Beispiel grenzte im Westen an die heutige Bergstraße, im Osten ging er bis ans Gelände der ehemaligen Gärtnerei Bauer und im Süden an der Festungsstraße entlang. Nach Norden hin endete das Grundstück im Bereich der Einmündung der Unteren Klinge in die Bergstraße (zweite Kurve von der Veste kommend).

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RE: Die Brauerei Sturm (Beitrag vom 26.09.2009)

#5 von cni , 17.10.2012 23:21

Hallo,

hat jemand zufällig einen alten Lage- oder Belegungsplan der Gebäude der Brauerei Sturm, bzw. weiss, was sich genau in welchem Gebäude befunden hat?


Danke

Gruß
Christian

 
cni
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RE: Die Brauerei Sturm (Beitrag vom 26.09.2009)

#6 von Christian , 22.10.2012 21:47

Hallo cni,

sowas findest du höchstens in einer Festschrift der Sturmsbrauerei. Eine solche ist 1983 letztmalig erschienen und dürfte in der Coburger Landesbibliothek zu finden sein. Eine weitere Empfehlung wäre das Buch von Wolfgang Vatke über die Coburger Brauereien aus dem Jahre 2008.

Gruß
Christian

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RE: Die Brauerei Sturm (Beitrag vom 26.09.2009)

#7 von cni , 22.10.2012 22:34

Hallo,

ich war die Tage mal vor Ort und habe ein paar Bilder gemacht:
g81-Brauerei-Anton-Sturm-s.html


Danke

Gruß
Christian

 
cni
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RE: Die Brauerei Sturm (Beitrag vom 26.09.2009)

#8 von cni , 05.11.2012 21:38

Hallo,

ich hatte heute einen Termin im Coburger Stadt-Archiv und habe mir mal die Baupläne angeschaut, hier ein kleiner Lageplan der Gebäude:

Lageplan_Brauerei_Anton_Strum_1947_Nummeriert

Quelle: Stadtarchiv Coburg (Bestand A - Nr. 13420I - Blatt 67)

Erläuterung:
1) Wagenhalle
2) Bar (mit Schrankkammer)
3) Wohnhaus
4) Pferdeställe
5) Gerstenboden (oben) + Bötcher-Werkstatt (unten)
6) Flagsniederlage
7) Mälzerei
8) Keller (Lager-Keller)
9) Sudhaus
10) Gerstenboden (oben) + Gährkeller (unten)
11) Kesselhaus (2 Kessel) + 30m Schonstein
12) Maschinenraum
13) Eiskeller
14) Werkstatt
15) Wichse
16) Burschenstube
17) Garagen
18) Zugang zu den Kellern von der Strasse aus


Danke

Gruß
Christian

 
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zuletzt bearbeitet 05.11.2012 | Top

RE: Die Brauerei Sturm (Beitrag vom 26.09.2009)

#9 von cni , 05.11.2012 21:48

Hallo,

hier noch ein älteres Luftbild aus dem Stadtarchiv Coburg:

Luftbild_Brauerei_Anton_Sturm_1962


Danke

Gruß
Christian

 
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RE: Die Brauerei Sturm (Beitrag vom 26.09.2009)

#10 von cni , 05.11.2012 21:55

Zitat von Christian im Beitrag #1
Quelle: ehemaliges Firmenarchiv Sturmsbrauerei

Hallo,

weiß jemand, wo sich dieses Archiv heute befindet?
Und hat jemand zufällig eine Festschrift der Brauerei bei sich im Archiv, ich hätte diese gerne einmal ausgeliehen.


Danke

Gruß
Christian

 
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