Szenen vor 100 Jahren

#1 von Christian , 11.04.2019 09:24

Vor 100 Jahren beschäftigte sich die Coburger Regierung mit den Anschluss des Freistaates Coburg an Bayern. Diesbezüglich fanden mit den bayerischen Verantwortlichen Verhandlungen statt. Über diese Aspekte wurden bereits zahlreiche Abhandlungen geschrieben.

Interessant sind jedoch zwei beiläufige Blätter in den Akten, die hier erstmals erwähnt werden und einen Eindruck über die damaligen Verkehrsverhältnisse geben. Sie waren geprägt von ernsten Energieproblemen, womit das Deutsche Reich das Jahr 1919 hindurch zu kämpfen hatte. Es herrschte nämlich ein derartiger Kohlenmangel, dass bei der Bahn der lebensnotwendige Güterverkehr Vorrang vor der Personenbeförderung hatte. Dementsprechend fielen viele Zugverbindungen aus. Am 7. August 1919 kündigte der Stadtrat von Königsberg (in Bayern), das damals zum Freistaat Coburg gehörte, der Coburger Landesregierung an, dass er mit einem Pferdefuhrwerk in die Vestestadt kommen will, um in einem Gespräch Näheres über den Stand der Verhandlungen mit Bayern zu erfahren. Eine Bahnfahrt über Hofheim, Haßfurt und Bamberg war wegen des eingeschränkten Zugverkehrs nicht möglich und ein Auto stand nicht zur Verfügung.

Die Coburger Landesregierung hatte drei Monate später ähnliche Schwierigkeiten wie der Königsberger Stadtrat. Am 5. November 1919 berichtete sie in einem Eilbrief nach München über eine Abstimmung im Coburger Landtag und schrieb u. a. wörtlich: "Wir würden dankbar anerkennen, wenn den hiesigen Regierungsvertretern die Reisemöglichkeit nach München durch die Gestattung der Benutzung von Güterzügen oder sonst wie gegeben werden könnte." Nun, die Coburger Delegation hat es doch noch fertiggebracht, mit einem Auto nach München zu reisen, haben aber vorher die bayerische Regierung dringend um Förderung und Unterstützung durch die bayerischen Behörden gebeten.

So sah es im Jahre 1919, ein Jahr nach Kriegsschluss aus: Sehr eingeschränkte Verkehrsverhältnisse und schwierige Reisemöglichkeiten, dazu Rationierung aller Lebensmittel. Bezugsscheine auf Textilien und Schuhe. Ein besonders krasses Beispiel der damaligen Ernährungslage: Wenige Wochen vor Weihnachten war in Neustadt bei Coburg 14 Tage lang keine Milch für Säuglinge vorhanden. Dieses katastrophalen Verhältnisse führten auch dazu, dass sich die Coburger Bevölkerung zu Bayern hinwendete. Man nahm an, dass durch diesen Zusammenschluss, sich die Versorgungslage im ehemaligen Herzogtum verbessern würde. Viele Historiker sehen in dieser "Bauchentscheidung" den ausschlaggebenden Faktor, dass sich die Bevölkerung in der Volksbefragung 1919 zu einhellig für Bayern entschieden habe.

Quelle: Ernst Eckerlein, Coburger Blattla


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zuletzt bearbeitet 04.05.2019 | Top

   

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