Das Coburg überhaupt eine größere Rolle bei dieser technischen Innovation spielte, ist erst seit wenigen Jahren bekannt. Verbunden ist dies mit dem Namen des Mechanikers Andreas Flocken, der in der Vestestadt zumindest eines der ersten vierrädrigen Elektromobile überhaupt gebaut hat.
Um die Bedeutung von Flockens Konstruktion herausstreichen zu können, möchte ich sein innovatives Wirken unter dem Hintergrund der allgemeinen technischen Entwicklung, weg vom Gas-, hin zum Elektrozeitalter, beleuchten. Zudem werde ich kurz auf Flockens Vita eingehen und schließlich mich den Elektromobilen zuwenden, die in den Werkstätten des Mechanikers entstanden sind.
Flockens Erfindergeist ist nicht ohne weiteres zu verstehen, wenn man ihn ohne den allgemeinen technischen Wandel jener Jahre zu erklären versucht. Die Menschen durchliefen besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen so tiefgreifenden technischen und ökonomischen Wandel, wie in keiner anderen geschichtlichen Epoche. Zahlreiche Erfindungen veränderten und verbesserten das Alltagsleben der Menschen. Die Welt erlebte regelrecht eine Technikerweiterung. Zu der technischen Ausdehnung gehörte es auch, die schon lange bekannte Elektrizität für den Menschen nutzbar zu machen. Dementsprechend gingen dem Weg Coburgs zur Elektrizität zunächst einige technische Erfindungen voraus. 1866 konstruierte Werner von Siemens den ersten Dynamo. Die erste Glühbirne entwickelte Thomas Alva Edison im Jahr 1878. Vier Jahre später wurden durch den Elektrotechniker und späteren Gründer des Deutschen Museums in München, Oskar von Miller, die ersten oberirdischen Starkstromleitungen in Deutschland verlegt. Zeitgleich gründeten sich die ersten elektrotechnischen Unternehmen, bspw. die Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft, kurz AEG. Es war deshalb nur eine Frage der Zeit bis diese neue Technologie auch nach Coburg kam. 1886 wurde hierfür zum Schlüsseljahr. Die Einwohner Coburgs bewunderten mit der Sängerfesthalle auf dem Ketschenanger das erste voll elektrifizierte Gebäude der Stadt. Die technische Ausführung oblag hier der Nürnberger Elektrizitätsfirma Schuckert. Im gleichen Jahr ließ Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha mit Hilfe eines elektrischen Generators das Schloss Ehrenburg vollständig elektrifizieren. Viele Coburger erkannten durch diese technischen Maßnahmen die Vorteile der Elektrizität. Gerade zu diesem Zeitpunkt begann Andreas Flocken mit seinen Versuchen zur Nutzung der Elektrotechnologie. Andere Coburger Elektrotechniker folgten ihm im kleineren Rahmen.
Flocken kam 1845 in Albersweiler im heutigen Rheinland-Pfalz als Sohn eines Büttners zur Welt. Er machte eine Ausbildung zum Schlosser und Mechaniker in der Landmaschinenfabrik Heinrich Lanz in Mannheim. Diese Firma entwickelte 1921 den ersten sogenannten „Bulldog“. Nach seiner Lehre war Flocken als Werkführer an der Mechanisierung der renommierten Strumpffabrik Schopper in Zeulenroda/Thüringen beteiligt. 1881 eröffnete er in Coburg an der Callenberger Straße eine Landmaschinenwerkstatt nebst Maschinenhandel. Er erweiterte seinen Betrieb 1888 um eine zweite Abteilung mit dem Schwerpunkt Elektrotechnik-Installation und Bau elektrischer Kraft- und Lichtanlagen wie Generatoren und Elektromotoren. 1891 gelang ihm, laut Coburger Zeitung, die erste elektrische Kraftübertragung im Herzogtum Coburg. Zugleich begann er mit dem Aufbau eines Stromnetzes im Coburger Bahnhofsviertel. Das Monopol der Städtischen Werke und der damit verbundene Bau des ersten Elektrizitätswerks im Jahr 1903 in Coburg verhinderte jedoch den weiteren Netzausbau. Trotz dieses Rückschlags zeigt Flockens Tätigkeit auf diesem Feld, wie fortschrittlich er gerade in Hinblick auf die Stromerzeugung und -versorgung dachte. Er stand für einen liberalen Energiemarkt, der in Deutschland erst 1998 Realität wurde.
Fortsetzung folgt