Politiker des Anschlusses 1920

#1 von Christian , 30.06.2020 09:13

Hier sollen die Politiker in Kurzfassung vorgestellt werden, die beim Anschluss Coburgs an Bayern eine mehr oder minder wichtige Rolle gespielt haben. Hierbei sind zunächst die damaligen Coburger Landtagsabgeordneten vorzustellen:

Zunächst
Reinhold Artmann (1870-1960)
SPD-Mitglied und Schreiner, Mitbegründer des Coburger Konsumvereins und Mitglied des Coburger Arbeiter- und Soldatenrats. In der letzten Coburger Landesregierung wirkte er als Staatsrat. Er trat hierbei für einen Anschluss Coburgs an Thüringen ein.

Erhard Kirchner (1866-1927)
gebürtig aus Neustadt bei Coburg, SPD-Mitglied und Angestellter, wurde 1917 Geschäftsführer der AOK in Neustadt, 1898 erster SPD-Stadtrat in der Puppenstadt, 1912 Mitbegründer des Coburger Volksblatts (der sozialdemokratischen Parteizeitung) und 1919 letzter Landtagspräsident Coburgs. Als solcher hat er ausgleichend bei den oft kontroversen Anschlussdebatten gewirkt.

Fortsetzung folgt.


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RE: Politiker des Anschlusses 1920

#2 von Rolf Metzner , 30.06.2020 11:18

Zitat von Christian im Beitrag #1

.......
Reinhold Artmann (1870-1960)
SPD-Mitglied und Schreiner, Mitbegründer des Coburger Konsumvereins und Mitglied des Coburger Arbeiter- und Soldatenrats. In der letzten Coburger Landesregierung wirkte er als Staatsrat. Er trat hierbei für einen Anschluss Coburgs an Thüringen ein.
.......


Hier nochmal die Vita von Reinhold Artmann etwas ausführlicher:

"Reinhold Artmann war Sohn des Berufssoldaten Johann Heinrich Artmann, der im September 1870 bei Sedan fiel. Reinhold Artmann absolvierte eine Schreinerlehre, ging danach auf Wanderschaft, die ihn bis nach Amerika führte, und arbeitete schließlich als Schreinermeister in Coburg. Artmann war Mitbegründer des Coburger Konsumvereins, schon vor 1900 trat er der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands bei. Im Ersten Weltkrieg wurde er zum Landsturm eingezogen. Am 10. November 1918 wurde er Vorsitzender des Coburger Soldatenrates und zog nach der Wahl vom 9. Februar 1919 als Abgeordneter für die SPD in die Coburger Landesversammlung ein. Am 10. März 1919 wurde Artmann als eines von drei Mitgliedern – ab August mit dem Titel "Staatsrat" – in die Regierung des Freistaates Coburg gewählt. Er trat für den Anschluss Coburgs an das Land Thüringen ein. Das Amt des Staatsrats hatte er bis zur Vereinigung des Freistaats Coburg mit dem Freistaat Bayern am 1. Juli 1920 inne. Coburger Regierungs-Blatt, 30. Juni 1020 (2).jpg - Bild entfernt (keine Rechte)Anschließend war er wieder als Schreiner tätig und fertigte unter anderem 1932 das Modell der Veste Coburg an, das im Coburger Rathaus aufgestellt ist (war, d.V.). Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte er als Beisitzer einer Spruchkammer an. Im 90. Lebensjahr starb Reinhold Artmann 1960 als letztes ehemaliges Mitglied der Coburger Landesversammlung."

Wie in der Vita erwähnt, ist der Vater von Reinhold Artmann im 1870er/1871er - Krieg bei Sedan gefallen.
Johann Heinrich Artmann's Name ist auf dem Kriegerdenkmal vom Ernstplatz verewigt:Johann Heinrich Artmann, gefallen 1870, Markierung.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)

Jetzt gilt ja der Staatsrat und Schreinermeister Reinhold Artmann allgemein als Erschaffer des Vestemodells (wie auch in seiner Vita beschrieben), welches im Schwedenjahr 1932 in ein Großdiorama der Vestebelagerung durch Wallenstein 1632 integriert war.

Schwedenjahr 1932 - 1632.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)Grossdiorama, Coburger Tageblatt, 17.06.1932, Markierung.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)Großdiorama Veste.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)

Dieses Vestemodell war nach der 900-Jahrfeier 1956 noch viele Jahre im 2. Stock des Rathauses in einer Vitrine zu besichtigen; das Diorama mit hunderten von Zinnsoldaten ist in den Nachkriegswirren verloren gegangen.

Über das Vestemodell habe ich schon hier im Forum berichtet:
Groß Diorama
g119-Vestemodell.html

Kürzlich ist ein renommierter Zinnfiguren-Spezialist wegen das Wallenstein-Großdioramas an dieses Forum herangetreten, was mich dazu veranlasst hat, nochmal genauer zu recherieren. Dabei ergaben sich für mich neue Informationen zu diesem Vestemodell vom Großdiorama (es gibt noch weitere Vestemodelle, z.B. von Jacob Lindner oder Bodo Ebhardt):

Danach hat Reinhold Artmann gar nicht eigenständig dieses Vestemodell erschaffen, sondern er hat ein bereits vorhandenes Vestemodell (vermutlich eines, welches in der Rückerschule gelagert war und keinen guten Zustand mehr hatte) in einer Art Arbeitsbeschaffungsmaßnahme mit Unterstützung durch seinen Sohn renoviert:
Willi Breuer aus "Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 1973"; "Coburger Archtikturmodelle": ....."Allerdings beginnen die Arbeiten des neuen Modells.....; eine Arbeitskraft wird vom Wohlfahrtsamt in der Person des Reinhold Artmann (sein Sohn Hermann hilft ihm aus Interesse an dieser Arbeit) zur Verfügung gestellt....".
Die wirklichen Schöpfer dieses Vestemodells waren in den 1930er Jahren Louis Walter und Franz Höch. Zur 900-Jahrfeier 1956 (Eine vorherige Aufstellung hatte die amerikanische Militärregierung 1949 untersagt) beauftragte die Stadt Coburg Bruno Escher und seinen Sohn Gerhard, dieses Vestemodell noch mal zu renovieren; anschließend wurde es im 2. Stock des Coburger Rathauses in einer Glasvitrine der Öffentlichkeit zugänglich gemacht (in diesem Zustand kennen wir es heute, auch wenn es seit etlichen Jahren nicht mehr im Rathaus steht).


 
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RE: Politiker des Anschlusses 1920

#3 von Christian , 01.07.2020 08:43

Bernhard Lauer (1867-1927)

Lauer war Former in einer Neustadter Spielwarenfabrik, später dann Angestellter bei der AOK und kommunalpolitisch für die SPD als Stadtrat in Neustadt tätig. Er neigte seinerzeit mehr zu einem Anschluss an Thüringen.

Hermann Mämpel (1866-1944)
Mämpel wurde in Ilmenau geboren, erlernte das Buchbinderhandwerk und ging dieser Tätigkeit in Gotha und Coburg nach. 1896 wechselte er zur AOK Coburg, wo er bis zum Verwaltungsinspektor aufstieg. Zwischen 1908 und 1912 saß er für die SPD im Coburger Landtag, 1919 wurde er wiedergewählt. Nach 1920 war er Coburger Stadtrat.


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RE: Politiker des Anschlusses 1920

#4 von Christian , 02.07.2020 08:56

Franz Klingler (1875-1933)

Klingler wurde zu einer der wichtigsten Schlüsselfiguren in der Landesversammlung und trat von Anfang an für einen Anschluss an Bayern ein. Er war in Oettingen geboren worden, verlor früh beide Eltern und trat nach einer kaufmännischen Lehre in München in eine Holzwarenfabrik in Ostheim v. d. Rhön ein. 1910 siedelte er nach Coburg über, wo er 1912 das "Coburger Volksblatt" begründete und als Chefredakteur leitete. Von Mai 1915 bis 1918 war er Soldat. Neben Reinhold Artmann war er der zweite sozialdemokratische Staatsrat in der Coburger Landesregierung und übernahm nach dem Rücktritt von Hermann Quarck das Amt eines Ministerpräsidenten. Dieses übte er bis zum Anschluss an Bayern aus. Von 1920 bis 1932 war er Mitglied des bayerischen Landtags, Vorstandsmitglied der Coburger Landesstiftung und Mitbegründer des Coburger Heimatvereins. Von weiteren heftigen Verfolgungen der Nazis bewahrte ihn der Tod am 15. Juli 1933.


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RE: Politiker des Anschlusses 1920

#5 von Christian , 03.07.2020 08:48

Johann Stegner (1866-1954)

Stegner war Sohn eines Bauarbeiters aus Frohnlach, erlernte das Brauhandwerk und wurde dann Gastwirt in Coburg. 1903 gründete er den Coburger Konsumverein mit und war dessen Kassier und Vorstandsmitglied. 1912 kandidierte er erstmals für den Landtag. Nach dem Ende der Monarchie 1918 wurde Stegner Vorsitzender des Coburger Arbeiter- und Soldatenrats.

Carl Wendt (1887-1936)

Wendt war mit 32 Jahren das jüngste Mitglied des Landtags. Er stammte aus Rodach, wo er das Schlosserhandwerk erlernt hatte, und ging dann für eine Breslauer Maschinenfabrik auf Auslandsmontage nach Griechenland und Ägypten. Während des Ersten Weltkrieges diente er als Matrose im verbündeten Osmanischen Reich. Nach dem Anschluss Coburgs ging Wendt zurück nach Ägypten, wo er auch starb.


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RE: Politiker des Anschlusses 1920

#6 von Christian , 04.07.2020 08:35

Max Oscar Arnold (1854-1938)

wurde als Sohn eines Schneidermeisters in Neustadt geboren. Nach einer Schneiderlehre nahm er Zeichen- und Modellierunterricht. Er machte sich danach selbstständig und eröffnete ein Puppenankleidegeschäft. Dieses entwickelte sich 1910 zu einer Puppenfabrik. Seit 1885 saß er als Freisinniger im Coburger Landtag. 1897 wählten die Abgeordneten zum Vizepräsidenten, sieben Jahre später zum Präsidenten des Coburger Landtages. Zudem gehörte er von 1914 bis 1918 dem Reichstag als Abgeordneter an. Er förderte die Neustadter Industrieschule und war maßgeblich am Aufbau eines Puppenmuseums beteiligt. In der Industrie- und Handelskammer Coburg repräsentierte er die Spielwarenindustrie. Aufgrund seiner Verdienste verlieh ihm die Stadt Neustadt bereits 1909 die Ehrenbürgerwürde. Im letzten Coburger Landtag fungierte er als Vizepräsident und trat entschieden für einen Anschluss an Bayern an. Nach 1920 gehörte er als Mitglied der liberalen DDP dem bayerischen Landtag an. Sein Firmenimperium brach infolge der Weltwirtschaftskrise von 1929 zusammen. Besonders in Neustadt wird an Arnold erinnert. Ihr sei das Arnoldgymnasium, das Arnolddenkmal und der Arnoldplatz genannt. Seine Firmengebäude stehen heute noch in der Nähe des Neustadter Bahnhofes.


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RE: Politiker des Anschlusses 1920

#7 von Christian , 06.07.2020 08:44

Ernst Külbel (1863-1938)

Nach dem Besuch des Ernestinums in Coburg übernahm Külbel die väterliche Malzfabrik am Hahnweg. Seit 1897 fungierte er als Coburger Stadtrat. 1912 wurde er in den Coburger Landtag gewählt. 1919 trat er für den Anschluss Coburgs an Bayern ein. Nach 1920 vertrat er die Coburger Interessen auf dem oberfränkischen Bezirkstag.

Gustav Heß (1874-1940)

Die Familie Heß gehörte zu den alteingesessenen Bewohnern der Gemeinde Neuses. Dort betrieb sie seit dem 17. Jahrhundert einen Bauernhof. 1912 wurde Heß in den Coburger Landtag gewählt. Er gründete zusammen mit anderen Landwirten 1917 den Coburger Bauernverein, dessen erster Vorsitzender er war. Heß war der einzige führende Politiker, der einen Anschluss an Preußen bevorzugte. Nach 1920 gehörte er zahlreichen Gremien, wie dem Milchhof Coburg, dem Krankenhausverband oder der Coburger Landesstiftung an. Er galt als eine selbstbewusste konservative Persönlichkeit, die nach 1933 unter den Nachstellungen der Nationalsozialisten zu leiden hatte.


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RE: Politiker des Anschlusses 1920

#8 von Christian , 06.07.2020 08:46

Zu den bedeutenden Politiker Hans Schack gibt es einen eigenen Thread.

Dr. Hans Schack - Politiker und Jurist


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RE: Politiker des Anschlusses 1920

#9 von Stammbus , 28.06.2022 09:35

Zu Franz Klingler gibt es zwei sehr ausführliche biografische Beschreibungen, die es beide wert sind, gelesen zu werden:

https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Klingler
https://www.stadtgeschichte-coburg.de/bl...ngler-geb-1875/

 
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Der Löser's Karl, ein Coburger Original?



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