Das Hotel Reichsgraf

#1 von Christian , 10.09.2022 09:08

bahnhofsplatz-2_6125044112_o.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)

Woher kommt eigentlich die Bezeichnung „Reichsgraf“ für das große Gebäude gegenüber dem Bahnhof? Ursprünglich befand sich dort seit 1867 eine Villa, die der herzogliche Bauinspektor Jakob Lindner bewohnte. 1872 verkaufte Lindner das Grundstück an Graf Friedrich von Ortenburg-Tambach. Die Ortenburger erhielten während des Heiligen Römischen Reiches den Titel eines Reichsgrafen. Sie besaßen damit das Stimmrecht auf dem Reichstag. Ihr Stammland befand sich ursprünglich in Niederbayern. 1803 tauschten sie ihr Territorium mit der Herrschaft Tambach. Seither sind sie im Coburger Land ansässig. Friedrich von Ortenburg nutzte die Villa als Stadtresidenz. Ansonsten lebte er im Schloss Tambach. 1904 verkaufte die Familie von Ortenburg das Anwesen an den Gastronomen Wilhelm Grosser, der die Villa zu einem Hotel ausbauen ließ. Dieses Hotel erhielt den Namen „Reichsgraf“, zur Erinnerung an den ehemaligen Ortenburgischen Wohnsitz. Obwohl das Hotel seit 1939 nicht mehr existiert, blieb die Bezeichnung „Reichsgraf“ für das Gebäude bis in unsere Tage erhalten.


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RE: Das Hotel Reichsgraf

#2 von Christian , 12.09.2022 09:30

Gegenüber dem Bahnhof entstand letztlich ein für die damalige Zeit recht modernes Hotel mit drei Geschossen im malerischen Jugendstil mit geschwungenen Ziergiebeln und einem Erkerturm. 1905 wurde das Hotel eröffnet. Sechs Jahre später wurde das Gebäude durch Aufstockung des bisher eingeschossigen Saalanbaus beträchtlich erweitert. Während des 1. Weltkrieges diente das Hotel als Reservelazarett. Nach dem Krieg ging das Gebäude in den Besitz der Gothaer Waggonfabrik über, die ihre Direktion nach Coburg verlegt hatte. Nach dem Anschluss Coburgs an Bayern im Jahr 1920 war diese Übersiedlung hinfällig geworden. Die Familie Grosser kaufte das Haus zurück, um es wieder als Hotel eröffnen. Als solches existierte es bis 1939.


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RE: Das Hotel Reichsgraf

#3 von Christian , 13.09.2022 08:04

1940 wurde das Haus wiederum zu einem Reserve-Lazarett umfunktioniert. Zudem war es Umsiedlungslager für Volksdeutsche bspw. für Bessarabiendeutsche. Nach dem Ende des Krieges 1945 konnte das Hotel nicht wieder eröffnet. Stattdessen zogen Behörden und Institutionen in das Haus ein. So nutzte das Landgericht, dessen Gebäude in der Ketschendorfer Straße in den letzten Kriegstagen zerstört worden war, den ehemaligen Speisesaal als Schwurgerichtssaal. Dort fanden zwischen 1946 und 1948 die Spruchkammerverfahren zur Entnazifizierung statt. 1951 standen hier Franz Schwede und andere lokale NS-Größen wegen der Geschehnisse rund um die Prügelstube im Jahr 1933 vor Gericht. Es ging dabei hauptsächlich um die Misshandlung politischer Gegner und Juden. Schwede wurde damals wegen dieser Verbrechen zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. 1954 verließ das Landgericht den Reichsgraf und zog wieder in die Ketschendorfer Straße zurück.


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RE: Das Hotel Reichsgraf

#4 von Christian , 14.09.2022 08:21

Nach der Rückkehr des Landgerichts an die Ketschendorfer Straße wurde auf Initiative der Coburger Hofbräu AG wieder eine Gastronomie in den Reichsgraf eingerichtet. Der Hotelbetrieb konnte dagegen nicht wieder aufgenommen werden. Dieses neue Lokal, "Zum Reichsgrafen" heißend, erhielt in den 1960er Jahren einen Barbetrieb, welcher den Namen "Die Zwiebel" erhielt. Aus diesem Barbetrieb entwickelte sich in den 1970er Jahren die Discothek "Gag No. 1". Gleichzeitig diente das Gebäude weiterhin der Verwaltung. Von 1954 bis 1969 war hier das Hauptzollamt untergebracht. Zwischen 1989 und 1991 fand schließlich eine tiefgreifende Sanierung statt. In diesem Zusammenhang wurde der Reichsgraf zu einem Ärztehaus umgewandelt. Auch eine Apotheke wurde in dem Gebäude ansässig. Bis heute ist das Haus eine Heimstatt für Arztpraxen.


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