Manchmal lohnt sich der Blick in eine alte Zeitung. Im konkreten Fall handelt es sich um die Ausgabe der Coburger Zeitung vom 18. August 1886. Unter „Bekanntmachung“ findet sich da ein Text, der neugierig macht: „Den verehrten Kunden der Milchhallen der Ernstfarm die Nachricht, daß in derselben Weise wie seither, zweimal am Tage, d. h. früh und abends, frischgemolkene kuhwarme Milch, wie sie von der Kuh kommt, in die beiden Milchhallen der Ernstfarm geliefert und von da direkt an die Kunden verabreicht wird. Das Milchvieh steht wie in anderen Ställen des Herzogthums unter spezieller thierärztlicher Aufsicht.“
Frischgemolken und kuhwarm! Das waren Besonderheiten, die wir heute nicht mehr kennen. Man holte damals die Milch im eigenen Topf oder mit der Kanne. Verpackte Milch gab es nicht. Die Farm Callenberg lieferte wie die Ernstfarm auch ihre Milch in die Stadt. Mit Pferdegespannen und Handwagen fuhren die Milchmänner und -frauen aus nahen Landorten das weiße Gold in die Stadt. Sie legten täglich bei jedem Wetter viele Kilometer zurück. Verkauft wurde Milch nicht nur in den Milchhallen der Ernstfarm. Es gab zahlreiche Milchgeschäfte in der Stadt, die ebenfalls bedient werden mussten. Dort gab es auch andere Molkereiprodukte wie Käse oder Quark. Der Mensch heutzutage nutzt den Supermarkt, um sich mit Milchprodukten einzudecken.
"Der Mensch heutzutage nutzt den Supermarkt, um sich mit Milchprodukten einzudecken." Ausnahmen bestätigen die Regel. brustim handstand.png - Bild entfernt (keine Rechte)
Schon damals war das Velociped (Fahrrad) existent. Dieses war anfangs überwiegend ein Sportvehikel. Das geht aus einer Lokalnotiz der Coburger Zeitung vom 17. August 1886 hervor. Es heißt da:
"Der Velocipedsport breitet sich in unserer Stadt immer mehr aus. Neben zahlreichen Bicyles (Zweiräder) und einsitzigen Tricyles (Dreiräder) begegnet man jetzt sehr eleganten und doppelsitzigen Velocipeds."
In Coburger führte der Fahrradhändler Carl Balzer im Steinweg Velocipeds in seinem Sortiment. Als das Fahrrad aufkam und immer mehr Freunde gewann, meinte man, dass es nicht der Gesundheit fördere, sondern führte stattdessen hygienische Bedenken ins Feld.
Am 28. Juni 1886 las man in der Coburger Zeitung etwas, was heute ein Skandal wäre:
"Zum Schützfest werden sich in Coburg auf dem Anger zum ersten Male als große Sehenswürdigkeit produzieren Eingeborene vom Stamme der Papuas sowie 20 verschiedene Menschenrassen aus allen fünf Weltteilen".
Papua war seinerzeit eine deutsche Kolonie. An dieser Anzeige lässt sich ganz deutlich erkennen, wie man über diese Völker und wie man mit ihnen umging.
Auch für Monarchisten war etwas in der Zeitung von 1886 dabei:
"Zur Feier des allerhöchsten Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers findet auch in diesem Jahr ein Festessen in der "Goldenen Traube" statt. Seit der denkwürdigen Kaiserproklamation ist dieses Festessen stets in gehobener Stimmung würdig in der Traube begangen worden. Wir dürfen auch in diesem Jahr einer regen Beteiligung entgegensehen. Die Einladungslisten enthalten das Weitere. gez. Stetefeld."
Die Menschen im Deutschen Kaiserreich waren überwiegend brave Monarchisten, die ehrfürchtig zu ihren Fürsten aufblickten. Und so feierte man in Coburg in "gehobener Stimmung" den Geburtstag Kaiser Wilhelms I. Die gehobene Stimmung war wohl kaum eine ausgefallene Stimmung unter Einfluss des Alkohols, sondern eine Gefühlsbetontheit, die wir schlicht als Hurrapatriotismus bezeichen können.