Seit 2008 wird in der Nähe des Coburger Schlossplatzes, auf dem Salzmarkt, ein Gebäude restauriert, welches durch seine Größe weithin beeindruckt. Die Rede ist vom ehemaligen Warenhaus Montag, welches Ende 2008 seine Pforten schloss. Dieses Geschäft war ein alteingesessenes Coburger Unternehmen, welches seit den Fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts am Salzmarkt residierte. Als Warenhaus wurde dieses Gebäude aber nicht gebaut. Seine Entstehungsgeschichte geht in das 19. Jahrhundert zurück.
Im Jahre 1864 errichtete der Gastwirt Carl Grau anstelle von drei Wohnhäusern dort ein stattliches Wohn- und Geschäftshaus im Stil der Neurenaissance. Die Bebauung des Grundstücks indes kann sich bis ins Jahr 1555 zurückverfolgen. Grau eröffnete in dem neuen Gebäude einen Hotel- und Gaststättenbetrieb, wie uns der erste Coburger Fremdenführer von 1866 berichtet. Als Namen für das Hotel wählte Grau die französische Bezeichnung „Bellvue“, was so viel wie „Schöne Aussicht“ bedeutet. Tatsächlich hatten die Hotelgäste eine schöne Aussicht von ihren Fenstern. Der Blick schweifte hinüber zum Schlossplatz Richtung Hoftheater und Palais Edinburgh. Als Besonderheit bot das Hotel einen eigenen Abholservice am Coburger Bahnhof an. Täglich stand dort eine Pferdedroschke, um die Gäste auf den Salzmarkt zu fahren. Dort angekommen fanden sie im Erdgeschoss des Hauses das Restaurant nebst Nebenzimmer und Billardzimmer vor. Der Eingang zu den Hotelzimmern erfolgte über einen separaten Hauseingang.
Das Hotel dürfte jedoch nur bis 1872 bestanden haben. Danach folgte mit der Coburg-Gothaische-Kreditgesellschaft ein Bankinstitut als Hauseigentümer nach. In dieser Zeit dürfte nur noch das Restaurant betrieben worden sein. 1905 erfolgte ein nochmaliger Hausbesitzerwechsel. Damals erwarb der Restaurateur Gottfried Rissland das Anwesen und baute das Lokal nach seinen Vorstellungen um. In dieser Zeit hieß das Lokal „Risslands Gasthaus“. Es entstand ein großer Gastraum mit neuem Eingang an der Ecke zur Theatergasse. Mit den Bauarbeiten war seinerzeit der bekannte Jugendstil-Architekt August Berger betraut. Das Restaurant erhielt fortan einen guten Zuspruch in der Bevölkerung. 1937 erhielt die Gaststätte den Namen „Zum Patrizier“. Unter dieser Bezeichnung ist das Haus den alten Coburgern noch in Erinnerung. Grund für die Namensnennung war die Tatsache, dass dort Bier der Patrizier Bräu AG aus Nürnberg ausgeschenkt wurde. Den Gastraum schmückten zu jener Zeit auch Wandmalereien, welche Sehenswürdigkeiten der Frankenmetropole zeigten. So konnte man unter der Kaiserburg und dem Dürerhaus genüsslich seine Mahlzeit einnehmen. Doch die ruhigen Friedenszeiten waren bald vorbei.
1939 brach der Zweite Weltkrieg aus und das Gebäude wurde in den letzten Kriegstagen, am 8. April 1945, durch einen amerikanischen Bombenangriff zerstört. Besonders der Trakt an der Theatergasse war schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Zwar konnte das Haus noch im gleichen Jahr wieder aufgebaut werden, aber die Gaststätte konnte ihren Betrieb nicht mehr wieder aufnehmen. Das Anwesen wurde von der US-Army beschlagnahmt und diente den einfachen Soldaten, die vornehmlich im sogenannten „Amerika-Haus“ am Schlossplatz ihren Dienst taten, fortan als Kasino. 1948 richteten die Amerikaner in dem Gebäude das „Haus der Jugend“ ein. Hier sollten die jungen Coburger mit der amerikanischen Kultur vertraut gemacht werden. Diese Jahre gingen nicht spurlos an der Bausubstanz vorüber. Als die Amerikaner 1951 das Anwesen an den ursprünglichen Eigentümer zurückgaben, waren die Räume stark renovierungsbedürftig.
Das Grundstück ging in der Folgezeit in den Besitz des Kaufmanns Walter Schaff über, der in den Räumen des Erdgeschosses ein Waren-Kredithaus eröffnete. Die Kunden hatten hier die Möglichkeit, Waren die sie einkauften, nicht sofort bezahlen zu müssen, sondern durch einen Kredit in Raten abzustottern. Zu den umfangreichen Geschäftsräumen zählte auch das Ladengeschäft des Gebäudes Grafengasse Nr. 6, welches seit 1864 mit dem Haus am Salzmarkt über die selben Hausbesitzer vereinigt war. Als Geschäftsführer im Warenhaus Schaff fungierte schon in den Fünfziger Jahren Alois Montag. Er übernahm später den Betrieb und führte ihn in seine Glanzzeit in den 1970er Jahren. Die letzten 20 Jahre jedoch, brachten eine Änderung des Kaufkonsums. Das Warenhaus verlor seine Kundschaft an andere größere und modernere Geschäfte. Zudem machte sich die Lage des Unternehmens am Salzmarkt zunehmend negativ bemerkbar. So schloss Ende 2008 das Warenhaus Montag, zuletzt in der Grafengasse Nr. 6 ansässig, für immer seine Pforten. Das Gebäude am Salzmarkt hatte es schon zuvor verlassen. Es erfolgt seither eine Grundsanierung des Hauses, das nach dem Abschluss der Arbeiten wieder seinen alten Namen erhalten soll – Haus Bellvue.
Fotos
Bild 1: Das Haus Bellvue im Jahre 2009 (Foto: Christian Boseckert)
Bild 2: Ansicht des Restaurants "Bellvue" um die Jahrhundertwende (Sammlung Christian Boseckert)