Es gab schon immer Bewohner in der Stadt,welche ihre persönlichen Erinnerungen einmal aufgeschrieben haben,um sie an ferne Interessierte weiter zu geben.So lebte in dem Haus Spitalgasse 25 eine gewisse Lina Hermann.Sie ist 1865 geboren und zog dann mit ihren Eltern 1868 in das Hinterhaus vom Anwesen Spitalgasse 25 ein.Dieses große Haus ist durchgehend von der Spitalgasse bis zur Mauer.An der Front zur Spit,gab es einmal das Wäschegeschäft Stube/Nachf.das später an die Fa. Nonnenmacher überging.Heute dürfte da eine Drogeriekette drinnen sein.(Auch schon wieder überholt,wie man auf dem Foto von Christian erkennen kann.....nichts unter der Sonne ist beständig!!)
Interessant ist,das sich in dem langgestreckten Anwesen ein Turnierhof befand,der aber leider im Laufe der Jahre verschwunden ist.Es waren Bogenhallen vorhanden die aber um 1920 überbaut wurden.Bei dem Umbau damals wurde ein Stein mit der Jahreszahl 1446 gefunden, das Gebäude also sicher mit zu den ältesten Häusern von Coburg zu zählen ist.
Frl. Lina Hermann war nicht verheiratet und wohnte bis zu ihrem Tod 1946 in dem Haus.Ihre gesammten Erinnerungen an das Haus und die Umgegend hier wieder zu geben wäre vermessen.Trotzdem will ich verschiedene Passagen ihrer Erinnerungen herausgreifen.
So beschreibt sie,was für ein Jubel herrschte, als zurück gekehrte Soldaten aus dem 70/71 er Krieg,durch die Spitalgasse marschierten und auf dem Markt empfangen wurden.
Um das Jahr 1908 wurde in dem Haus grundlegend umgebaut,was für die Bewohner eine große Belastung darstellte.Eine Wasserleitung war wenige Jahre zuvor schon im Haus eingerichtet worden,was aber alle Bewohner sehr begrüßten,war der Anschluß des Hauses an die Kanalisation.
Wasser wurde von den Leuten mit Eimern und "Butten" von den Laufbrunnen in der Stadt geholt,die Beseitigung der Fäkalien besorgte die "Tonnenbatterie",welche,Pferdebespannt von Haus zu Haus zog und die Kübel entleerte...Und nun eine Kanalisation! Welch Fortschritt!!
Lina hermann ernnert sich an den Abriss des "Gräfsblock" und als der Durchbruch zur Mohrenstraße geschaffen wurde.Ebenfalls hat sie Erinnerungen an das Restaurant Schaffner,welches mit Wirtsgarten unmittelbar dort stand,wo sich später an der Mauer die Hypobank niederließ.
Das Schaffner war damals,Ende der 1860er Jahre ein sehr gutes Wein und Bierlokal.Der Wirtsgarten des Schaffner lag etwa auf der Höhe der Webergasse,also tiefer als die Mauer und beherbergte mehrere kleine Gebäude.Das Lokal wurde gerne von Mitgliedern des Theater,Offizieren und Beamten besucht.Um 1873/74 wurde von dem jungen Schaffner dort umgebaut und erweitert,mit der Hoffnung,noch mehr Gäste im Lokal unter zu bringen.Leider waren dann die Räumlichkeiten zu groß, die Gemütlichkeit des Lokals ging verloren...!Mehr und mehr Gäste blieben nun fern und Schaffner kam in prekäre Situationen.Das Lokal wechselte mehrere male den Besitzer,so hatte es auch dann ein Griebel,der ursprünglich im Steinweg ein Lokal hatte.Der Volksmund bezeichnete nun das Lokal,welches eigentlich "Griebelei" heißen sollte,in "Grübelei".
Zu Schaffners Zeiten fanden dort alle möglichen Tanzveranstaltungen statt und das wurde späterhin immer häufiger.Das Niveau des Lokal sank immer mehr,bei den Maskenbällen soll es nicht immer fein zugegangen sein.Bei den früher viel öfteren Jahrmärkten,kam viel fremdes Volk in die Stadt und besuchte die "Grübelei".
So erinnert sich Lina Hermann an diese Vergnügungen dort sehr genau,lagen doch ihre Fenster zur Mauer hin.Sie berichtet das z. B. oft Tanzveranstaltungen am Sonntagmittag begannen und erst oftmals am frühen Montagmorgen endeten.(eine Polizeistunde scheint es da nicht gegeben zu haben??)An Schlaf wäre bei dem gräßlichen Lärm,der aus dem Lokal tönte oftmals nicht zu denken gewesen!
Lina Hermann schreibt: Immer nach den gleichen,kreischend gespielten Weisen,gab es abwechselnd Walzer,Polka,Rheinländer,letzteren mit Vorliebe und zwar dann immer nach der Melodie:" Siehste wohl da kümmt er,große Schritte nimmt er"usw.usw. was laut und misstönig mitgesungen wurde!(scheint ja was los gewesen zu sein,in der Bude??)
Prügeleien waren scheinbar dort an der Tagesordnung und wurden oftmals auf der Mauer ausgetragen...!Sogar Messerstechereien kamen vor und ein Verletzter soll damals mehrere Tage in Lebensgefahr geschwebt haben...!Ferner wird berichtet das eines Nachts,ein völlig Betrunkener Gast der Grübelei dort auf der Mauer lauthals "Feuer,Feuer"rief.Daraufhin öffnete ein Hausbewohner des Hinterhauses ein Fenster und rief hinuter "Na,da wolln wir mal das Feuer löschen!" und kippte den Inhalt eines "Behältnisses" auf den Schreihals,der scheinbar ernüchtert das Weite suchte...!
Später wurde die Grübelei abgerissen und das große Gebäude,das später die Hypobank aufnahm dort errichtet.Das hohe Haus nahm aber den Bewohnern vom Hinterhaus viel Sonnenlicht weg!
Als der Turnierhof noch existierte wurde er auch eine Zeit lang von der schlagenden Verbindung der Casimiriana des Gymnasiums genutzt,welche dort ihre Fechtveranstaltungen abhielten.
Über mehrere Unglücke in der Nachbarschaft kann Lina Hermann berichten.So hatte die Coburger Feuerwehr am alten noch stehenden Gräfsblock eine Übung angesagt.Zwei Feuerwehrleute standen auf der damals längsten Feuerleiter,die voll ausgefahren dort stand,als plötzlich die Feuerwehrleiter entzwei brach.Unter dem Aufschrei der Passanten stürzte einer der Wehrleute zu Boden und war sofort tot,der andere blieb mit der Kleidung an einer vorstehenden Dachrinne hängen und schwebte für eine Zeit zwischen Leben und Tot!Es muß in den 90er Jahren gewesen sein...!
Am 14.September 1913,nachts gegen 22.30 Uhr setzte ein schlimmes Ereigniss die ganze Umgebung dort in Schrecken und Entsetzen!..
Lina Hermann erinnert sich:" Eine plötzlich unser ganzes Haus erschütternde Detonation war zu vernehmen und lautes donnerndes Rollen,so,als wenn etwas einstürzte,schloß sich an.Ich rannte zum Fenster und im gleichen Augenblick schrie ein Mann auf der Straße "Explosion,Feuer"...Wo war die Explosion?...In unserem Haus scheinbar nicht!Ich vermutete im gegenüber liegenden Kino, welches sich im Hypogebäude befand.Die Leute strömten in Panik aus dem Kino...!...Eine Gasexplosion hatte weiter vorne,auf der Mauer,zum Judenturm hin ein ganzese Haus in die Luft gejagt!13 Tode und eine Anzahl an Verletzten waren zu beklagen!...Schaurig war es in jener Nacht,wenn die Leichenwagen oder die Wagen vom Roten Kreuz unter unseren Fenstern vorbei fuhren und ihr trauriges Werk vollrichteten!"
Im Jahr 1918,der erste Weltkrieg war zu Ende,wurde das Anwesen Spitalgasse an Nonnenmacher verkauft.Obwohl einige männliche Hausbewohner Soldaten waren,sind alle aus dem Krieg zurück gekommen.
An Umbauten war während des Krieges nicht zu denken...aber Lina Hermann freute sich dann doch...sie bekam nämlich Elektrisches Licht!!!Der zweite große Fortschritt für die Dame...bis dahin nur Petroleum Lampen oder Kerzen...und Petroleum wurde während des Krieges immer weniger...auch Kerzenwachs wurde sorfältig gesammelt und z.T. wieder neue Kerzen gegossen...!Heute doch unvorstellbar...!
Auch einen Blick in die Zukunft wagte Lina Hermann.Und schreibt sogar ein Datum dazu...das Jahr 2010!
Doch diesen Zukunftsblick schreibe ich etwas später....