Das jetzige Romantik- und Drei-Sterne-Hotel „Goldene Traube“ am Viktoriabrunnen hatte seine Ursprünge u.a. in der Judengasse. Dort gehen sie auf das Jahr 1727 zurück. Im Häuserbuch von Ernst Cyriaci heißt es dazu, dass der Besitzer des Anwesens Judengasse 13 in Coburg, der Metzgermeister Paul Düsel, in jenem Jahr das Schild „Zur Weintrauben“ vom Hochfürstlichen Rat und Leibmedikus Dr. Carl Christian Xylander aus der Ketschengasse Nr. 5 erhielt. Dort befand sich seit mindestens 1536 eine Gaststätte die den Namen „Zum Roten Krebs“ trug und später dann in „Zur Weintrauben“ umbenannt wurde. Erster Inhaber des Gasthauses war ein Georg Bachenschwanz. Später, im 20. Jahrhundert, war dort der alte Coburger Ratskeller zu finden. Ob sich in dem Gebäude in der Judengasse bereits vorher eine Lokalität etablierte, ist nicht bekannt. Sicher ist nur das Paul Düsel der erste „Traubenwirt“ in der Judengasse war. Er führte das Haus bis 1739. In diesem Jahr übernahm dessen Schwiegersohn, der Metzgermeister Johann Georg Rögner den Gasthof. Ihm folgten zahlreiche Gastronomen, die sich alle nacheinander, nicht lange halten konnten. Für eine längere Phase trug nur die Familie Bärmann, von 1766 bis 1782 die Verantwortung für das Gasthaus. In jener Zeit war die „Goldene Traube“ nur ein einfacher Gasthof mit Fremdenzimmer und einer angeschlossenen Metzgerei – kein Vergleich mit dem heutigen Hotel. Die häufigen Besitzerwechsel endeten erst im Jahre 1792, als der Metzgermeister Johann Georg Mönch das Haus käuflich erwarb. Mit der Familie Mönch begann auch der Aufstieg der „Goldenen Traube“ vom Gasthof zu einem erstklassigen Hotel. Gleichzeitig war Johann Georg Mönch der Stammvater einer für Coburg bedeutenden Familie.
Sein Sohn Martin Christian Mönch eröffnete im Jahre 1832, ebenfalls in der Judengasse, im Haus Nr. 18 gegenüber, welches der Vater 1826 käuflich erwarb, ein Lebensmittelgeschäft, das unter dem Namen „M. C. Mönch“ bis in die jüngste Gegenwart existierte und das für seine Delikatessen nicht nur in Coburg sondern in ganz Deutschland bekannt war. Die beiden anderen Söhne Georg und Andreas Mönch führten den väterlichen Betrieb gemeinsam weiter. Das Haus indes hatte Johann Georg Mönch schon zu Lebzeiten an seinen Schwiegersohn Johann Georg Schultheiß verkauft. Als dieser starb, erbte dessen Ehefrau Helene Margaretha Schultheiß, geb. Mönch das Anwesen. Da das Ehepaar Schultheiß keine Erben aufweisen konnte, ging die „Goldene Traube“ im Erbgang wieder an den Bruder Georg Mönch zurück. Doch lange konnte sich Georg Mönch an seinem Besitz nicht erfreuen. Er starb 1859 im Alter von 62 Jahren. Neuer Wirt und Hausbesitzer wurde dessen Sohn Christian Mönch, der damals gerade mal 28 Jahre alt war. Ihn kann man aus heutiger Sicht, als Vater des Hotels „Goldene Traube“ bezeichnen, denn er verfolgte ehrgeizige Pläne mit seinem Besitz. Bereits ein Jahr nach dem Tode seines Vaters, im Jahre 1860, ließ er den alten Gasthof abreißen und an dessen Stelle, vom Architekten Paul Gehrlicher ein Hotelgebäude im neugotischen Stil errichten. Bei diesem Neubau wurde die Metzgerei aufgegeben. Von der alten „Traube“ erhielt sich im Album des Coburger Bauinspektors Jakob Lindner eine Zeichnung. Sie ist identisch mit einer Beschreibung aus dem Jahre 1706. Dort wird von einem Gebäude mit zwei Stockwerken, drei Stuben, einem Gewölbe und einem Keller gesprochen. Einen zusätzlichen Bierkeller besaß die „Traube“ am Plattenäcker. In den folgenden Jahren boomte die „Goldenen Traube“ regelrecht. Bereits 1862 musste Christian Mönch anbauen. Er ließ zusätzlich zu dem eigentlichen Hotel auf seinem Grundstück ein Hinterhaus und vier Jahre später, im Jahre 1866 eine Wagenremise errichten. Ferner erwarb Mönch die Konzession für eine Posthalterei in Coburg, welche dem Gasthof noch zusätzlich aufwertete und durch die er drei Postillione einstellen konnte. Dass die „Goldene Traube“ bereits zu dieser Zeit einen hohen Stellenwert besaß, zeigt der von Rudolf Genée im Jahre 1866 herausgebrachte Fremdenführer „Stadt und Veste Coburg nebst Umgebung“. In diesem Führer wird ausdrücklich der Gasthof in der Judengasse als eines der besten Gast- und Logierhäuser Coburgs, neben dem Hotel Leuthäuser in der Spitalgasse oder dem Gasthof „Grüner Baum“ am Markt erwähnt.
Auch bei der einheimischen Kundschaft war die „Goldene Traube“ sehr beliebt. Dazu trug sicherlich auch der Sommergarten bei, der hinter dem Haus angelegt worden war. Hier konnten die Coburger Bürger bei Musik und Tanz der hiesigen Stadtkapelle vergnügt ihr Bier unter schattigen Bäumen im Freien trinken. Bei schlechtem Wetter stand sogar ein Gartensaal zur Verfügung, der später dann dem Hotelneubau am Viktoriabrunnen weichen musste. Desweiteren existierte im Traubegarten seit 1853 eine Kegelbahn, die von Georg Mönch noch errichtet wurde. Auch der Ausblick von diesem Sommergarten war zu jener Zeit herrlich. Das Grundstück reichte im Westen bis zur heutigen Viktoriastraße, die damals noch kaum bebaut war. Im Süden grenzte das Anwesen an den Viktoriabrunnen. An der Nordseite grenzten die kleinen, zweistöckigen Häuschen der Kleinen Judengasse an den „Traubegarten“ an. Die Zufahrt zu diesem Gesellschaftsgarten erfolgte über die Viktoriastraße. Erst später wurde dieser Weg an den Viktoriabrunnen verlegt. Dort ist er noch, zwischen dem ehemaligen Gebäude der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) und dem heutigen Hotelkomplex der „Goldenen Traube“ zu erkennen. Christian Mönch verkaufte im Jahre 1868 das Anwesen an den Coburger Hotelier Albert Stedtenfeld für 45.500 Gulden. Er selbst erwarb daraufhin das ehemalige Wohnhaus des Barons Christian von Stockmar in der Webergasse Nr. 21, wo er, zusammen mit seinem Sohn Leopold Mönch, seine Posthalterei weiter betrieb und wo heute noch die Nachfahren der Familie Mönch dort leben.
Unter Stedtenfeld blieb die „Goldene Traube“ auch weiterhin eine gut besuchte Lokalität. Bereits im Jahre 1873 musste er das Hotel um ein neues Logierhaus erweitern. Dieses Gebäude entstand auf dem Gelände des „Traubegartens“ wofür der schöne Sommergarten merklich verkleinert wurde. Noch heute können wir diesen Anbau von Albert Stedtenfeld sehen. Er gehört immer noch zum Hotel und beherbergt im Erdgeschoss seit einigen Jahren das Lokal „Weinstübla“. Ein besonderer Kundendienst der „Traube“ war der Omnibus, wie er in einem Inserat genannt wurde. Das war eine geschlossene Kutsche mit seitlich gepolsterten Bänken. Die Fahrgäste stiegen von hinten ein. Nachdem er die Türe geschlossen hatte, setzte sich der Hoteldiener auf den Kutschbock, knallte mit der Peitsche, worauf das vorgespannte Pferd das Gefährt in Bewegung setzte. Der „Omnibus“ holte mehrmals am Tage die Gäste vom Coburger Bahnhof ab und fuhr sie wieder dorthin. Der Coburger Heimatforscher Ernst Eckerlein, aufgewachsen in der unteren Judengasse, erinnerte sich in seinen Geschichten aus der Coburger Heimat noch gut daran, das in seiner Kinderzeit dieser „Omnibus“ vom Bahnhof zur „Goldenen Traube“ verkehrte. Ein weiterer Beleg über diese „Omnibusfahrten“ existiert im Coburger Stadtarchiv. Dort hat sich eine Rechnung an den Coburger Sängerkranz erhalten, der im Jahre 1862 eine Fahrt mit dem „Omnibus“ der Goldenen Traube nach Schloss Callenberg unternahm. Der Gastronom Christian Mönch stellte damals die Hin –und Rückfahrt dem Gesangsverein in Rechnung. Heute reisen die Gäste in Reisebussen und eigenen Autos an, was ein Beleg dafür ist, wie sehr sich die Zeit verändert hat.
Kamen die Hotelgäste vor dem Haus in der Judengasse an, wurden sie mit einem roten Teppich, der vor dem Eingang lag, begrüßt. Zur Zierde stellte man zusätzlich vor dem Hotelgebäude fünf Lorbeerbäume auf. Auf alten Fotographien sind diese Bäumchen noch zu sehen. Im Foyer des Hotels lagen für die Gäste, aber auch für die Einheimischen, diverse Zeitungen zum lesen und schmökern bereit. Zu jener Zeit war der Beruf des Zeitungsausträgers noch recht unbekannt und so mussten die Leute in Buchhandlungen oder in Hotel-Lobbys gehen, um eine Zeitung überhaupt lesen zu können. Nach Albert Stedtenfelds Tod, der dem Hotel auch eine Weinhandlung angeschlossen hatte, erbte sein Sohn Oskar, ebenfalls Hotelier von Beruf, das Anwesen. Im Coburger Adressbuch von 1897 ist er noch als Hauseigentümer eingetragen. Doch im selben Jahr verkaufte er das Anwesen an den Kaufmann und Fabrikanten Gustav Müller, der es nur wenig später an den Hotelier Fritz Götze weiter veräußerte. Unter Götze erreichte die Auslastung des Hotels ihren Höhepunkt, so dass auch er gezwungen war anzubauen. Doch die Lage des Gebäudes in der Judengasse ließ eine weitere Ausdehnung nicht mehr zu. Da entschloss sich Götze an der Südseite seines Anwesens, am Viktoriabrunnen entlang, ein völlig neues Hotelgebäude zu errichten. Dafür wurde der Sommergarten nun endgültig aufgelöst und der Gartensaal abgerissen. Unter dem Gothaer Architekten Richard Klepzig entstand nun ein großes, mehrstöckiges Hotel im seinerzeit vorherrschenden Jugendstil mit vielen Salons, Gästezimmern und Lokalen. Dies entsprach dem Repräsentationsbedürfnis der damaligen Zeit. Im Jahre 1906 war das neue Haus fertig gestellt. Das alte Hotelgebäude in der Judengasse hatte nun ausgedient. Diesen Grundstücksteil verkaufte Fritz Götze schließlich an seinen Nachbarn, den Blechschmiedemeister Samuel Spanaus, vom Haus Judengasse 15. Damit endete die Geschichte der „Goldenen Traube“ in der Judengasse, doch die Erfolgsgeschichte konnte in ihrem neuen Domizil am Viktoriabrunnen fortgeschrieben werden. Glücklicherweise zeugen noch heute das alte Hotelgebäude, in dem gegenwärtig das Spielwarengeschäft Schleier seine Heimat gefunden hat, und der Stedtenfeld´sche Anbau von dieser Zeit. Lediglich vom Garten ist heute nichts mehr zu sehen. Die gegenwärtigen Hotelbesitzer, die Familie Glauben, haben ihn jedoch, als Sommerterrasse des „Weinstübla“ in bescheidenen Verhältnissen wieder reaktiviert. Die Familie Götze blieb bis 1926 im Besitz des Hotels.
Bildquellen: Bild 1: Das Haus Judengasse 13 heute (Foto: Christian Boseckert, 2009) Bild 2: Der 1873 errichtete Neubau der "Goldenen Traube" Richtung Viktoriastraße (Foto: Christian Boseckert, 2009) Bild 3: Ehemaliger Bier-und Gesellschaftsgarten der "Goldenen Traube Richtung Viktoriastraße, gegenwärtiger Zustand (Foto: Christian Boseckert)
Christian
hat folgende Bilder an diesen Beitrag angehängt
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Judengasse 13.jpg
Neubau Stedtenfeld.jpg
Das muss ich ein bißchen was korrigieren. Die Abbrucharbeiten um das Judentor herum begannen erst 1899 mit dem Abriss des Hauses Mönch (Judengasse 18) hier links auf dem Bild zu sehen. Von den Arbeiten dazu gibt es seltene Fotoaufnahmen, die ich in meinem Buch über die Judengasse veröffentlicht habe. Danach erst wurde das kleine Vortor und das Wohnhaus Judengasse 14 abgerissen, das sich dort befand wo heute die Einfahrt zum Parkhaus Mauer befindlich ist. Im Jahre 1900 war mit dem Abbruch des Anwesens Mauer 1 (ehemalige Marktmeisterwohnung) die Umgestaltungsarbeiten am Judentor abgeschlossen.