Die Geschichte der Fotografie in Coburg ist noch weitgehend unerforscht, doch gerade die ist sehr interessant. Fotos und Ansichtskarten zeigen uns schließlich, wie es früher in der Vestestadt ausgesehen hat, wobei Verlage, Druckereien und Foto-Ateliers einen besonderen Beitrag leisteten. Eine letzte Erinnerung an diese Zeit ist im Steinweg, neben der Hahnmühle zu finden. Dort sieht man, an der Fassade eines kleinen Gebäudes, den Schriftzug „Photographie W. Adler“. Dieses Haus und das dahinter liegende Gebäude Allee Nr. 6 spielen in der Fotografie-Geschichte Coburgs eine wesentliche Rolle. Diese beginnt im Jahre 1867. In jenem Jahr erwarb der Fotograf Johann Georg Gattineau für 4.500 fl von den Maurermeistern Christian und Johannes Lutz ein Wohnhaus in der Allee. Gattineau war 1810 in Erlangen als Nachfahre einer Hugenottenfamilie geboren worden. Er erlernte das Flaschner-Handwerk und eröffnete bereits 1846 in seiner Heimatstadt ein Fotogeschäft. Schon bald gab es eine Filiale des Gattineau´schen Fotogeschäfts in Würzburg. 1863 und 1866 gab er beide Geschäfte nacheinander an seinen Sohn, bzw. Schwiegersohn ab und verzog nach Coburg. Dort hatte er bereits 1864 von Herzog Ernst II von Sachsen-Coburg und Gotha den Titel eines Hoffotografen verliehen bekommen. Dies ist deshalb schon ungewöhnlich, da die Verleihung eine Person betraf, welche nicht die Coburger Staatsangehörigkeit besaß. Wahrscheinlich hatte es zu diesem Zeitpunkt in Coburg noch keinen Fotografen gegeben. Die ersten Aufnahmen der Vestestadt entstanden erst 1857 durch den britischen Fotografen Francis Bedford. In Gattineau´s neuem Domizil in der Allee entstand schließlich in einem Nebengebäude ein erstes Atelier, dass er zusammen mit seinem Sohn Franz betrieb. Wohl aus Altersgründen gab Gattineau den Betrieb im Jahre 1886 auf. Zwei Jahre später starb der Hoffotograf im Alter von 78 Jahren in Coburg. Haus und Atelier gingen 1886 in den Besitz der Brüder Otto und Paul Häußler über, die ebenfalls als Fotografen arbeiteten. Sie ließen seinerzeit ein größeres Atelier auf ihrem Grundstück errichten, welches heute noch im Steinweg zu sehen ist. Nach fünf Jahren erfolgte jedoch die Auflösung des Unternehmens und die Versteigerung des Wohnhauses nebst des Ateliers. Beides übernahm 1891 der Fotograf Wilhelm Adler, der ebenfalls den Titel eines Hoffotografen trug. Er selbst besaß schon vorher ein Atelier. Dieses befand sich seit 1881 im Hinterhaus des Anwesens Oberer Bürglaß Nr. 14 (heute Immobilien Otte). Vorher war Adler in der Badergasse ansässig. Das Unternehmen entwickelte sich in der Folgezeit sehr erfolgreich und existierte bis in die 1980er Jahre hinein. Wilhelm Adler selbst betrieb das Atelier bis zu seinem Tode 1918. Als Nachfolger stand bereits sein Sohn Max bereit, der das Unternehmen bis 1942 führte. Danach wurde das Geschäft an den Fotomeister Karl-Heinz Frick verpachtet (der später auch als Hausbesitzer in Erscheinung trat), wobei es aber weiterhin den Namen „Adler“ trug. Erst später erfolgte eine Umbenennung. Über 100 Jahre war im Hause Allee Nr. 6 ein Fotograf zu finden. Heute ist es dort ruhig geworden. Das Grundstück wird gegenwärtig nur privat benutzt. Jedoch hat sich in der Zwischenzeit im Umfeld des Hauses ein neues Fotostudio niedergelassen, so dass der Bereich zwischen Allee, Hahnmühle und Steinweg auch weiterhin einen traditionellen Standort für die Coburger Lichtbildkunst darstellt.
Zum Schluss soll noch ein kleiner Exkurs zur Geschichte des Hauses Allee Nr. 6 folgen. Um 1850 befand sich an dieser Stelle ein Stadel mit angeschlossenem Garten, der auch das Grundstück Steinweg Nr. 66 erfasste. Eigentümer dieses Grundstücks war eine Familie Schöner. Der „Schönersgarten“ war in Coburg durchaus bekannt, diente er doch als Kellerbiergarten des Gasthofs „Zur grünen Linde“ in der Heiligkreuzstraße. (Haus Nr. 1) Der Zugang zu diesem Garten erfolgte über einem schmalen Weg zwischen dem Atelier Adler und dem Hause Steinweg Nr. 66 (ehemals Drogerie Zimmermann). Von der Allee konnte man das Grundstück nicht erreichen, da diese zur jener Zeit noch eine herzogliche Privatstraße war und Herzog Ernst II von Sachsen-Coburg und Gotha keinen weiteren Verkehr auf diesem Weg duldete. 1865 erwarben die Maurermeister Christian und Johannes Lutz das Grundstück und bauten 1867 den Stadel zu einem Wohnhaus aus. Dadurch entstand das heute noch bestehende Kleinhaus mit Laube und neugotischen Motiven. Anscheinend diente das Haus als Spekulationsobjekt, denn bereits im Jahr der Errichtung verkauften die beiden Maurermeister das Gebäude, wie schon erwähnt an den Hoffotografen Gattineau.
Bildquellen:
Bild 1: Das Anwesen Allee Nr. 6 (Foto: Christian Boseckert, 2010)
Bild 2: Werbeanzeige des Foto-Ateliers Gattineau aus der Zeit um 1880 (Sammlung Christian Boseckert)
Bild 3: Das Atelier-Gebäude von 1887 am Steinweg gelegen (Foto: Christian Boseckert, 2010)
Bild 4: Werbeanzeige des Foto-Ateliers Wilhelm Adler um 1900 (Sammlung Christian Boseckert)