Einer der wohlhabendsten Bewohner der Judengasse war Jacob Freiherr von Mayer, der 1857 als Jacob Mayer zusammen mit seinem Bruder Adolph nach Coburg kam. Mayer war seinerzeit ein mittelloser Handelsjude mosaischen Glaubens, der hier versuchte, eine Existenz aufzubauen.
Geboren wurde er am 12. Mai 1832 in Bibra bei Meiningen, wo er im Kreise seiner Familie aufwuchs. In Coburg begannen die Brüder schließlich einen Handel mit Getreidesamen, mit dem sie ihren Lebensunterhalt verdienten. Ihre Geschäftstüchtigkeit ließ ihr kleines Unternehmen zu einem großen Betrieb werden. Ferner betätigten sie sich als Makler. 1868 erwarb Jacob Mayer, nachdem er seit 1857 im Hause Herrngasse Nr. 6 gewohnt hatte, das Anwesen Rosengasse Nr. 12, wo er vermutlich das erste Kontor seiner Samen- und Getreidegroßhandlung einrichtete. Als Lagerstätte diente ein Depot in der Judengasse Nr. 41, welches er 1870 vom Kaufmann Moritz Friedmann für 3100 Gulden erworben hatte. Doch reichten die vorhandenen Kapazitäten schon bald nicht mehr aus. Mayer erwarb daher 1873 die benachbarte Restauration "Zur Heimat" in der Judengasse Nr. 43. (Fortsetzung folgt)
Da in der Zwischenzeit Mayers Kontor in der Rosengasse ebenfalls den steigenden Bedürfnissen des Unternehmens nicht mehr genügte, trug sich der Händler mit dem Plan, in der Judengasse ein großes Wohn- und Geschäftshaus mit zahlreichen Lagerstätten zu errichten. So erwarb er in den Jahren 1876 und 77 die Baugrundstücke Judengasse 45 und 47, um dieses Vorhaben zu verwirklichen. Doch erst 1881 konnten die Bauarbeiten am neuen Haus Judengasse 43/45 beginnen, das anstelle der bereits erwähnten Gaststätte "Zur Heimat" und eines Stadels entstand.
Im Jahr darauf konnte Mayer sein neues Haus beziehen und seinen alten Besitz in der Rosengasse verkaufen. Neben dem Wohn- und Geschäftshaus entstanden auch ein Pferdestall (Judengasse Nr. 43a) und ein Kutscherhaus (Judengasse Nr. 47), welche sich um einen Innenhof herum kruppierten und über eine schmale Einfahrt zwischen dem Getreidelager Judengasse 41 und dem Kontor in der Judengasse 43 zu erreichen waren. Zu dieser Zeit betrieb Jacob Mayer bereits Niederlassungen in Schweinfurt, Frankfurt am Main und Teschen, wodurch die Getreidegroßhandlung zu einem bedeutendsten Unternehmen Coburgs am Ausgang des 19. Jahrhunderts emporstieg.
PIC_0122.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) PIC_0123.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Wohn- und Geschäftshaus Mayers und seine Lagerhäuser an der Judengasse
Als Zeichen der Anerkennung seiner Arbeit verlieh man Mayer 1884 das Ritterkreuz I. Klasse des Ernestinischen Hausordens und den Titel "Geheimer Kommerzienrat". Dennoch entsprachen diese Gnadenerweise wohl nicht den Verdiensten seiner Person, denn er richtete 1889 die Bitte an Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha, ihn und seinen Bruder Adolf in den Freiherrenstand zu erheben. Zwar stand der Herzog dem Ansinnen wohlwollend gegenüber. Die Bitte stieß bei den Vertrauten Ernsts und der Verwaltung auf erbitterten Widerstand. Die Gegner waren der Auffassung, dass die Verleihung eines Adelstitels an eine jüdische Familie, welche erst in den letzten 20 Jahren aus sehr kleinen Verhältnissen sich emporgearbeitet habe und auch weder größeren Grundbesitz noch ein fundiertes Vermögen nachweisen könne, nicht zu empfehlen sei. Stattdessen habe Mayer nur 750 Goldmark an Steuern bezahlt, so dass seine Behauptung, sein Vermögen würde in die Millionen gehen, nicht stimmen kann, es sei denn, er habe Steuerhinterziehung betrieben. Man könne ihn deshalb guten Gewissens einen Oden der nächst höheren Klasse verleihen. Es zeigte sich aber, dass die Steuergeschichte nicht der Tatsache entsprach.
Ernst II. ließ sich von diesen Falschinformationen nicht beirren. Er vermutete dagegen, dass sich der Antisemitismus in seinen Behörden breit gemacht habe und drohte daher dem für das Nobilitierungsverfahren verantwortlichen Hausminister von Ketelhodt die Entlassung an, wenn dieser sich weiterhin weigere, das Mayer´sche Adelsdiplom gegenzuzeichnen. Der Herzog wurde besonders nach seinem Tod von der jüdischen Presse für seine ablehnende Haltung gegenüber dem Antisemitismus gelobt.
Der Herzog konnte sich schließlich durchsetzen, sodass am 25. Dezember 1889 die Brüder Mayer in den Freiherrenstand erhoben werden konnten. Ferner befürwortete Ernst II., in den Regierungsblättern deren Standeserhöhung öffentlich bekannt zu machen.
Berücksichtigt wurden bei der Nobilitierung Mayers Wirken für die Allgemeinheit. So hatte die Familie jährlich ungefähr 10.000 Goldmark für wohltätige Zwecke und noch mal 40.000 bis 50.000 Goldmark jährlich an die Stadt Coburg gespendet, welche Jacob von Mayer daraufhin 1890 in die Ehrentafel im Coburger Rathaus aufnahm. Auch auf dem Gebiet des mobilen Fortschritts machte sich der frisch gebackene Freiherr stark, indem er nicht nur Mitglied des Komitees zur Herstellung einer neuen Eisenbahnverbindung zwischen Coburg und Arnstadt über Oeslau und Katzhütte war, sondern sich ab 1897 auch als deren Schatzmeister engagierte. Auch war er Vorsitzender des Denkmalkomitees, welches ab 1894 die Errichtung eines Monuments für Herzog Ernst II. im Coburger Hofgarten förderte (1899 eingeweiht).
Jacob von Mayer starb am 1. Mai 1901 im Alter von 68 Jahren langer schwerer Krankheit. Er fand auf dem jüdischen Teil des Coburger Friedhofs am Glockenberg in einem Familiengrab seine letzte Ruhestätte.
Morgen folgt der letzte Teil, die Freiherren von Mayer und Ketschendorf.
1891 erwarb Mayers Sohn Siegwart das Ketschendorfer Schloss. Durch einen Ministerialdekret aus dem Jahre 1891 durfte er sich "Freiherr von Mayer-Ketschendorf" nennen. Er verheiratete sich mit Irma von Gutmann (Wien). In ihre Heimatstadt zogen die Mayer-Ketschendorfs am Ende des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts. Damit einher ging ein Wechsel der Staatsbürgerschaft. Siegwart von Mayer-Ketschendorf verstarb im Jahre 1929 in Wien. Sein Sohn Egon wurde Erbe des Ketschendorfer Besitzes. 1940 machte die Stadt Coburg gegenüber ihm ihren Anspruch auf 1478,99 Reichsmark Grundsteuerrückstand geltend. Zur gleichen Zeit errechnete das Deutsche Reich eine rückständige Steuerschuld in Höhe von 145.845,77 Reichsmark Reichsfluchtsteuer. Zehn Tage später wurde beim Amtsgericht Coburg die Zwangsversteigerung durchgeführt. Die Stadt Coburg ersteigerte den gesamten Besitz für 45.000 Reichsmark.
1950 erhielt Egon von Mayer-Ketschendorf im Rahmen eines Wiedergutmachungsverfahrens seinen Besitz wieder zurück. 1955 verkaufte er es endgültig an die Stadt Coburg. Die Wohltätigkeit der Familie war auch in Ketschendorf bekannt und wurde von den von Mayers auch dort gegenüber der ärmeren Bevölkerung praktiziert. Aus diesem Grund erfolgte 1945 dort die Benennung der von-Mayer-Straße.