Na toll: Da kommt ein Neuer ins Forum reingeplatzt, bringt erstmal null Informationen mit, will aber gleich was wissen......hm, ich trau mich trotzdem, denn ich bin ziemlich begeistert von der Homepage und lese schon den ganzen Abend darin. Zu einem Thema kann ich aber immer nur Bruchstücke entdecken: die "Gemeinde" (?) Stetsambach. Als Ex-Coburger weiß ich zwar so ungefähr, wie der Name entstand und so. Aber was ich nie kapiert habe: Welche Bereiche werden denn dazugezählt? Nur die Leopoldstraße oder noch mehr? Den Hintergrund meiner Frage kann ich auch gerne sagen: Ich werde bald wieder in Coburg wohnen - und ich glaube, zumindest am Rande der Gemeinde Stetsambach......Würde mich sehr freuen, wenn mir jemand antworten kann - und ich verspreche auch, mich bei Gelegenheit mal zu revanchieren.
Dankeschön! Jetzt bin ich ziemlich sicher, bald in der Gemeinde Stetsambach zu wohnen ...hab inzwischen auch den Text von Marta Henrich gefunden - wie gesagt: bin sehr begeistert von diesem Forum!!!
Hallo Victoria, Über die "Gemeinde Stetsambach" könntest Du wahrscheinlich noch etwas von Heinz Haller (er war/ist seit Jahren Bürgermeister). Zusätzlich ist er auch noch im Stadtspielmannszug aktiv. Gruß Jürgen
Hallo Norbert, erstens bin ich mir sicher, dass ich ihn Dir schon gezeigt habe und zweitens schlummert er mit meinen anderen Krügen in irgendwelchen Umzugkartons. Wenn er mir aber auf die Füße fällt, mach ich ein Foto und stelle es ein. Lieber Gruß an alle Patrick
Hallo Patrick, ich habe mal im Adressbuch nachgeschaut. Der Kiosk trägt die Adresse Leopoldstraße 59 war stets immer Besitz der Kioskbetreiber. Ich denke mal, dass das heute auch so ist.
Zitat von ChristianHallo Patrick, ich habe mal im Adressbuch nachgeschaut. Der Kiosk trägt die Adresse Leopoldstraße 59 war stets immer Besitz der Kioskbetreiber. Ich denke mal, dass das heute auch so ist.
Mfg Christian
Danke Christian, schon wieder was gelernt. Das Grundstück gehörte meiner Meinung nach früher nicht zur Leo. (als noch ein richtiges Haus dort stand).
Marta Henrich: Die Leopoldstraße (Stetzebach) und ihre Bewohner vor hundert Jahren Nach Aufzeichnungen aus dem Nachlaß meines Vaters Oberlehrer Döbrich, Coburg
Ob die Schreibweise " Stetzebach" oder "Stetsambach"richtig ist, wird wohl immer strittig bleiben. Mein Vater vertrat die Ansicht, dass "Stetzebach" richtiger sei: in seiner Jugend - er ist in der Leopoldstraße aufgewachsen - habe es nur Stetzebach oder in der breiten Coburger Mundart Stätzebach geheißen. Er führt aus: "Alle solchen alten Bezeichnungen wie Stetzebach u.ä. sind zuerst von dem die Mundart sprechenden Volke geprägt worden. Für den Volksmund aber ist die gespreizte Ausdrucksweise Stetsambach eine Unmöglichkeit. Jedoch auch dem Sinne nach ist die Entstehung des Wortes Stetzebach aus Stetsambach eine Unwahrscheinlichkeit. Denn Stetsambach müßte doch gedeutet werden als der stets am Bach hinführende Weg oder die stets am Bach stehenden Häuser. Aber dieser Umstand war dem Volke eine solche Selbstverständlichkeit, dass nicht anzunehmen ist, dass er der Anlaß zur Namensgebung wurde. Ehe noch ein richtiger Weg hier angelegt war, befanden sich sicher schon Häuser in dieser Gegend, und ehe die Häuser gebaut wurden, war schon der Bach vorhanden. Deshalb dürfte wohl vermutet werden, dass der Bach zuerst seinen Namen erhielt. Und dieser Bach war von solcher Beschaffenheit, dass Grund vorhanden war, ihm einen besonderen Namen zu geben. Die Leopoldstraße - wie der Stetzebachweg zu Ehren des coburgischen Prinzen Leopold, späteren Königs der Belgier, des Begründers der Leopoldstiftung, genannt wurde - bildet eine Talmulde, in welche an ihrem oberen Ende mehrere Talmulden einmünden: Pilgramsrot, Lange Gasse und Probstgrund mit Weinstraße. In allen diesen Talrinnen befinden sich Quellen, welche in den sogenannten Brunnenstuben gefaßt waren und die die Laufbrunnen der Leopoldstraße und wohl auch noch andere Brunnen der inneren Stadt speisten. Die Quellbächlein vereinigten sich in der oberen Leopoldstraße zu einem Bach, der stets Wasser führte. Dieser Bach dürfte infolgedessen der "stete Bach", d.h. der stets Wasser führende Bach genannt worden sein. Aus Stetebach ist dann Stetzebach (wie aus Haardt = Harz u.ä.) geworden. Der Bach aber gab dem Weg bzw. dem Stadtteil den Namen, ähnlich wie der Füllbach den Dörfern Ober- und Niederfüllbach, die Lauter den Orten Ober-, Unter- und Tiefenlauter, wie die Rodach der Stadt Rodach und ähnliche; auch die Chronik spricht von dem Stetzebach und der nach ihm benannten Vorstadt. In den mir vorliegenden "Coburger Annalen" vom Jahre 1833 ist jedoch die Schreibweise Stetsambach angewandt. Der Coburger Mundartdichter Fritz Hofmann, dessen Gedenktafel an seinem Geburtshause in der Leopoldstraße angebracht ist, sagt dagegen in seinem "Quackbrünnla": "Da ho ich mein Krug an en'n Finger gehengt und bin barbes en Schtatzaboch nunter gesprengt". (Quackbrünnla Seite 3, Nr. 14.) In früheren Zeiten betrieben viele Coburger Bürger, wenn nicht ausschließlich, so doch neben ihrem Handwerk Landwirtschaft. In noch höherem Grade war dies wahrscheinlich bei den außerhalb der Stadtmauer angesiedelten, sogenannten Pfahlbürgern, also auch im Stadtteil Stetzebach der Fall. Für diese war deshalb in ältester Zeit, wo noch keine Brunnen in dieser Gegend vorhanden waren, der Stetzebach von allergrößter Bedeutung, und es war auch aus diesem Grunde natürlich, dass sie den für sie wichtigen Bach zuerst mit einem Namen belegten. Welche Wassermengen der Stetzebach zeitweilig führte, beweisen die Berichte der Chronik, in der Nacht des 5. Juli 1679 war so großes Wasser, dass alle Wiesen überschwemmt und die Fahrwege zerrissen wurden; im Stetzebach standen alle Keller voll Wasser. Im Jahre 1761 waren die Gewitter mit Wolkenbrüchen verbunden, so dass der Stetzebach in der nach ihm benannten Vorstadt bis an die untersten Fenster stand. Es mag also damals so ähnlich gewesen sein wie im Jahre 1926 am Gregoriustage, wo auch ein Wolkenbruch in der Gegend Eckardtsberg, Pilgramsrot, Leopoldstraße bis Ketschendorf niederging. 1783 im April war die Wassersnot im Stetzebach so groß, dass die Einwohner den Einsturz ihrer Häuser befürchteten. Im Jahre 1810 wurde der Stetzebach, welcher vorher die schwarze Allee - also wahrscheinlich im Stadtgraben - hinabfloß, wie die Chronik berichtet, durch einen "Dohlen" nach dem Ketschentor geleitet und ein Kanal angelegt, der die ganze Leopoldstraße bis zum Landgerichtsgefängnis durchzog. Auch berichtet die Chronik, dass man im Jahre 1706 auf dem Markte einen alten Dohlen gefunden habe, welcher von der Herrngasse zur Judengasse ging. Ehedem soll nämlich der Stetzebach diesen Lauf gehabt haben und das Haus Nr. 203 auf dem Markte eine Mühle gewesen sein. Der Stetzebach bildete offenbar früher eine tiefe Rinne. Das ist jetzt noch daran zu erkennen, dass verschiedene alte Häuser den Eindruck machen, als seien sie in den Erdboden eingesunken. Als der zuvor erwähnte Kanal angelegt wurde, mußte die Straße zum Teil höher gelegt werden und die Häuser kamen dadurch tiefer zu stehen. Vor dem Eintritt des Baches in den ausgemauerten Kanal am oberen Ende der Leopolstraße war vor ca. 100 Jahren der Stetzebach durch eine sogenannte Schütze abgeschlossen, so dass sich gegenüber dem Gefängnis eine größere Wassermenge sammeln konnte. Dieser Teil des Stetsebachs hieß Feuerteich und mag wohl in früheren Zeiten zu Feuerlöschzwecken gedient haben. Am Eingang zum Pilgramsrot war der Bach überbrückt.
Gegenüber dem Gefängnis hatte Hofschreinermeister Weidmann sein Bretterlager, so dass die Ansicht des offenen Grabens zum größten Teil nach der Straße zu verdeckt war. Dies benützte damals die männliche Kinderschar der Leopoldstraße, um bei höherem Wasserstand mit nackten Beinen in dem kühlen Wasser umherzuwaten oder einen Schutz, d.h. kleinen Querdamm zu bauen, der dann, wenn sich eine größere Wassermenge angesammelt hatte, wieder weggerissen wurde, um das angestaute Wasser auf einmal plötzlich abfließen zu lassen. Den Kindern machte dieses Spiel viel Vergnügen, weniger den Eltern, wenn die Kinder abends klitschnaß nach Hause kamen.
Einige Schritte oberhalb des Feuerteichs standen rechts am Bach zwei nebeneinandergebaute Scheunen meines Urgroßvaters, die dieser zu einem Wohnhaus umbauen ließ. Bei dieser Gelegenheit wurde von der Überbrückung beim Pilgramsrot an aus Quadersteinen ein überdeckter Kanal gebaut, der sich nach oben in zwei Kanalteile teilte, von denen der eine die Gewässer vom Probstgrund und der Langengasse, der andere die vom Pilgramsrot aufnahm. Dadurch gewann mein Urgroßvater an festem Grund und Boden so viel, dass der dreieckige Garten, der das genannte Wohnhaus umschloß, angelegt werden konnte. Das Wohnhaus (genannt "Die Kaffeemühle") ist inzwischen weggerissen worden, an seiner Stelle steht jetzt ein Kiosk. Die obere Leopoldstraße, die nach dem Friedhof führt, wurde damals im Volksmund "Pöpelgasse" genannt. Sie war wesentlich schmäler als zur Jetztzeit und teilweise noch steiler. Der Name Pöpelgasse war zwar nicht schön, dürfte kulturhistorisch aber infolge von Interesse sein, als er vermuten läßt, dass in der Zeit, in welcher die Gegend noch wenig bebaut war, der schmale Weg zwischen den Hecken in der Dunkelheit für unheimlich gehalten wurde, denn ein "Pöpel" war im Volksmund ein Gespenst. Vielleicht interessiert es auch manchen, dass auch die untere Klinge, als sie noch ein schmales Heckenweglein war, "Pöpelgässle" genannt wurde. Das letzte bewohnte Haus war vor ca. hundert Jahren das Gefängnis, wo die Kinder hinter den vergitterten Fenstern wer weiß welche Schwerverbrecher vermuteten und mit ängstlicher Scheu die sich mitunter zeigenden Gesichter betrachteten. Am Eingang zum Probstgrund standen noch einige Scheunen des Hofschreinermeisters Weidmann und am Eingang zum Pilgramsrot befand sich ein scheuenartiges Gebäude, das dem Tünchermeister Fugmann als Werkstätte und Stangen- und Bretterniederlage diente. Dort, wo im Pilgramsrot die Straße ansteigt, zog sich ein tiefer Graben hin, der später eingeebnet wurde.
Auf der Höhe des Pilgramsrots befand sich die lange Scheunenreihe, die meines Wissens vor genau vierzig Jahren durch Feuer vernichtet wurde. Der ersten Scheune gegenüber besaß Tüncher Luthardt ein kleines Häuschen, einige Schritte weiter oben betrieb Pfaff eine Gärtnerei, dann kam rechts eine einzeln stehende Scheune, hundert Schritt weiter auf der linken Seite ein paar kleine Häuser und damit war das Ende des bewohnten Stadtgebiets erreicht. In der Langen Gasse betrieb der alte Schöppach eine kleine Wirtschaft, die namentlich zur Pfingstzeit häufig aufgesucht und in der Apfelwein verzapft wurde. Im Probstgrund stand auch eine einzelne Scheune und ganz hinten schon auf halbem Weg zur Festung noch einige kleine Wohnhäuser. Vor hundert Jahren trug die Leopoldstraße noch ein ländliches Gepräge. Der Fahrweg war chaussiert und auf der Nordseite befand sich ein gepflasterter Fußweg. Von Zeit zu Zeit wurde der Fahrweg mit etwa kinderfaustgroßen Steinen beschottert. Von Bedecken mit Kleinsteinschlag oder Sand wußte man damals noch nichts. Oft sah man Arbeiter mit Drahtschutzbrillen am Wege sitzen, die die Kalkbruchsteine mit einem Hammer zerkleinerten und dann in die Steinmaße füllten, nach denen die Arbeit bezahlt wurde. Fritz Hofmann bringt in seinem Quackbrünnla folgendes diesbezügliches Schnadahüpfl: "Was? Schtäh soll ich klopf zur Schossee? Ich? Oho! so viel ich zum Lafen brauch, sennera do!" (S. 16, Nr. 88). Auf der Südseite der Leopoldstraße befanden sich zwei Laufbrunnen mit großen Holz-, später Eisentrögen, von denen die Chronik erzählt, dass im Jahre 1618 die Brunnkasten in der Ketschengasse und im Stetzebach von Holz erbaut wurden. An dem eisernen Ausflußrohr des Brunnens war eine Kette mit einem Trinkbecher befestigt. Von den Kindern wurde aber dieser wenig benutzt. Meist brachten sie den Mund unmittelbar an das Ausflußrohr, wenn sie trinken wollten und Durst hatten sie ja immer! Oft hielten sie auch mit der Hand das Ausflußrohr teilweise zu, so dass das Wasser über die halbe Straße hinwegspritzte, oder machten sich ein Vergnügen daraus, aus dem Wasser die langen grünen Schlammfäden herauszufischen. Der eine Brunnen befand sich an der Ecke Leopoldstraße - Hinterer Marstall, der andere dem Haus Nr. 23 gegenüber. Von Haus Nr. 30 bis Nr. 38 war der Garten des Geheimrats Hofmann, der nach der Straße zu durch einen Bretterzaun abgeschlossen war. Nur gegenüber dem Evangelischen Gemeindehaus war diese Bretterfront durch das Wohnhaus des Geheimrats Hofmann, jetzt von Schultes'sche Erben, unterbrochen. In der von einer Mauer umgebenen Nische stand eine Pumpe; dort befand sich auch eine Türe, die zum Garten führte und ein Einfahrtstor für die im Garten stehende Scheune, die später von dem Korbhändler Schindhelm angekauft und zu einem Wohnhaus umgebaut wurde. Vor den beiden Häusern Nr. 47 und 49, die beide meinem Urgroßvater gehörten, befand sich eine doppelseitige Freitreppe. Das Haus Nr. 45 war damals nur ein scheunenartiges Gebäude, das als Werkstatt benutzt wurde. Dahinter und zum Teil daneben befand sich der Kuhstall meines Urgroßvaters. Das Haus Nr. 25 bewohnte damals der Hoftheaterintendant Becker; der zu dem Haus gehörige Garten stand in Verbindung mit dem Garten der Villa Grahl im Hofgarten. Das Haus Nr. 31 wurde als Scheune benutzt, in der mit dem Flegel gedroschen wurde. Manchmal diente die Tenne auch als Schlachtraum für eine Kuh. Ebenso befand sich an der Ecke der Leopoldstraße-Queckbrunngasse eine Scheune, an deren Stelle später ein Haus (jetzt Gastwirtschaft und Metzgerei Steiner) errichtet wurde. Das Schlößchen der Herzogin Alexandrine (Bulgarenvilla im Hofgarten) wurde in jener Zeit errichtet und der vor dem Schloß befindliche Teich ausgegraben. Im allgemeinen sah man damals in der Leopoldstraße nur ältere Gebäude. Das obenerwähnte Haus Nr. 31 hatte seinen nach der Straße zu stehenden Giebel so weit vorgeneigt, dass wegen der Einsturzgefahr eine gründliche Reparatur vorgenommen werden mußte.
Manche der alten Häuser in der Leopoldstraße stammen wohl noch aus der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg und gehören zu jenen, welche, als im Jahre 1632 vor dem Steintor und im Stetzebach 17 Wohnhäuser vom Feind niedergebrannt wurden, von dem Feuer verschont blieben. Vor hundert Jahren wurde die Leopoldstraße noch nicht als vollwertige Stadtgegend angesehen, und sie wurde oft als die Gegend bezeichnet, wo die Füchse sich gute Nacht sagen. Böse Zungen behaupteten sogar, man müsse, um Mitglied der Gemeinde Stetzebach zu werden, unbemerkt in der Mittagsstunde eine Gartentüre stehlen. In der Hauptsache wohnten in der Leopoldstraße sogenannte kleine Leute, und da erging es ihnen wie den Bewohnern des Kanonenwegs, der das Außendorf genannt wurde, woraus dann "Mausendorf" entstanden ist. Nun, vornehm waren die Leute in der Leopoldstraße damals nicht. Sie wohnten nicht im Parterre oder in der ersten oder zweiten Etage, sondern unten drin oder ein oder zwei Stiegen hoch. Aber trotzdem war es eine Lust, gerade im Stetzebach seine Jugend verleben zu können. Denn von den Beschränkungen, die der Verkehr im Innern der Stadt mit sich brachte, war das Leben in der Leopoldstraße damals noch verschont. Die Kinder spielten ihre Reigen- und Ballspiele auf der Straße, und im Winter war in der oberen Leopoldstraße Hochbetrieb mit Schlitten- und Schlittschuhfahren. Die Kinder der Leopoldstraße wuchsen infolgedessen fast wie auf dem Dorfe auf.
Das Barfußgehen war bei der Jugend allgemein gebräuchlich, wie Fritz Hofmann in seinem Quackbrünnla sagt: "Ja barbes, wie's Mode im Schtatzabach is, dös macht feste Knochen und schtaharta Füß." (S. 3, Nr. 15) Oft trugen die Schulkinder aus ärmeren Familien ihre Schuhe in der Hand und zogen sie erst vor der Schule an und nach dem Unterricht für den Heimweg wieder aus, um die teueren Sohlen zu schonen. Als Fußbekleidung trugen nur die Mädchen Schnürstiefel, die Knaben dagegen ebenso wie die Erwachsenen sogenannte Schaftstiefel, und wenn der Knabe zu Weihnachten seine ersten Schaftstiefel erhielt, war er stolz darauf und fühlte sich erst als richtiger Junge, denn ein Knabe mit Schnürstiefeln wurde nicht für voll genommen von den Kameraden.
Auch sonst trug die Leopoldstraße damals noch dörfliches Gepräge. Es bestanden dort noch mehrere landwirtschaftliche Betriebe, abgesehen davon, dass eine größere Anzahl der Bewohner sich ein oder zwei Ziegen hielten. Das Haus Nr. 43 hat noch die zweigeteilte Türe, die man vielfach auf dem Lande sieht, in der Stadt aber wohl nicht mehr antrifft. Meist am Abend wurde mit dem Wagen, vor dem eine Kuh gespannt war, das nötige Grünfutter geholt. Pferdegespanne sah man in der Leopoldstraße selten, es sei denn, dass die herzoglichen Kutschen, welche mit den bekannten graubraunen Pferden, deren glänzende Geschirre weithin leuchteten, bespannt waren und die von goldbetreßten Kutschern, von Lakaien begleitet, gelenkt wurden, durch die Leopoldstraße zum Schlößchen der Herzogin Alexandrine fuhren. Im Herbst, wenn das Grummet eingefahren war, wurde das Rindvieh nach den Wiesen am Eckardtsberg getrieben. Wurde dann abends das Vieh zum Stall zurückgebracht, so eilten oft die jungen Kühe im Lustgefühl der ihnen so selten zugestandenen Freiheit im Galopp die Leopoldstraße hinab. In alter Zeit ist im Gebiet der Vorstadt Stetzebach verhältnismäßig viel Wein gebaut worden. So erzählt die Chronik, dass im Jahre 1679 414 1/4 Eimer in diesem Stadtteil geerntet wurden, das heißt fast ein Drittel der Ernte des ganzen Stadtgebietes. Aber der Weinbau in der Coburger Gegend, an den noch die Weinstraße erinnert, ist wohl wenig lohnend gewesen. Und was die Qualität anbetrifft, so mag der Coburger Wein dem Jenenser ähnlich gewesen sein, von dem das Studentenlied sagt: "Tut er gleich die Strümpfe flicken und den Hals zusammendrücken, ist er doch zur Bowle recht."
Im unteren Teil der Leopoldstraße bestand damals eine Bäckerei (Haus Nr. 18). Der damalige Inhaber des Geschäfts, der alte dicke Gundermann, saß fast den ganzen Tag am Fenster und verkaufte seine Ware meist direkt durch das Fenster auf die Straße. Die Frauen machten damsls den Brotteig selbst zurecht und brachten ihn in den sogenannten Schanzen zum Bäcker. Mittags holten die Kinder die Brote beim Bäcker ab und zahlten das Backgeld. Backwerk vom Bäcker wurde wenig gekauft, meist nur Semmeln und die mit Kümmel bestreuten Laibchen, in der Fastenzeit auch Brezeln. Kuchen gab es nur an den Oster-, Pfingst- und Weihnachtsfeiertagen oder bei besonderen Festlichkeiten wie Hochzeiten usw. Später siedelte sich noch ein Bäcker an im Hause Nr. 25. Das Haus neben Gundermann gehörte dem Kammacher Schäftlein. Er verfertigte die früher gebräuchlichen Horn- und Holzkämme und betrieb eines von jenen Handwerken, die damals schon auf dem Aussterbeetat standen und ganz und gar aus Coburg verschwunden sind. Ein Metzgerladen befand sich damals noch nicht in der Leopoldstraße, und die Stetzebacher mußten ihre Fleisch- und Wurstwaren in der inneren Stadt einkaufen. Die einzige Gastwirtschaft, die in der Leopoldstraße bestand, war die von Lepke, jetzt Evangelisches Gemeindehaus. Aber auch in dieser war kein großer Betrieb. Zu dem Wirtschaftsgarten führte eine Treppe hinauf. Dort befand sich ein größerer Saal mit Galerie, wo mitunter fahrende Künstler ihre Vorführungen veranstalteten. Ein kleiner Kolonialwarenladen befand sich im Hause Nr. 30. Da er aber gar nicht so häufig in Anspruch genommen wurde und der Umsatz infolgedessen nicht groß war, mußte der Inhaber Glaser es beim Verkauf sehr genau nehmen, wenn er nicht zu Schaden kommen wollte, was ihm den Spottnamen "Zwick" einbrachte. Zwei Leineweber betrieben in der Leopoldstraße ihr mühsames Gewerbe, denn es wurde damals in vielen Häusern noch gesponnen und hausgemachte Leinwand stand noch in Ehren. Reichtümer konnte sich solch ein Leineweber selbst bei größtem Fleiß nicht erwerben, und die Ehefrau des einen ging trotz ihres Beinleidens mit Wolle und Zwirn hausieren, um sich noch ein paar Pfennige dazu zu verdienen. Man mußte alle Achtung davor haben, wie diese Leute sich geplagt und gespart haben, um sich durchzuschlagen und einen Notpfennig für das Alter zurückzulegen. Ein Herr Hess stellte aus Altpapier Tüten her, weshalb er Tütenhess genannt wurde. Er gab wohl Anlaß zu der Coburger Redensart "Tüten macht der Hess, wenn es Papier hat", die man anwandte, wenn man sagen wollte, dass etwas nicht durchführbar war. Aus reinem weißem Papier Tüten herzustellen oder es zum Einwickeln zu verwenden, würde man damals für Verschwendung gehalten haben. Höchstens die größeren Metzgergeschäfte geben etwas von dem gelben Strohpapier, das man jetzt nicht mehr sieht, für Wurst oder Fleisch dazu, meist aber wurde Wurst und Fleisch in den blanken Korb gelegt. Ebensowenig erhielt man beim Bäcker Papier oder eine Tüte, man mußte sein "Krätzle" (Korb) mitbringen, wenn man das Backwerk nicht in den Händen heimtragen wollte. Meist wurde von den Geschäftsleuten nur bei Körnern oder gestoßener Ware, wie Zucker, Salz usw. eine Tüte mitgegeben. Die Butter wurde von den Bauersfrauen im Meerrettichblätter eingeschlagen und so verkauft. Auch sonst war man sehr sparsam mit dem Papier. So benützte mein Urgroßvater die alten Theaterzettel als Löschblatt für seine Geschäftsbücher, und oft wurde der Rand der Zeitung für Notizen und zum Rechnen benutzt. Auch die Schiefertafel fand noch vielfach außer der Schule Verwendung. Sie mußte das Notiz- und Merkbuch ersetzen. Die Tageszeitung wurde meist im Zirkel gelesen und dieser umfaßte oft die Leute aus der halben Straße. Man nahm es damals nicht so genau, wenn man die "neuesten Nachrichten" erst am nächsten Tag oder noch später erfuhr. Viel gelesen wurde die Hildburghäuser "Dorfzeitung" mit ihrem "Beiwagen" (so hieß die Beilage). Mein Vater mußte sie von der Realschule aus, die sich zu dieser Zeit im Hause der jetztigen Staatsschule für Hoch- und Tiefbau befand, ein ganzes Jahr von der Post abholen und zwar in der Freiviertelstunde. Die Post war im Hause der Bayerischen Staatsbank am Steinweg; dafür bekam mein Vater als Jahreslohn von seinem Großvater eine Gulden(1,70 M). Drei Tünchergeschäfte wurden in der Leopoldstraße betrieben; deren Bretter und Stangen lagerten oft auf der Straße, und häufig wurde auch der gebrannte Kalk in großen flachen Trögen neben der Pumpe gelöscht. Große Freude machte es den Kindern, wenn für die Tüncher Sand angefahren wurde: da wurden dann Höhlen und Burgen gebaut. Die vielen umliegenden Gärten verlockten die Kinder zum Obst-"stupfeln". Die Knaben, die sich ihren Kameraden gegenüber erfolgreicher "Stupfeleien" rühmen konnten, standen in hohem Ansehen. Mitunter setzte es eine Tracht Prügel, wenn der Eigentümer des Gartens dazu kam, aber das wurde hingenommen und totgeschwiegen, denn wenn es die Eltern erfuhren, setzte es die zweite Auflage.
(Dieser Artikel, der an dieser Stelle nur teilweise wiedergegeben wird erschien in den Nordfränkischen Monatsblättern Ost 1954.)