Jahrhunderthochwasser in Coburg
Anfang Februar 1909 wurde Coburg und das Coburger Land von einer schweren Jahrhundertflut heimgesucht. Plötzlich steigende Temperaturen, gepaart mit starken Regenfällen, ließen den Schnee im Thüringer Wald rasch schmelzen. Wie stark der Regen war, zeigt diese Aussage eines Coburgers: „Durch das plötzlich einsetzende Tauwetter und den anhaltenden Regen war heute morgen die Straße Pilgramsroth in einen tosenden wilden Gebirgsbach verwandelt.“ Flüsse und Bäche konnten die Wassermassen von Regen und Schnee nicht aufnehmen. So schwoll ab dem 4. Februar der Wasserstand der Itz und seiner Nebenflüsse stark an. Um zwölf Uhr mittags maß man an der Mohrenbrücke einen Pegelstand der Itz von 2,40 Metern (normal 0,40 Meter). Drei Stunden später erreichte er bereits 3,40 Meter an gleicher Stelle. Die Stadtverwaltung rief noch am gleichen Tag Katastrophenalarm aus. Als erste Maßnahme wurde der Unterricht an allen Coburger Schulen abgebrochen und die Schüler nach Hause geschickt, da man befürchtete, dass die Kinder durch die Flut nicht mehr nach Hause gelangen könnten. Zeitgleich erfolgte die polizeiliche Sperrung aller Coburger Itzbrücken, mit Ausnahme der Ketschenbrücke (heutige Schlachthofbrücke), wegen akuter Einsturzgefahr. Doch es sollte noch Schlimmeres bevorstehen.
Bereits um zehn Uhr abends konnte der Verkehr zum Bahnhof nicht mehr aufrechterhalten werden, da zu diesem Zeitpunkt das Wasser am Bahnhofsplatz bereits 1,20 Meter hoch stand. So blieb den Bahnreisenden von außerhalb nichts anderes übrig, als im Bahnhofsgebäude auf eine Verbesserung der Lage zu warten. Um nicht im Bahnhof übernachten zu müssen, errichtete die Pionierabteilung des hier in Coburg stationierten 6. Thüringer Infanterie-Regiments Nr. 95, zwei Notbrücken zum Bahnhofshotel und zum Hotel „Reichsgraf“. Beide Häuser boten den Reisenden eine Unterkunft für die Nacht.
Am 5. Februar, um ein Uhr morgens, erreichte der Pegelstand an der Heiligkreuzbrücke mit 4, 15 Metern seinen Höhepunkt. Was das Wasser allerdings anrichtete sah die Bevölkerung erst am nächsten Morgen. In den Häusern der Bahnhof-, Kreuzwehr-, Löwen-, Heiligkreuz- und Mohrenstraße (bis zum heutigen Kaufhof) war das Wasser in das Erdgeschoss eingetreten und hatte Ladengeschäfte, Büros und Wohnungen zerstört. Das gleiche Schicksal erlebten die Bewohner der Seifartshof- und Viktoriastraße, sowie der unteren Judengasse, des Zinkenwehrs und des Ernstplatzes. Teilweise von der Flut heimgesucht wurden die Mühl- und Walkmühlgasse. Die Freiwillige Feuerwehr war pausenlos im Einsatz, vollgelaufene Keller leer zu pumpen und größeren Schaden zu verhindern. Unterstützt wurde sie von der Sanitätskolonne Coburg und Mitgliedern der Coburger Stadtverwaltung. Umso erleichterter war man als im Laufe des Tages das Hochwasser langsam zurückging. Nichtsdestotrotz war der Postverkehr weiterhin erheblich gestört und alle Coburger Schulen geschlossen. Teilweise waren auch die Schulgebäude (beispielweise die Heiligkreuz- und Rückertschule) den Fluten zum Opfer gefallen.
Der 6. Februar brachte bereits eine große Entwarnung. So schnell das Hochwasser kam, so schnell ging es wieder zurück und so konnten viele überflutete Straßen wieder passiert werden. Auch der Schulunterricht konnte, mit Ausnahme des Unterrichts an der Heiligkreuz- und Rückertschule, wieder aufgenommen werden. Insgesamt wurde in der Folgezeit zwar zahlreiche Schäden an Brücken und Gebäuden festgestellt, doch Menschen kamen durch diese Naturkatastrophe nicht zu schaden. Die Auswirkungen auf den Landkreis waren wie folgt:
Ketschendorf.
Durch die Überflutung der Itz und des Rückstaus des Ketschenbaches kam es zur Überflutung des westlichen Ortsteils im Bereich des heutigen Postwegs und der Wassergasse. Vieh und Anwohner mussten evakuiert werden. Die Hauptverkehrsstraße von Coburg nach Bamberg (heutige Ketschendorfer Straße) konnte durch den Bau einer Notbrücke vor einer Überflutung bewahrt werden. Die Itzbrücke nach Ahorn stürzte infolge der Wassermassen teilweise ein.
Neuses bei Coburg:
Der Ort war mehrere Stunden von der Außenwelt abgeschnitten. Südöstlich des Ortes (Höhe Rodacher Straße) entstand ein See, welcher bis nach Coburg, an den Kanonenweg reichte.
Cortendorf:
Durch die starke Strömung wurde die Brücke hinter der Brauerei Scheidmantel (heutige Brücke an der Cortendorfer Straße) weggerissen.
Meschenbach und der Itzgrund:
In Meschenbach kam es zur Überflutung des Bahndammes. Der betroffene Bahnverkehr nach Rossach konnte aber aufrecht erhalten werden. Im Itzgrund bildete sich von Coburg bis Rattelsdorf ein großer See, welcher sämtliche Felder, Straßen und Brücken bedeckte.
Neustadt bei Coburg:
Die Stadt blieb weitestgehend von der Hochwasserkatastrophe verschont. Lediglich die Wohnhäuser, welche direkt am Fluss Röden angrenzten, standen unter Wasser und wurden beschädigt.
Oeslau und Mönchröden (heutiges Rödental):
Das Hochwasser überflutete die Rödenbrücke in Mönchröden, wodurch beide Ortsteile voneinander abgeschnitten waren. Der Bahnhof Oeslau (heute Bahnhof Rödental), die Domäne und die Kirche St. Johannis standen ebenfalls unter Wasser.
Das Rodachgebiet:
Das Gebiet zwischen Rodach, Großwalbur und Gauerstadt glich einem großen See. In Großwalbur zerstörte das Hochwasser eine Brücke und überflutete den Bahndamm der Strecke Coburg – Rodach. Der Sachschaden blieb allerdings gering.
Die Hochwasserkatastrophe vom Februar 1909 war jedoch kein lokales Ereignis. Die Flut hatte große Teile Thüringens, Frankens, Hessens, des Rheinlandes und des Elbegebietes bei Magdeburg heimgesucht. Heute wird die Stadt Coburg durch den Froschgrundsee, und in wenigen Jahren auch vom Goldbergsee bei Neuses, vor großen Hochwassern geschützt.