Seine Amtszeit als kommissarischer Oberbürgermeister von Coburg dauerte gerade mal 32 Tage. Trotzdem war Alfred Sauerteig einer der angesehensten Kommunalpolitiker Coburgs. Das lag vor allem daran, dass er die Stadt vor einer möglichen Zerstörung durch amerikanische Truppen im April 1945 bewahrte, indem er rechtzeitig die Kapitulationsbedingungen der Amerikaner akzeptierte und unterzeichnete. Diese Rettung vergaßen ihm die Coburger nie. Wer war dieser Alfred Sauerteig eigentlich? Er wurde am 15.10.1877 in Unterwohlsbach bei Rödental als Sohn des Landwirts Nikol Sauerteig geboren. Er verlebte seine Jugend bei den Großeltern in Oeslau (heute ist Oeslau ein Stadtteil von Rödental) und besuchte dort auch die Volksschule. Später erfolgte der Wechsel an das Coburger Gymnasium. Nach seiner Schulausbildung wurde Sauerteig Justizanwärter beim Amtsgericht in Coburg. Im Jahre 1905 wechselte er zur Coburger Stadtverwaltung über und wurde dort Stadtschreiber und stellvertretender Leiter des Polizeiamtes. Es schien als stände Alfred Sauerteig eine glanzvolle Karriere bevor, doch der Erste Weltkrieg beendete das berufliche Vorankommen erstmal. Er wurde eingezogen und kam 1918 als Leutnant der Infanterie, dekoriert mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse, zurück nach Coburg. Dort konnte er wieder in der Stadtverwaltung wirken. Neben dieser Tätigkeit begann er kommunalpolitisch tätig zu werden. So saß Sauerteig von 1919 bis 1921 für die linksliberale Deutsche Demokratische Partei (DDP) im Coburger Stadtrat. Außerdem setzte sich der spätere Stadtamtmann bei zahlreichen Vereinen und Verbänden für das Wohl der Allgemeinheit ein. Alfred Sauerteig war Vorstand der gemeinnützigen Spitalkasse, wirkte jahrzehntelang im Vorstand der angesehenen Turngenossenschaft, gehörte zu den aktiven Mitgliedern des Thüringischen-Gemeindebeamten-Verbandes und war seit 1922 Vorsitzender des Spar- und Hülfevereins, der später von der heutigen Hypovereinsbank übernommen wurde. Bei allen großen Veranstaltungen der Stadt Coburg ist er organisatorisch tätig gewesen. Auch als Historiker machte sich Sauerteig einen Namen, obwohl er sich selber nie als ein solcher bezeichnete. Sein bekanntestes Werk ist die „Coburger Zeitungsgeschichte“ in dem Sauerteig alle Coburger Zeitungen und Zeitschriften von 1715 bis 1948 wissenschaftlich aufarbeitete. Während der Zeit des Dritten Reiches führte er trotz großflächiger Säuberungen des Beamtenapparates das Coburger Personalamt, dem er schon zu Zeiten der Weimarer Republik vorstand, weiter, da er nicht ersetzt werden konnte. Im Jahre 1937 trat Sauerteig in die NSDAP ein, was ihm am Ende des Zweiten Weltkrieges zum Verhängnis werden sollte. Zwischen 1937 und 1945 tritt kaum in Erscheinung. Erst im April 1945 sollte er aus dem Dunkel hervortreten. Am 07. April 1945 befragte ihn der NS-Oberbürgermeister Greim ob er bereit sei, ihn zu vertreten. Sauerteig erklärte darauf hin, dass er die Stadt Coburg in dieser Zeit nicht im Stich lassen wolle, waren doch die amerikanischen Truppen schon auf dem Vormarsch Richtung Coburg. Als sich Greim am Abend des 09. April nach Bayreuth absetzte, wurde Sauerteig kommissarischer Oberbürgermeister. Der Stadtamtmann fand eine hoffnungslose Situation vor. Die Stadt musste einige Luftangriffe seitens der Amerikaner ertragen und an einer Verteidigung war aufgrund der wenigen Waffen nicht zu denken. Trotz des Führerbefehls die Stadt „bis zum letzten Mann“ zu verteidigen, entschloss sich Sauerteig zur Kapitulation. Am 11. April 1945 zogen die amerikanischen Truppen in Coburg ein. Gegen 12 Uhr des gleichen Tages unterzeichnete Alfred Sauerteig in der Regimentsstube des Coburger Rathauses die Kapitulation der Stadt. Die Amerikaner setzten ihn sogleich zum kommissarischen Oberbürgermeister ein. Doch als seine Mitgliedschaft in der Nationalsozialistischen Partei bekannt wurde, enthob die US-Militärregierung am 11. Mai 1945 Alfred Sauerteig seines Amtes und schickte ihn nach 50jähriger Tätigkeit bei der Stadt Coburg in den Ruhestand. Es sei noch zu erwähnen das Sauerteig es war, der den Coburger Mohr als Stadtwappen wieder einführte, nachdem dieser von Nationalsozialisten durch ein neues Wappen abgeschafft wurde. Trotz dieses Rückschlages genoss der ehemalige kommissarische Oberbürgermeister den Rückhalt und das Wohlwollen der Coburger Bevölkerung. Bei der ersten Stadtratswahl nach dem Kriege, im Jahre 1946, zog er in dieses Gremium ein und wirkte dort unter anderem im Verwaltungssenat. Zuletzt gehörte er der Fraktion des Coburger Volksbundes, dem Vorgänger der Freien Wähler, an. 1960 zog er sich aus der aktiven Politik zurück. Seinen wohlverdienten Ruhestand konnte Alfred Sauerteig allerdings nicht mehr genießen. Er starb am Neujahrstag 1961 im Alter von 83 Jahren in Coburg. In seinem Arbeitszimmer hing jahrzehntelang eine Glasmalerei mit einem Zitat aus Goethes Faust. Dort war zu lesen: „O glaube mir der manche tausend Jahre an dieser harten Speise kaut, dass von der Wiege bis zur Bahre kein Mensch den alten Sauerteig verdaut.“ Vielleicht charakterisiert dieses Zitat Alfred Sauerteig am besten. Aufgrund seiner Verdienste um die Stadt Coburg benannte man im Jahre 1987 den kleinen Park vor dem Portikusbau des Ernst-Alexandrinenbades in Alfred-Sauerteig-Anlage um. Dort ist auch eine Gedenktafel aufgestellt, die an diesen bedeutenden Kommunalpolitiker erinnert soll.