Der Gurken-Alex (Beitrag vom 05.06.2010)

#1 von Christian , 04.06.2010 08:28

Heuer jährt sich zum 50. Male der Todestag eines der berühmtesten Coburger Originale. Die Rede ist hier von Alexander Otto, den alle nur unter seinem Spitznamen „Gurken-Alex“ gekannt haben. Der „Gurken-Alex“ war seinerzeit eine stadtbekannte Persönlichkeit. Er fehlte auf keiner Kirchweih, es gab kaum ein Gasthaus, in dem er nicht ein Stammgast war und auf dem Coburger Schützenfest, dem Vogelschießen, war er nicht wegzudenken. Immer wenn in Coburg etwas feierliches geschah, war auch der „Gurken-Alex“ vor Ort. Geboren wurde Alexander Otto am 26. August 1884 im Hause Steinweglein Nr. 1 in Coburg. Das Steinweglein ist die kleine Gasse die von der Ketschengasse (zwischen den Modegeschäften Faulhaber und Reuther) hinauf zum Gymnasium Casimirianum führt. In dem bescheidenen Häuschen sollte Otto sein ganzes Leben verbringen. Nachdem er die Schule beendet hatte, begann er eine Lehre zum Buchbinder bei der Buchbinderei Heinrich Schade in der Judengasse. Diesem Beruf blieb er aber nicht lange treu. Womöglich trieb ihm die Arbeitslosigkeit dazu, mit 25 Jahren in das ambulante Gewerbe einzusteigen. Ab sofort wurde ein kleines Köfferchen, in dem er Schnürsenkel, Rasierklingen, Bonbons, Schokolade und vieles anderes mehr aufbewahrte sein Markenzeichen. Er selbst nannte den Koffer liebevoll „seinen Laden“. Damit zog er von Haus zu Haus um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Zeit seines Lebens blieb aber der „Gurken-Alex“ ein verarmter Mensch. Geheiratet und Kinder gezeugt hatte er nie. Wenn nun die Zeit der Kirchweihen und der Sommerfeste kam, vertauschte der „Gurken-Alex“ den Koffer mit einem Gurkenfass und pries die Gurken mit „Kümmerlinge, Kümmerlinge“ den Menschen an. Die Gurken stammten von der Neuseser Konservenfabrik Emmerling & Pfister, bei der Otto aber nicht angestellt war. Insgesamt trug ihm diese Tätigkeit den Spitznamen „Gurken-Alex“ ein. Aber wirklich berühmt wurde er durch seine Gabe, phantasievolle und witzige Steigreifreden zu halten. So konnte man bei ihm viel über das kommende Wetter hören, da er „fast genau jedes Wetter“ fühlte. Er berichtete über sein Amt als Vorsitzender des „Preisskat-Kollegiums“ von Coburg und Umgebung und philosophierte über die „Weihnachtsfeenwunderkerze“, die eine starke Weiterverbreitung der Verdienstfestsetzung erfahren hat.“ Trotz seiner geringen Körpergröße und der stets zwei Nummern zu großen Bekleidung, die er trug, besaß er eine große Schlagfertigkeit, die ihn bei der Coburger Bevölkerung beliebt machten. Das brachte ihm sogar Auftritte auf diversen Faschingsveranstaltungen und sogar einer kleinen Rolle im Landestheater ein. Der Alex nahm dies mit Humor, obwohl seine Lebensverhältnisse von Jahr zu Jahr immer schwieriger wurden. Die schwierigen Zeiten wie die Weltwirtschaftskrise, der Zweite Weltkrieg und der schwierige Neuanfang nach 1945 taten ihr Übriges dazu. In ärmlichen Verhältnissen starb der „Gurken-Alex“ am 23. März 1960 im Alter von 75 Jahren. An seiner Beerdigung drei Tage später nahmen zahlreiche Coburger teil. Der Zweite Bürgermeister Reichenbecher hielt sogar die Trauerrede. Auch in den folgenden Jahren blieb der „Gurken-Alex“ unvergessen. Daher entschloss sich die Coburger Faschingsgesellschaft „Narhalla“ im Jahre 1984 dem Alex ein Denkmal zu errichten. Heraus kam ein Brunnen, der 1985 in der Herrngasse, vor dem Haus Nr. 13, eingeweiht wurde. Für den Brunnen kam seinerzeit eine Spendensumme von 55.000 DM zusammen. Auch das ist ein Beleg dafür, wie sehr der „Gurken-Alex“ in den Köpfen der Coburger hängen blieb. Zu seinem 100. Geburtstag ließ ebenfalls die „Narhalla“ an seinem Geburts- und Sterbehaus im Steinweglein eine Gedenktafel anbringen. Auch sie erinnert an den „Gurken-Alex“ dem bekanntesten Coburger Original.

Bildquellen:
Bild 1: Der Gurken-Alex bei einem Besuch der Gaststätte Zollhof in den 1950er Jahren (Sammlung Historische Gesellschaft Coburg)
Bild 2: Das Wohn- und Geburtshaus des Gurken-Alex im Steinweglein (Foto: Christian Boseckert, 2010)
Bild 3: Die Gedenktafel am Hause des Gurken-Alex (Foto: Christian Boseckert, 2010)
Bild 4: Der Gurken-Alex-Brunnen in der Herrngasse (Foto: Christian Boseckert, 2010)

Angefügte Bilder:
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 Eingang Steinweglein 1.jpg   Gurken Alex Zollhof.jpg   Gurken Alex.jpg   Steinweglein 1.jpg 
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RE: Der Gurken-Alex (Beitrag vom 05.06.2010)

#2 von Jürgen , 04.06.2010 11:40

Danke, Christian,
da kommen alte Erinnerungen wieder auf! Es war immer ein großes Hallo, wenn der Gurken-Alex in der Kneipe auftauchte und seine Waren anpries. Wie oft haben wir bei ihm "eingekauft" und ihm dann die Waren zum weiteren Verkauf geschenkt (ich glaube, Streichhölzer waren sein "Schlager"). Dann kam meist der Knüller: Irgendjemand hatte mit Sicherheit ein Thema im Hinterkopf, über das der Gurken-Alex "referieren" sollte. Also bekam er erst mal ein Bier, wurde dann mit seinen "kleinen" Füßen (ich schätze mal, seine Schuhgröße war bestimmt 46 bis 48) auf einen Stuhl oder einen Tisch gestellt und schon gings los. Gurken-Alex wussdte zu jedem Thema etwas zu sagen - es war oft der Höhepunkt einer Kneipentour. Schade, dass er so bald gestorben ist und ich bedauere all jene, denen es nicht vergönnt ist oder war ihn persönlich kennen gelernt zu haben


LG
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RE: Der Gurken-Alex (Beitrag vom 05.06.2010)

#3 von Cophila , 04.06.2010 12:03

Die Ehrung von "Gurken-Alex" kann man mit dem typisch ' Coburgischen Zynismus ' vergleichen.

Einem Mann der damals (und vielleicht auch noch heute) verächtlich mit mitleidvoll belächelt wurde und meist die Gesellschaft (durch seine Hausierermanier) störte. Während die Coburger Herrschaft in den Wirtshäusern Karten spielte oder sich am Stammtisch philosophisch unterhielt, kam ungelegen der "Gurken-Alex" dazu und wollte ein paar Schnürsenkel verkaufen.

Obwohl er schon damals einen Anspruch auf gesetzlicher Sozialhilfe hatte, ging er bewusst nicht dorthin, weil er ganz genau wußte, das man in Coburg dort nur zusätzlich veräppelt wird. Und daran hat sich bis heute nichts geändert.

Das "Gurken-Alex"-Denkmal hat eine Alibifunktion, um dem Besucher vorzutäuschen, wie angeblich moralisch schön und originell es doch in Coburg so zugeht.

 
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RE: Der Gurken-Alex (Beitrag vom 05.06.2010)

#4 von Christian , 04.06.2010 15:21

Andererseits finde ich es gut, das es dieses Denkmal und diese Tafel gibt. Sie erinnern schließlich daran, dass es in Coburg nicht nur Reiche gab, sondern auch noch Leute die um das tägliche Überleben kämpfen mussten.

Christian  
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RE: Der Gurken-Alex (Beitrag vom 05.06.2010)

#5 von Cophila , 06.06.2010 11:50

Zitat von Christian
Sie erinnern schließlich daran, dass es in Coburg nicht nur Reiche gab, sondern auch noch Leute die um das tägliche Überleben kämpfen mussten.



Was ist schon reich

Gäbe es übrigens in Coburg keine Supermärkte, welche den Abfall (der zum Teil noch genießbar ist) an Bedürftige verschenken und diese ihn dankbar annehmen, müssten heutzutage viele Personen in Coburg möglicherweise verhungern.

Die Stadt (ein besonderes Pflaster mit einem trügerischen Schein) schaut in erster Linie auf ihre Bürokratie und Statistik. Der verstorbene Jürgen Otto sagte mal zu mir, "... und von der Kirche bekommst du erst recht nichts, die wollen auch nur".

 
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RE: Der Gurken-Alex (Beitrag vom 05.06.2010)

#6 von SGCoburg , 07.06.2010 22:43

Danke für das Werbephoto ganz rechts!

 
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RE: Der Gurken-Alex (Beitrag vom 05.06.2010)

#7 von Jürgen , 08.06.2010 10:13


LG
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RE: Der Gurken-Alex (Beitrag vom 05.06.2010)

#8 von Hartmut , 28.10.2010 11:09

Ich möchte den Bericht von Christian durch ein Bild (Aquarell) ergänzen, das mein Onkel Paul Hans gemalt hat.
Mein Onkel hat die meiste Zeit seines Lebens in den USA verbracht. Offensichtlich ist er irgendwann anlässlich
seines Besuchs in Coburg, dem Gurken-Alex über den Weg gelaufen, was ihn zu diesem Bild inspiriert hat.


Angefügte Bilder:
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 Gurken-Alex2.jpg 
 
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zuletzt bearbeitet 28.10.2010 | Top

Der Gurken-Alex (Beitrag vom 05.06.2010)

#9 von Rolf Metzner , 08.08.2017 11:15

Habe gestern folgende Mail erhalten (siehe hierzu auch Eingangsartikel von Christian: ".......Geheiratet und Kinder gezeugt hatte er nie........"):

Hallo Herr Metzner !

Sie sind am 13.August 1947 und ich am 11.08.1942 geboren.
1; Darf ich ihnen schon heute zu ihrem 70.Geburtstag Gottes Segen wünschen ?

2; Der Gurkenalex hatte eine Tochter, ihr Name: Anna Otto geb am 28.03.1926 in Coburg. Diese Information habe ich von der Anna Marterer geb. OTTO . Sie ist verstorben in Kulmbach, im Jahre 2008!
Sie war verheiratet mit meinem Vater Arthur Marterer .
In dem Magazin (Forum) steht nämlich, dass der Gurkenalex nicht verheiratet war und somit keine Kinder hatte.
Ich bin der Sohn aus meinem Vater seiner 2.Ehe.
Sollten sie noch Fragen haben, bin ich sehr gerne bereit diese zu beantworten.-per Email oder telefonisch: 0951/96431151 .

L.G. Dieter Marterer


Habe heute (09.08.2017) von Herrn Dieter Marteter noch ergänzend erfahren:
Anna Otto, verheiratete Marterer, hatte 5 leibliche Kinder, also hat "Gurken-Alex" (zumindest) 5 Enkel.
Diese 5 Kinder/Enkel (2 x weiblich, 3 x männlich) sind allesamt in Coburg geboren, und zwar 1953, 1955, 1959, 1961 und 1964.
Mir sind die Namen und exakten Geburtsdaten von allen bekannt, die ich aber hier wegen der Persönlichkeitsrechte nicht einstellen möchte!


 
Rolf Metzner
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zuletzt bearbeitet 09.08.2017 | Top

   

Coburger Oberbürgermeister - Ludwig Meyer (Beitrag vom 05.12.2009)
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