Eines der wohl schönsten Standesämter Deutschlands befindet sich im Coburger Bürglaßschlößchen. Ein Vorgängerbau stand auf dem Platz des Schlösschens schon im Jahre 1521, der damals im Besitz einer Familie Gottsmann aus Neuhaus zu Thurn war. Sie besaßen das Anwesen bis 1611. Dann kam es an Herzog Johann Casimir von Sachsen-Coburg und dessen Nachfolger, 1654 an den Rittmeister Johann Georg von Bachstedt, der das Gottsmann´sche Haus als sehr baufällig bezeichnete und es reparierte. Bachstedt erwarb 1658 auch das Nebenhaus Oberer Bürglaß Nr. 3 (heute Seniorentreff der Stadt Coburg). Im Jahre 1690 ging das Gottsmann´sche Haus an den Jägermeister und Kammerjunker Wilhelm von Witzleben und 1699 wieder an die von Bachstedt. Schließlich verkaufte die Familie das Gebäude im Jahre 1721 an Nicolaus Dietrich von Henniges auf Rothenhof. Der wiederum veräußerte das Grundstück 1734 an die Herzogin Elisabeth Sophia von Sachsen-Coburg-Saalfeld, die es schließlich 1737 an den Kaufmann Friedrich Matthäus Scheler verkaufte.
Erbprinz Ernst Friedrich von Sachsen-Coburg-Saalfeld richtete 1757 mit Erlaubnis seines Vaters, des Herzogs Franz Josias, im Scheler´schen Haus eine kleine Hofhaltung ein. Damit diente das Gebäude am Oberen Bürglaß erstmals einem Mitglied des herzoglichen Hauses als Wohnsitz. Im Jahre 1794 erwarb Prinz Friedrich Josias von Sachsen-Coburg-Saalfeld das Gebäude nebst Garten und Nebengebäuden. Dieser baute das nun Schelerisches Haus genannte Gebäude bis 1795 zum Bürglaßschlößchen als Alterssitz in seiner heutigen Form um. Von den einstigen Gartenanlagen sind nur Reste in der Gestaltung von 1904 erhalten. Friedrich Josias selbst lebte hier bis zu seinem Tode im Jahre 1815 in seinem Schlösschen. In der Folgezeit nahm die Herzoginwitwe Auguste Caroline Sophie, die Mutter von Herzog Ernst I., das Bürglaßschlößchen als Stadtresidenz. Nach deren Tod 1831 ging das Gebäude durch Erbschaft an die katholische Linie des Hauses Sachsen-Coburg über. 1842/43 wurden durch den Baurat Eberhard aus Gotha erstmals
größere Umbauten für die Einrichtung der Wohnung des Prinzen Ferdinand von Sachsen-Coburg-Kohary vorgenommen, denn die Baukosten einschließlich des Küchengebäudes betrugen ungefähr 20.000 Gulden. 1879 befand sich das Anwesen im Besitz Herzog Ernsts II. 1893 kam es an Herzog Alfred, 1900 an Herzog Carl Eduard, 1902 an Prinz Philipp von Sachsen-Coburg-Kohary. Von 1925 bis 1948 bewohnte es der im Exil lebende Zar Ferdinand I. von Bulgarien. In dieser Zeit nannte die Coburger Bevölkerung das Gebäude „Bulgarenschlößchen“. Dieser Begriff hat sich bis auf den heutigen Tag noch erhalten. Die Stadt Coburg übernahm das Schlösschen nach dem Tode Ferdinands und verlegte 1957 das Standesamt hierher. Zuvor musste der Bau komplett umgebaut und saniert. Auch hatten die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges ihre Spuren am Bürglaßschlößchen hinterlassen, als eine Artilleriegranate das Gebäude traf und schwer beschädigte. Heute zählt das Palais zu den bedeutendsten Beispielen der Architektur des Klassizismus in Coburg. Mit
parsamen Mitteln ist ein vornehmer, fein proportionierter, zweigeschossiger Walmdachbau gestaltet, den auf den beiden Langseiten dreiachsige Mittelrisalite gliedern, an die sich beidseitig vier Fensterachsen anschließen. Ecknutungen geben der Fassade Halt. Ein glattes Band trennt die Geschosse, deren Fenster im ersten Obergeschoss schlichte Profilstürze tragen. Den gleichfalls mit Ecknutung eingefassten Mittelrisalit ist über dem Eingang eine Auffahrt mit Altane auf sechs schlanken Kompositsäulen vorgelegt. Ein schmiedeeisernes klassizistisches Gitter mit Ovalen und Festons umgibt die Altane, die durch eine mittlere Fenstertür betreten werden kann. Die drei Fenster des Obergeschosses sind durch Segment- und Dreiecksgiebel hervorgehoben. Das Zwerchhaus schließt ein Dreiecksgiebel. Die seitlichen dreiachsigen Hausgauben sind aus der Achse zum Mittelrisalit gerückt. Auch die Rückseite des Palais zum ehemaligen Park besitzt einen gleichartigen, jedoch in seinen Detailformen schlichteren Mittelrisalit mit einem
einfachen Gartenportal ohne Altane, die Fenster des Obergeschosses sind ohne zusätzliche Verdachung und im Zwerchhausgiebel ohne Konsolbänke. Dieser Giebel trug in einem Lorbeerkranz das Ruhestandsmotto des Prinzen Friedrich Josias nämlich: „Peractis laboribus“ (Nach getaner Arbeit). Die Hausgauben sind hier nur zweiachsig angelegt. Die gleichmäßige Reihung der Fenster, akzentuiert von einer dreiachsigen Mittelgaube, gliedert auch die beiden Schmalseiten. Trotz der vielen Umbauten blieben wichtige Bereiche der historischen Ausstattung erhalten, wie beispielsweise das Foyer, das Treppenhaus und der sogenannte Trausaal, der einst als Salon konzipiert war. Die Wände dort sind mit bemalten klassizistischen Leinwandtapeten bespannt, die zwischen Pilastern Ideallandschaften zeigen. Die Decke des parkettierten Raums besteht aus einem stuckierten Rautennetz mit Rosetten und Leuchterkranz.
Bildquellen:
Bild 1: Das Bürglaßschlößchen (Foto: Christian Boseckert, 2010)
Bild 2: Das Prinz-Josias-Denkmal hinter dem Bürglaßschlößchen (Foto: Christian Boseckert, 2010)
Bild 3: Ansicht des Bürglaßschlößchens von 1857 (Foto: Francis Bedford, Sammlung Christian Boseckert)
Bild 4: Gartenansicht des Gebäudes (Foto: Christian Boseckert, 2008)