Die Spindlervilla

#1 von Christian , 23.07.2011 16:32

In den letzten Tagen ist das Gelände der Spindler-Villa wieder in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Bagger und Bauarbeiter sind angerückt, um das verwilderte Gelände der ehemaligen Villa zu urbar zu machen. Hier entsteht in wenigen Monaten die Notunterkunft das Gymnasiums Casimirianum. Durch eine Sanierung weiter Gebäudeteile wird der Schulbetrieb an der Gymnasiumsgasse nur eingeschränkt möglich sein, so dass ein Provisorium außerhalb der engen Schulmauern nötig wurde. Dafür scheint der Platz der ehemaligen Spindler-Villa ideal zu sein.

Die Ursprünge der Villa gehen ins Jahr 1846 zurück. Damals ließ der Kammerrat Carl Hofmann an dem neuen Promenadeweg vorm Ketschentor (der heutigen Alexandrinenstraße) eine spätklassizistische Villa errichten. Zum Wohnhaus gehörten ein eigenes Salongebäude, ein Waschhaus, ein Gewächshaus und ein Stadel. Das Grundstück selbst hatte eine ungeheure Ausmaße. Es reichte von der Alexandrinenstraße bis an die Hohe Straße heran und endete im Süden auf Höhe des Anwesens Alexandrinenstraße Nr. 8. Dieses Haus steht ungefähr auf Höhe der Mitte des Rosengartens. Man kann hier deshalb schon von

einer großen Parkanlage sprechen, die einst am Westhang des Glockenbergs existierte. 1865 erwarb der Privatier Johann Gustav Adolph Schauer aus Berlin das Anwesen. Coburg war zu jener Zeit ein Magnet für vermögende Berliner, die sich hier ihren Sommer- oder Ruhesitz schaffen wollten. Im Jahre 1878 erfolgte ein erneuter Besitzerwechsel. Der Rentier Franziskus Johannes Hallo von Cannenburg kaufte die Villa vom Privatier Schauer, der inzwischen nach München verzogen war. Doch

Cannenburg starb bereits zwei Jahre nach dem Kauf des Anwesens. Seine Kinder erbten das Grundstück und behielten es bis 1919. Danach gelangte es in den Besitz des Kaufmanns Viktor Spindler, der zum Namenspaten der Villa wurde. Spindler betrieb eine Lebensmittel- und Kolonialwarengroßhandlung mit der er viel Geld verdiente. Die Adressbücher der 1920er und 1930er Jahren verraten, dass seine Familie nicht alleine in dem riesigen Gebäude wohnte. Es mag erstaunen, dass in einem

Seitenflügel des Hauses sogar eine Korbwarenfabrik untergebracht war. 1961 erwarb die Stadt Coburg das Areal samt Villa. Ursprünglich stand die Idee dahinter, hier die Stadtbücherei unterzubringen. Jedoch genügte die Statik des Hauses den Anforderungen nicht die schweren Bücher zu tragen. Man wählte stattdessen das Haus Herrngasse Nr. 17 als neues Bibliotheksgebäude. Stattdessen richtete die Stadt dort Sozialwohnungen ein. Dies hatte zur Folge, dass Villa und Garten

dem Vandalismus ausgesetzt waren. Die Wohnungen sind nach zehn Jahren nicht mehr vermietbar. Die Situation änderte sich erst, als ab 1970 der damalige Oberbürgermeister Wolfgang Stammberger das immer noch 3000 Quadratmeter große Grundstück für den Bau eines Kongresshotels favorisierte. In der Folgezeit werden notwendige Renovierungen unterlassen. Die Sanierungskosten für die Stadt stiegen dadurch, was wohl auch beabsichtigt war. Schlussendlich wurde ein Betrag von

577.000 DM genannt, um die Villa zu renovieren. Viele Coburger, darunter die „Gemeinschaft Stadtbild Coburg e.V.“, versuchten das Gebäude zu retten. Auch war es für die Aufnahme, der im Jahre 1973 eingeführten Denkmalschutzliste vorgesehen. Doch es kam anders. Stammberger setzte sich mit seinem Vorhaben durch und der Stadtrat beschloss in seiner Sitzung vom 20. September 1973 die Spindler-Villa abzureißen. An ihrer Stelle sollte ein Hotel entstehen, das aber

schlussendlich nie gebaut wurde. Die Spindler-Villa wurde einen Tag nach dem Stadtrats-Beschluss um 7 Uhr morgens abgerissen. Eile war damals geboten, denn der Abbruch geschah einen Tag vor Inkrafttreten des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes, welches den Abriss verboten bzw. stark hinausgezögert hätte. So war gegen 12 Uhr mittags bereits das Gebäude dem Erdboden gleichgemacht. Seitdem war das Gelände unbebaut und diente als Parkplatz für das Kongresshaus und das Landgericht.

Bildquelle: Illustrierte Zeitung Nr. 1472 vom 16. September 1871, gez. B. Strassberger (Sammlung Boseckert).


Angefügte Bilder:
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RE: Die Spindlervilla

#2 von Rolf Metzner , 23.07.2011 17:05

Hallo Christian,

herzlichen Dank für diesen qualifizierten Opener zum Thema "SPINDLERVILLA". Wie viele Coburger Häusergeschichten ist ja diese ebenfalls sehr interessant, vor allem auch, was die frühere Grundstücksgröße betrifft.
Das mit der Stadtbücherei in der Spindlervilla wäre natürlich toll gewesen; das Haus in der Herrngasse hätte man sicher ohne Nutzung Stadtbücherei nicht abgerissen. Leider ist es anders gekommen, wie die jetzigen Baumaßnahmen nochmals verdeutlichen!
Ich habe irgendwie in Erinnerung, dass es im Keller der Spindlervilla eine Quelle mit Badestube gab?!

Es gibt natürlich auch noch persönliche Erinnerungen an dieses Gebäude, die gerade jetzt wieder aufkommen, wo auch die letzten Reste (Kellerfragmente) verschwunden sind und eine neue Nutzung des Geländes ansteht:
Als wir in den Anfängen des Kongresshauses dort Faschings- und Musikveranstaltungen besuchten (die Akkustik im damals neuen Kongresshaus war übrigens wesentlich schlechter, als vorher im Hofbräusaal),stellten wir an der Spindlervilla ein Auto mit Biervorräten ab und versorgten uns dort günstiger, als im Kongresshaus.
A propos Bierversorgung: Als wir ERNESTINER zusammen mit Offiziersanwärtern von Ebern zu Veranstaltungen der Mathilde-Zimmerstiftung auf Schloss Callenberg eingeladen wurden (diese Veranstaltungen liefen alkoholfrei ab), deponierten wir ebenfalls Biervorräte in einem unserer Autos, das wir vor den Schlosseingang stellten. Ergebnis war, das wir uns mehr vor dem Schloss aufhielten, als die jungen Damen der Mathilde-Zimmer-Stiftung im Schloss zu beglücken.

Doch zurück zum Thema: Ich hoffe, dass zur "Spindlervilla" noch einige Beitäge, vor allen vielleicht auch Fotos kommen; ich bin mir - wie gesagt -ziemlich sicher, dass es im Kellerbereich eine Quelle mit Badestube gab (leider schöpfe ich mehr aus meinen Erinnerungen, als aus objektiven Geschichtsquellen; da ist mir dieses Forum eine große Hilfe).


 
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RE: Die Spindlervilla

#3 von faraway , 23.07.2011 18:39

Da ist dieses freie Gelaende der ehemaligen Spindlervilla nun doch von Nutzen.

Ist aber interessant, was ueber dieses Anwesen zu lesen ist. Haette es, fuer die damalige Zeit, so einen exorbitanten Betrag gekostet, die Villa zu sanieren, kann man es der Stadt eigentlich nicht verdenken, dass man das Gebaeude abreissen lies. Ja, es ist schade drum, und ich bin eigentlich, wenn immer moeglich dafuer, das schoene Alte zu erhalten, aber manches Mal ist es eben doch nicht moeglich.

Dass man diesen genauen Zeitpunkt dazu benuetzt hat, wurde in Christians Beitrag ja auch erklaert.

Danke fuer die Erlaeuterung, Christian.


Angelika

 
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RE: Die Spindlervilla

#4 von Rolf Metzner , 23.07.2011 18:49

Naja,

Container-Klassenzimmer können den früheren - zuletzt zugegebener Weise maroden - Charme der Spindlervilla nicht ersetzen.

Die Casi-Schüler, die dann dort unterrichtet werden, haben sicher keinen Bezug mehr zu diesem Gelände, aber bei mir sind die alten Erinnerungen jetzt, als ich die Baumaßnahmen sah, wieder hochgekommen.

Herzliche Grüße in die "neue Welt", Rolf

 
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RE: Die Spindlervilla

#5 von faraway , 23.07.2011 20:00

Danke fuer die Gruesse,

stimmt schon, was Du sagst, aber die werden ja nicht ewig dort bleiben, oder?

Gruss,


Angelika

 
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RE: Die Spindlervilla

#6 von Rolf Metzner , 24.07.2011 12:22

Hallo,

war gerade nochmal auf der Baustelle der Spindlervilla und habe mich etwas genauer umgeschaut:
Ich habe doch noch marginale Reste der Spindlervilla gefunden und zwar einen fast zugewachsenen Treppenaufgang mit 3 Treppenpfeilern (zwei oben, einer unten; Treppe siehe historisches Bild von Christian, auf den noch vorhandenen Treppenpfeilern standen danach früher hübsche Figuren). Auf der Baustelle liegen auch noch ein paar Sandsteinblöcke rum, die vom Keller stammen dürften.


Angefügte Bilder:
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RE: Die Spindlervilla

#7 von Christian , 24.07.2011 13:15

Bei Harald Sandner´s Chronik "Coburg im 20. Jahrhundert" ist ein Bild der Spindlervilla, kurz vor deren Abriss im September 1973, zu sehen. Bei Zustimmung des Autors können wir hier das Bild veröffentlichen.

Christian  
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RE: Die Spindlervilla

#8 von Christian , 24.07.2011 13:27

Noch was zu dem Bild, welches ich zur Geschichte der Spindlervilla hinzugefügt habe:

Es stammt aus der Illustrierten Zeitung vom 16.09.1871, welche in meinem Besitze liegt. Darin werden die "modernen" Bauten der herzoglichen Residenzstadt Coburg durch Lithografien vorgestellt. Neun Gebäude sind da zu sehen, u.a. die Spindlervilla. Interessant ist aber auch, dass von den dargestellten Häusern, einige gar nicht mehr stehen. So ist das alte Parkhotel im Neuen Weg zu sehen und die sogenannten Menning´s Wohnhäuser in der Bahnhofstraße. Letztere sind 1945 in den letzten Kriegstagen zerstört worden.

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RE: Die Spindlervilla

#9 von Autor ( gelöscht ) , 25.07.2011 08:10

Zitat von Christian
Bei Harald Sandner´s Chronik "Coburg im 20. Jahrhundert" ist ein Bild der Spindlervilla, kurz vor deren Abriss im September 1973, zu sehen. Bei Zustimmung des Autors können wir hier das Bild veröffentlichen.



Erteile Christian Boseckert hiermit die Erlaubnis, dass Bild hier einzustellen.

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RE: Die Spindlervilla

#10 von Christian , 25.07.2011 11:51

Zitat von Autor
[quote="Christian"]

Erteile Christian Boseckert hiermit die Erlaubnis, dass Bild hier einzustellen.



Vielen Dank!


Bildquelle: Fotosammlung Stadtarchiv Coburg, entnommen aus Harald Sandner, Coburg im 20. Jahrhundert, S. 276

Anmerkung des Admin: Nach Mitteilung des Stadtarchivs Coburg hat Herr Harald Sandner nicht die Verwendungsrechte zu dem oben gezeigtem Bild. Diese liegen beim Stadtarchiv Coburg. Die genannte Quelle gibt lediglich an, aus welchem Buch die Fotografie übernommen wurde.


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