Oft veränderte sich das Gesicht Coburgs in den letzten Jahrhunderten. Straßen wurden angelegt, Häuser abgerissen und neu wieder aufgebaut.
Ein Ort der stetigen Veränderung war der Bereich Spitalgasse Richtung Mohrenstraße und Mauer, im Volksmund auch Gräfsblock genannt. Der Name rührt daher, dass in früheren Zeiten dort ein Lebensmittelgeschäft existierte, welches dem Kaufmann Hermann Gräf gehörte. Dieser Laden befanden sich ungefähr gegenüber dem jetzigen Eiscafe Cortina und hatte Anfangs die Adresse Mauer Nr. 7. Wie stark hier Veränderungen wirkten lässt sich auch daraus dass erkennen, dass das Anwesen ab 1909 eine neue Adresse bekam: Mohrenstraße Nr. 35. Worin liegt dies begründet?
In dem oben genannten Jahr beschloss der Coburger Stadtrat einen Straßendurchbruch von der 1875 angelegten Mohrenstraße zur Spitalgasse. Dabei wurden zwei Häuser abgerissen, von denen noch die Rede sein wird. Doch erstmal sollten wir die Situation der Mohrenstraße um die letzte Jahrhundertwende beschreiben.
Bereits vor 1900 war der Bebauungsplan für die Mohrenstraße abgeschlossen. Die Straße gewann immer mehr an Bedeutung, endete aber ohne Fortsetzung auf der Linie Webergasse – Steinweg. Die Webergasse zog sich bis zum Steinweg hin und versperrte den Zugang zur Spitalgasse. Von der Mauer aus war allerdings die Spitalgasse durch ein schmales Gässchen, zu erreichen. Der Weg war deshalb so beengt, weil neben dem jetzigen Modegeschäft G-fashion (ehemals Sporthaus Hess) Richtung Spitaltor noch ein Haus existierte. Es hatte die Adresse Spitalgasse Nr. 31 und wurde 1909 beim Straßendurchbruch abgerissen. Das gleiche Schicksal ereilte auch das Haus Webergasse Nr. 34, dem ersten Domizil der im Jahre 1852 als Privatschule gegründeten Alexandrinenschule. Dieses Gebäude stand gegenüber der jetzigen Hypo-Vereinsbank und war mit das Haupthindernis einer Verbindung Mohrenstraße – Spitalgasse. Der Durchbruch veränderte die Verkehrsverhältnisse. Der Hauptverkehr aus Richtung Markt und umgekehrt wendete sich jetzt der Mohrenstraße zu - sehr zum Ärger vieler Geschäftsleute des Steinwegs, die, wie aus den Leserbriefen der damaligen Zeit zu entnehmen ist, lieber das Spitaltor hätten weichen sehen, um mehr Platz für den Hauptverkehr durch den Steinweg zu schaffen. Das Spitaltor wurde erfreulicherweise nicht dem Verkehr geopfert. Die benachbarten Gebäude blieben nach 1909 noch stehen. Sie gingen aber in städtischen Besitz über. Der bauliche Zustand dieser Gebäude war denkbar schlecht. Sie waren auch nicht an der im Jahre 1909 in Coburg vollendeten Kanalisation angeschlossen worden. Die Fäkalien wurden durch einen Tonnenwagen abgeholt. In den Höfen und Gängen tummelten sich die Ratten. Dem Schauspiel konnte man zusehen, wenn man als Kind beim Wäschemangeln in einem der Häuser helfen musste. Insgesamt standen dort noch drei Gebäude, die nun im Volksmund „Gräfsblock“ genannt wurden. Vorher gab es diesen Begriff noch nicht. Nach Willen der Coburger Stadtverwaltung sollten dieser Häuser eines Tages saniert werden, doch die Lösung des Problems ließ lange auf sich warten. Der 1. Weltkrieg verzögerte dieses Vorhaben. Die seitliche Fassade des ehemaligen Sporthauses Hess wurde aber schon 1909 neu gestaltet. Vorher bot sich dort ein Bild, wie wir es jetzt oft beim Abriss von Häusern in Sanierungsgebieten sehen können. Im gleichen Jahr entstand gegenüber von Hess, nach der Mauer zu das Gebäude, in dem sich die VR-Bank Coburg befindet. Architekt war der Coburger Jugendstilbaumeister Hans Münscher. Vorher stand an der Stelle ein Gasthaus mit dem Namen „Grübelei“. Auch der Neubau beherbergte zunächst ein Hotel das „Bürgerhof“ hieß, aber sich nicht halten konnte. Außerdem erfreut in den Kellerräumen ein Kino die Coburger. Das Gebäude ging im 1. Weltkrieg in den Besitz der Hypobank über, die bis zu ihrem Zusammenschluss mit der Bayerischen Vereinsbank dort ihren Sitz hatte. Das Eckhaus zur Webergasse hin, in dem sich jetzt der Juwelier Bauschatz befindet, entstand ebenfalls im Zusammenhang mit dem Durchbruch im Jahre 1910. Hier zeigte der Coburger Architekt August Berger sein können als Baumeister.
Nach dem 1. Weltkrieg wurde der Plan einer Sanierung des Gräfsblocks wieder aufgegriffen. Die Coburger Sparkasse wollte dort ein Bankgebäude errichten. In Planzeichnungen hatte dieses ein ähnliches Aussehen wie die benachbarte Hypo-Vereinsbank. Die Sparkasse trat aber von ihrem Vorhaben zurück, Ideenwettbewerbe wurden ausgeschrieben und Finanzierungspläne gewälzt. Es dauerte lange, bis der Gräfsblock nach vielem Hin und Her im Jahre 1934 abgerissen wurde und das Gebäude, in dem sich jetzt das Stadtcafe befindet, überwiegend nach den Plänen von Prof. Schulze-Naumburg aus Weimar, unter ausdrücklicher Billigung Adolf Hitlers gebaut wurde. Diesem Bau vielen insgesamt 4 Häuser zum Opfer: Die Mohrenstraße Nr. 35, die Webergasse Nr. 36 und die Gebäude Steinweg Nr. 1 und 3. Unter dem Deckmantel der ersten Altstadtsanierung konnte schließlich das Projekt des Straßendurchbruchs nach über 25 Jahren vollendet werden.
Der neu gewonnene Platz erhielt von den Nationalsozialisten den Namen „Platz der Alten Garde“ Seit 1945 ist er namenslos.
Die Geschichte des neuen Gräfsblocks wird in einem extra Beitrag behandelt werden.
Bildquellen:
Bild 1: Einmündungsbereich Spitalgasse / Mauer vor 1909 (Fotosammlung Christian Boseckert)
Bild 2: Der Alte Gräfsblock vor 1934 (Zeichnung: Emil Maurer)
Bild 3: Das Haus Mohrenstraße 35, vorher Mauer 7, gesehen von der Spitalgasse (Fotosammlung Christian Boseckert)Mauer.jpg - Bild entfernt (keine Rechte) Mohrenstrasse.jpg - Bild entfernt (keine Rechte) Spitalgasse.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)