An der Serie sind nicht nur Straßen und Häuser interessant, sondern auch, was es früher für Berufe gab.
Und manchmal auch, dass früher erstaunlicherweise Menschen, die (nicht in diesem Fall) heute mit einem Job auf Mindestlohnniveau herumkrebsen würden, sich früher ganz passable Häuser leisten konnten.
Das mal sozialgeschichtlich aufzuarbeiten wäre sicherlich auch interessant, mit Sicherheit interessanter als die pure Zusammenstellung von Daten in dicken Wälzern und zu meinen, dass das Geschichte wissenschaftlich erklärt.
Erhard du hast das richtig erkannt. Im Endeffekt handelt es sich hier um den Aufbau einer Datenbank zum Nutzen der Geschichtsforschung. Eine solche Vorgehensweise ist an den Universitäten bereits standard. Es gibt dazu auch eigene Lehrstühle (Digital Humanities). Über eine solche Datenbank kann man nicht nur viel über den sozialen Stand das Hauseigentümer etwas erfahren, sondern auch die Urbanisierung Coburgs ab dem 19. Jahrhundert geografisch und chronologisch ablesen. Das geht bis dahin, welche Vornamen damals in Mode waren. Ich war damals der Erste, der 2008 auf Basis dieser Daten ein Buch über die Geschichte der Judengasse herausgebracht habe. Dabei kamen erstaunliche Ergebnisse heraus, zum einen eine verstärkte Ansiedlung gastronomischer Betriebe, die auf die Bedeutung der Judengasse als Geleitstraße gen Westen verweist (Die Fremden wollten ja was essen, trinken und übernachten), oder die Entstehung eines Zeitungsviertels in der Judengasse mit Verlagen, Druckereien, Buchbindern und Buchhandlungen in der Zeit um 1900.
Ich sage immer, man darf sich unabhängig vom akademischen Grad für keine geschichtswissenschaftliche Untersuchung zu Schade sein, vorausgesetzt man erhält dadurch einen Erkenntnisgewinn für sich und die Allgemeinheit.
Deshalb plane ich, nachdem ich bereits einen Vortrag dazu gehalten habe, eine Veröffentlichung über den gesellschaftlichen Wandel in Ketschendorf zwischen 1789 bis 1914. Es ist interessant zu sehen, wie in einem reinen Bauerndorf plötzlich andere Gesellschaftsschichten (vom Hochadel bis zu den Armen) auftauchen und die Dorfgemeinschaft versuchen muss, diese neuen Gesellschaftsgruppen bei einer immens steigenden Einwohnerzahl zu integrieren.
Als "gebürtiger Ketschendorfer" finde ich das richtig spannend.
Und wenn Du meinst, dass ich das richtig erkannt habe, liegt das vielleicht daran, dass ich für meine Diplomarbeit auch zahlreiche Daten aus der Spätzeit des 19. Jahrhunderts auswerten musste. Aber eben nicht nur durch die Aufzählung von Daten als Fleißarbeit, die jeder mit einem PC erledigen kann (wobei es 1978 noch keine PCs und praktisch keine digitalisierten Daten gab) , sondern durch die Erarbeitung und Herleitung der aus den Daten zu ziehenden Schlüsse. Das macht schließlich Wissenschaft aus. Sonst ist man purer Datensammler, so wie andere Briefmarken sammeln.