Jüdische Friedhöfe in Coburg

#1 von Christian , 17.12.2020 09:03

1423 gestattete Markgraf Wilhelm von Meißen den Coburger Juden die Anlage eines Friedhofes in der Judenvorstadt. Etwas mehr als 450 Jahre später wurden bei Erdarbeiten in der Nähe des früheren Äußeren Judentores (1858 abgerissen), Knochenreste und eine Grabplatte mit hebräischer Inschrift aus dem Jahre 1457 gefunden. Das waren Zeugen des ersten jüdischen Friedhofes in Coburg, die aus einer Periode stammten, in der die Juden offenbar für kurze Zeit keiner Verfolgung ausgesetzt waren. Sie wohnten damals in größerer Anzahl in der Judenvorstadt. Aber schon im weiteren Verlauf des 15. Jahrhunderts wurde ihnen der Aufenthalt in Coburg verboten, wie wir bei Karche nachlesen können. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts dürften in Coburg wieder Juden sesshaft geworden sein, nachdem in einer Reihe von deutschen Staaten, so in Preußen durch den Erlass vom 11.3.1812, den Juden rechtliche Gleichstellung nach französischem Vorbild gewährt wurde. Zu den ersten Juden, die sich in Coburg seinerzeit ansiedelten, gehörte der aus Hildburghausen stammende Joseph Simon, der im Jahre 1813 das Haus Herrngasse 4 (heute Tourist-Information) erwarb.
Der eben erwähnte Joseph Simon wird in der Chronik noch geringschätzig als "Handelsjude" bezeichnet, während ein Nachfahre mit dem Namen Joachim Simon im Jahre 1853 bereits den Titel Kommerzienrat besaß, der höchstwahrscheinlich von Herzog Ernst II. verliehen worden ist. (Fortsetzung folgt)


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RE: Jüdische Friedhöfe in Coburg

#2 von Christian , 18.12.2020 08:54

Im Jahre 1875 ging das stattliche Haus Herrngasse 4 durch Erbschaft an Ferdinand und Louis Simon über, die es 1893 an den Druckereibesitzer Roßteutscher verkauften. Aber noch 1895 hatte der Kommerzienrat Otto Simon sein Büro in diesem Haus. Dieses Gebäude war 80 Jahre lang im Besitz der reichen und geschäftstüchtigen Familie Simon, die 1870 auch das Haus Rosengasse 8 (heute Bäckerei Feyler) erwarb. Auch das Anwesen Spitalgasse 12 (ehemals WEKA-Kaufhaus) war in ihrem Besitz. Die Familie Simon legte sich im Jahre 1878 an der Ecke Spittelleite/Rodacher Straße einen Privatfriedhof zu, obwohl die Anfänge eines allgemeinen jüdischen Friedhofs in Coburg auf dem Glockenberg bereits seit 1874 bestanden. Vorher wurden die Coburger Juden auf dem heute noch bestehenden Friedhof bei Autenhausen bestattet. Die Simons scheinen unter den Juden Coburgs eine Außenseiterrolle gespielt zu haben. Damit erklärt sich auch die Anlage eines eigenen Privatfriedhofs. Die Familie Simon verließ Coburg 1913 und verlegte ihren Wohnsitz ins Ausland. Um ihren Privatfriedhof kümmerten sie sich nicht mehr. Er verwahrloste im Gegensatz zu dem jüdischen Friedhof auf dem Glockenberg. Dort fand die erste Beisetzung am 12. Juli 1874 statt. Seit diesem Zeitpunkt sind hier 119 jüdische Mitbürger begraben worden. Eine Gedenktafel erinnert an die während der Nazizeit verschleppten und umgekommenen jüdischen Menschen, von denen keiner eine letzte Ruhestätte gefunden hat. (Fortsetzung folgt)


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RE: Jüdische Friedhöfe in Coburg

#3 von Christian , 19.12.2020 08:56

Den Friedhof an der Rodacher Straße betrachtete die Stadtverwaltung in den 1940er Jahren als Schandfleck. Die Umzäunung des 145 Quadratmeter großen Anlage war eingestürzt. Die Grabsteine lagen zum Teil auf dem Erdboden. Ob eine Grabschändung vorlag, ist aus den Quellen nicht ersichtlich. Etwa sechs bis sieben Gräber konnten noch festgestellt werden. Die deutschen und hebräischen Inschriften waren kaum noch leserlich. Unter diesen Umständen versuchte die Stadt Coburg, den Friedhof in die Hand zu bekommen. Als ehemaliges jüdisches Eigentum war der Friedhof in den Besitz des Deutschen Reiches gelangt. Mit eingeschaltet in die Verhandlungen war der betagte Coburger Justizrat Rupprecht als Vertreter der Simon´schen Erben. Dieser war mit einer geborenen Simon verheiratet gewesen, ist aber um die Zeit, als mit ihm verhandelt wurde, gestorben. Man konnte deshalb von ihm keinen Zuschuss für die Sanierung des Friedhofs bekommen. Wohl auch deshalb wurde er zu den Verhandlungen zugelassen. Aus den Akten geht nicht hervor, ob überhaupt etwas zum Erhalt des Friedhofs getan wurde - wohl eher nicht. Erst 20 Jahre später, Anfang der 1960er Jahre, wurde im Einvernehmen mit einer offenbar zuständigen jüdischen Organisation der Friedhof zu einer kleinen Grünanlage unter Wahrung des Charakters einer letzten Ruhestätte hergerichtet. Aus einem Zeitungsbericht mit einer Abbildung von 1963 ist der Beginn der Renovierung ersichtlich. 1979 erfolgten dann Besichtigungen seitens der Stadt und des Amtes für Denkmalschutz. Der Friedhof wurde damals unter Denkmalschutz gestellt. Die Pflege der Anlage obliegt der Stadt Coburg. (ENDE)


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RE: Jüdische Friedhöfe in Coburg

#4 von Christian , 27.01.2021 09:01

Da ich hier den Friedhof in Autenhausen angesprochen habe:

Es gibt zu der dortigen jüdischen Gemeinde zwei Internetseiten mit zahlreichen Informationen und Quellen, die ich hier doch gerne einstellen möchte:

https://www.xn--jdische-gemeinden-22b.de...rfranken-bayern

http://www.alemannia-judaica.de/autenhausen_friedhof.htm

http://www.alemannia-judaica.de/autenhausen_synagoge.htm


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RE: Jüdische Friedhöfe in Coburg

#5 von Albertine , 27.01.2021 15:06

Zitat von Christian im Beitrag #2
Die Familie Simon legte sich im Jahre 1878 an der Ecke Spittelleite/Rodacher Straße einen Privatfriedhof zu, obwohl die Anfänge eines allgemeinen jüdischen Friedhofs in Coburg auf dem Glockenberg bereits seit 1874 bestanden. Vorher wurden die Coburger Juden auf dem heute noch bestehenden Friedhof bei Autenhausen bestattet. Die Simons scheinen unter den Juden Coburgs eine Außenseiterrolle gespielt zu haben. Damit erklärt sich auch die Anlage eines eigenen Privatfriedhofs. Die Familie Simon verließ Coburg 1913 und verlegte ihren Wohnsitz ins Ausland. Um ihren Privatfriedhof kümmerten sie sich nicht mehr.

Er verwahrloste im Gegensatz zu dem jüdischen Friedhof auf dem Glockenberg. Dort fand die erste Beisetzung am 12. Juli 1874 statt. Seit diesem Zeitpunkt sind hier 119 jüdische Mitbürger begraben worden. Eine Gedenktafel erinnert an die während der Nazizeit verschleppten und umgekommenen jüdischen Menschen, von denen keiner eine letzte Ruhestätte gefunden hat. (Fortsetzung folgt)


Ich beschäftige mich schon eine ganze Weile mit den beiden jüdischen Friedhöfen an der Rodacher Straße und am Glockenberg.

Nach meinem Kenntnisstand fand die erste Beerdigung auf dem Familienfriedhof Simon bereits im Juli 1851 statt, nachdem Joseph Simon gestorben war. Nach ihm kamen bis 1874 noch mindestens vier weitere Bestattungen dazu. Vermutlich hat man dann an der Familientradition festgehalten und den Friedhof so lange genutzt, bis es keine Familienmitglieder mehr in Coburg gab.

Ich finde die Quelle gerade nicht, aber ich habe gelesen, der Friedhof sei ursprünglich 12,5 Ar groß gewesen. Das wäre 1.250 qm, also viel, viel mehr, als heute als Fläche übrig geblieben ist.

Zum Jüdischen Friedhof am Glockenberg möchte ich ergänzen, dass dort mehr als 220 Menschen bestattet wurden, jedenfalls sind so viele namentlich bekannt.

Es gibt leider keine komplette Erfassung der ehemaligen jüdischen Gemeinde, sodass viele Namen so gut wie in Vergessenheit geraten sind.


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RE: Jüdische Friedhöfe in Coburg

#6 von Rolf Metzner , 28.01.2021 13:29

Zitat von Albertine im Beitrag #5

.......
Ich beschäftige mich schon eine ganze Weile mit den beiden jüdischen Friedhöfen an der Rodacher Straße und am Glockenberg.
Nach meinem Kenntnisstand fand die erste Beerdigung auf dem Familienfriedhof Simon bereits im Juli 1851 statt, nachdem Joseph Simon gestorben war. Nach ihm kamen bis 1874 noch mindestens vier weitere Bestattungen dazu. Vermutlich hat man dann an der Familientradition festgehalten und den Friedhof so lange genutzt, bis es keine Familienmitglieder mehr in Coburg gab.
Ich finde die Quelle gerade nicht, aber ich habe gelesen, der Friedhof sei ursprünglich 12,5 Ar groß gewesen. Das wäre 1.250 qm, also viel, viel mehr, als heute als Fläche übrig geblieben ist.
...........


Aktuelle Fotos zum "Familienfriedhof Simon" findest Du hier:
Rodacher Straße (5)
unter "Rodacher Straße 20 + 22"

 
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