Dr. Hassenstein hat von 1913 bis 1951 im Gutshof Hambach zwischen Creidlitz und dem Buchberg gelebt. Er war ein grundgescheiter Mann, aber auch eine Persönlichkeit, die außerhalb der üblichen menschlichen Lebensgewohnheiten stand. Er trug schulterlanges Haar, einen Schnurr- und Kinnbart, war einfach gekleidet und ging meist barfuß. Nur im Winter trug er rindlederne Schnürstiefel der einfachsten Art. Er war ein anspruchsloser Mann, der nie viel Geld für sich selbst ausgab und nie wirtschaftlichen Gütern nachjagte. Trotzdem trauert er einer einfachen Taschenuhr nach, die er bei einem Schneebad in einer Schneeverwehung auf dem Buchberg verlor. Er empfand eine kindliche Freude, als er sie im nächsten Frühjahr an der gleichen Stelle wieder fand. Stets war ein Buch sein ständiger Begleiter, aus dem er Gedanken schöpfen konnte. Dr. Hassenstein befasste sich eingehend mit Sanskrit, einer alten indischen Sprache, aber sein Wunschtraum einer Pilgerfahrt nach Indien erfüllte sich nie. Redete man mit ihm, so war man über seine gepflegte Sprache überrascht. Aber nie kam ein eigenes Gedicht über seine Lippen, obwohl bekannt war, dass er solche schrieb. Er unterzeichnete diese mit den Anfangsbuchstaben eines Sinnspruches: "CANTABO DOMINO IN AETERNUM" = Dem Herrn will ich dienen in Ewigkeit. In seinem Zimmer. das er immer abschloss, war er von zahllosen Büchern umgeben. Auf seinem Schreibtisch stapelten sich diese derart, dass nur ein kleines Fleckchen zum Schreiben frei war. Aber dem Schreibtisch zog er die freie Natur vor und war oft unterwegs. Seine Fußreisen dauerten Tage. Wo er unterwegs schlief, wusste nur sein Hund, der ihn begleitete. Zu Hause machte man sich keine Sorgen, denn was sollte man ihm, dem harmlosen Mann, Alkohol- und Nikotingegner schon antun? Er war überzeugter Pazifist und sagte während der Kriegsbegeisterung in den Augusttagen 1914 eine Revolution voraus, die tatsächlich 1918 eingetreten ist.
(Fortsetzung folgt)