Der Mohrenkeller im Weichengereuth (Beitrag vom 24.04.2010)

#1 von Christian , 23.04.2010 09:42

Schon bald 20 Jahre ist es her, als mit der Einweihung der Frankenbrücke eines der wohl umstrittensten Bauprojekte der neueren Zeit in Coburg seinen Abschluss fand. Dem Bau fielen damals insgesamt 21 Häuser zum Opfer: Fünf am Marschberg, zwei in der Schlachthofstraße, eines in der Hutstraße und 13 im Weichengereuth! Erbittert umkämpft waren vor allem die Jugendstil-Fassaden der Häuser im Weichengereuth. Vor allem ein Gebäude trauern die alten Coburger noch heute nach, nämlich dem sogenannten Mohrenkeller. Diese Gastwirtschaft befand sich in einem Haus, dass gleich drei Grundstücke miteinander vereinte: Weichengereuth Nr. 1 sowie Marschberg Nr. 1 bis 3. Architekt dieses „Dreifach-Gebäudes“ war der Maurermeister Carl Bauer, der diesen Komplex im Jahre 1904 auf eigene Rechnung errichten ließ. Das Schicksal hatte es mit Bauer aber nicht gut gemeint. Weil er seine Häuser, die er im Weichengereuth und am Marschberg baute, nicht verkaufen konnte, mussten diese schon bald zwangsversteigert werden. Der Mohrenkeller-Komplex kam schließlich 1910 unter den Hammer und ging an drei Coburger Bürger. Da Bauer ausgerechnet die meisten seiner Jugendstilhäuser im Bereich Weichengereuth / Marschberg errichtete, fielen diese ausnahmslos den Bau der Frankenbrücke zum Opfer. Von Anfang an waren in dem Gebäude auch Geschäftslokale untergebracht. Im Teilstück Weichengereuth Nr. 1 war dies die Gaststätte Mohrenkeller, die bereits 1904 eröffnet wurde. 1910 erwarb der Gastronom Christian Schneider das Haus und führte so das Lokal weiter. Ihm folgte als Hauseigentümer der Restaurateur Johann Knorr nach bis 1927 der Brauereibesitzer Gottlieb Stahn aus Meschenbach das Grundstück erwerben konnte. So floss auch hier der Meschenbacher Gerstensaft ab diesen Zeitpunkt in Strömen. Im Jahre 1960 übernahm der im Coburger Land bekannte Diplom-Braumeister Friedrich Müller die Meschenbacher Brauerei. Für den Mohrenkeller konzipierte er eine neue Form der Gaststätte. Er machte aus dem allgemeinen Speiserestaurant eine Brathähnchenstation. Die Idee kam bei den Kunden sehr gut an. Noch lange Jahre konnte man hier seinen „Gummiadler“ bestellen und verzehren. Anfang der 1970er Jahre traten allerdings verstärkt vor der Kreuzung am Mohrenkeller Verkehrsprobleme auf. Schuld daran war eine abknickende Vorfahrt mit langen Staus bei den untergeordneten Straßen sowie der Bahnübergang am Städtischen Schlachthof. Ferner plante man den Fernverkehr westlich an der Innenstadt vorbei zuleiten. Dies sollte nach Meinung des Coburger Stadtrates mittels einer vierspurigen Stadtautobahn geschehen, deren Verlauf über die Adamistraße und den Neuen Weg direkt zu der Kreuzung am Mohrenkeller führte. Die Bauarbeiten für dieses Projekt begannen 1974. Natürlich sollte die Stadtautobahn ins Weichengereuth weiter geführt und eine Entschärfung der sogenannten „Schlachthofkreuzung“ herbeigeführt werden. Dabei stand der Bauer´sche Häuserkomplex im Weg. Ende März/Anfang April 1977 hatte schließlich das letzte Stündlein für den Mohrenkeller geschlagen. Als letzter Hauseigentümer wird im Adressbuch von 1977 die Bundesrepublik Deutschland angegeben. Ihr oblag seinerzeit der Ausbau der neu angelegten Bundesstraße 4. Mit dem Abbruch des Mohrenkellers begannen seinerzeit die Umgestaltung in diesem Bereich. Die Nachbarhäuser im Weichengereuth und am Marschberg fielen schließlich ab 1989 der Abrissbirne zum Opfer. Deren Geschichte hier zu erwähnen, würde den Rahmen des Aufsatzes sprengen. Man sollte jedoch diesen Artikel nicht beenden, ohne noch auf die beiden anderen Teile Marschberg Nr. 1 und 3 des Bauer´schen Komplexes einzugehen. Der Mittelbau Marschberg 1 kam 1910 in den Besitz von Schlossermeister Ernst Weidmann, welcher das Haus 1919 an den Kaufmann Albert Bores weiter veräußerte. Bores führte dort ein Lebensmittelgeschäft, das bis in die 1970er Jahre hinein unter den Namen „Hanft“ weiter existierte. Der dritte Gebäudeteil ging 1910 in den Besitz des Kaufmanns August Scheler über. 1911 eröffnete dort Hermann Gröckel eine Fleischerei. Später betrieb dort die Firma Großmann AG eine Filiale. Auch diese beiden Teile wurden 1977 abgerissen. Architektonisch war dies ein riesiger Verlust für die Coburger Baukultur. Größere Protestete gab seinerzeit aber kaum, denn der Jugendstil galt in den 1970er Jahren als „Kitsch-Architektur“ und genoss keinen großen Stellenwert. Erst nach der großen Abbruchserie des Jahres 1989 besann man sich der Bedeutung des Jugendstils wieder und lernte ihn wieder schätzen.

Bildquellen:
Bild 1: Der Mohrenkeller - Weichengereuth 1 - kurz nach dessen Eröffnung um 1910.
Bild 2: Die beiden anderen Hausteile Marschberg 1 und 3 kurz vor deren Abriss 1977

beide Aufnahmen sind entnommen aus: Stadt verkehrt. Ein fächerübergreifendes Unterrichtsprojekt in der 10. Jahrgangsstufe am Beispiel der Stadt Coburg (Heft 19/1997 der Lehrerzeitung "die untere anlage" am Gymnasium Albertinum)


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RE: Der Mohrenkeller im Weichengereuth (Beitrag vom 24.04.2010)

#2 von Jürgen , 23.04.2010 14:51

Ein wiederum gelungener Beitrag, Christian. Vielen Dank!
Aber bitte erlaube mir drei Ergänzungen:
Der Mohrenkeller war in den 50er Jahren wirklich ein sehr gutes Speiselokal; der damalige Wirt hat meines Wissens dann die Meschenbacher im Steinweg übernommen.
Das Lebensmittelgechäft wurde mind. ab Mitte der %0er Jahre - also noch vor Hanft - von einem Herrn Ihme geführt. Ich kann mich noch an einen Ausspruch von ihm erinnern, als ihn eine Kundin fragte, ob er auch beim Winterfüttern von Vögeln Dompfaffen dabei habe. Er antwortete: "Das weiß ich nicht, in der Vögelei kenne ich mich nicht so aus!"
Ebenfalls ab mind. Mitte der 59er Jahre wurde die Fleischerei von einer Fam Jahn geführt. Da kein Nachkomme da war, haben sie die Fleischerei aufgegeben und meines Wissens ein Haus in der Callenberger Straße erworben


LG
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RE: Der Mohrenkeller im Weichengereuth (Beitrag vom 24.04.2010)

#3 von Christian , 23.04.2010 18:28

Vielen Dank für die Ergänzungen Jürgen!

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RE: Der Mohrenkeller im Weichengereuth (Beitrag vom 24.04.2010)

#4 von Christian , 24.04.2010 11:27

Einen kleinen Nachtrag zum Maurermeister Carl Bauer.

Er wurde 1878 in Neustadt bei Coburg geboren und starb 1954 in Kronach. 1902 eröffnete er in der Hutstraße ein Maurergeschäft. Es wurde nach 1910 durch Konkurs liquidiert.

Ich konnte noch zwei vergleichbare Gebäude in Coburg finden, welche die architektonische Handschrift Bauers tragen: Zum einen das Haus Callenberger Straße 4 und zum anderen das Haus Viktoriastraße 3. Bilder der beiden Gebäude findet ihr hier:

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/co...nbergerstr4.jpg
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/co...iktoriastr3.jpg

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RE: Der Mohrenkeller im Weichengereuth (Beitrag vom 24.04.2010)

#5 von Christian , 24.04.2010 11:56

Die Frage, wo genau der Mohrenkeller stand, ist heute schwer zu beantworten, da sich die Straßenführung durch den Bau der Frankenbrücke und der Stadtautobahn komplett verändert hat. Hier ist ein Versuch zumindest. Die Straße links ist das Weichengereuth, rechts vom Hügel kommend der Marschberg. Wahrscheinlich irgendwo dazwischen, bei der Auffahrt der Stadtautobahn auf die Frankenbrücke (mittlere Straße) muss der Gebäudekomplex gestanden haben.

Angefügte Bilder:
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 Ecke Marschberg Weichengereuth.jpg 
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RE: Der Mohrenkeller im Weichengereuth (Beitrag vom 24.04.2010)

#6 von gerd , 24.04.2010 12:02

Christian,in dem haus an der Victoriastraße war an einem Fenster im Parterre jahrelang ein schönes (bleiverglastes) Bild mit der Veste zu sehen!Ist bekannt wohin das verschwunden ist?

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RE: Der Mohrenkeller im Weichengereuth (Beitrag vom 24.04.2010)

#7 von gerd , 24.04.2010 12:06

Und nicht zu vergessen,das im Mohrenkeller in den 60er Jahren am Wochenende die "Chris Keller Band"gespielt hat!(fragt mal den Billus..)

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RE: Der Mohrenkeller im Weichengereuth (Beitrag vom 24.04.2010)

#8 von Christian , 24.04.2010 12:10

Gerd, das Haus ist meines Wissens jahrelang saniert worden. Ich kann allerdings nicht sagen, wo das betreffende Fenster hingekommen ist.

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RE: Der Mohrenkeller im Weichengereuth (Beitrag vom 24.04.2010)

#9 von MFU , 24.04.2010 21:51

Zitat von Christian
Gerd, das Haus ist meines Wissens jahrelang saniert worden. Ich kann allerdings nicht sagen, wo das betreffende Fenster hingekommen ist.



Im Treppenaufgang (innen) ist ein solches Fenster zu sehen, allerdings in Richtung Hinterhof. Entweder gab es derer zwei, oder es ist bei der o.g. Sanierung versetzt worden. Bei Gelegenheit kann ich ein Bild knipsen.

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RE: Der Mohrenkeller im Weichengereuth (Beitrag vom 24.04.2010)

#10 von Zugereister , 25.04.2010 21:56

Das Bild im Treppenhaus Viktoriastr. 3 zeigt den Bismarckturm mit brennender Feuerschale.

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