Schon bald 20 Jahre ist es her, als mit der Einweihung der Frankenbrücke eines der wohl umstrittensten Bauprojekte der neueren Zeit in Coburg seinen Abschluss fand. Dem Bau fielen damals insgesamt 21 Häuser zum Opfer: Fünf am Marschberg, zwei in der Schlachthofstraße, eines in der Hutstraße und 13 im Weichengereuth! Erbittert umkämpft waren vor allem die Jugendstil-Fassaden der Häuser im Weichengereuth. Vor allem ein Gebäude trauern die alten Coburger noch heute nach, nämlich dem sogenannten Mohrenkeller. Diese Gastwirtschaft befand sich in einem Haus, dass gleich drei Grundstücke miteinander vereinte: Weichengereuth Nr. 1 sowie Marschberg Nr. 1 bis 3. Architekt dieses „Dreifach-Gebäudes“ war der Maurermeister Carl Bauer, der diesen Komplex im Jahre 1904 auf eigene Rechnung errichten ließ. Das Schicksal hatte es mit Bauer aber nicht gut gemeint. Weil er seine Häuser, die er im Weichengereuth und am Marschberg baute, nicht verkaufen konnte, mussten diese schon bald zwangsversteigert werden. Der Mohrenkeller-Komplex kam schließlich 1910 unter den Hammer und ging an drei Coburger Bürger. Da Bauer ausgerechnet die meisten seiner Jugendstilhäuser im Bereich Weichengereuth / Marschberg errichtete, fielen diese ausnahmslos den Bau der Frankenbrücke zum Opfer. Von Anfang an waren in dem Gebäude auch Geschäftslokale untergebracht. Im Teilstück Weichengereuth Nr. 1 war dies die Gaststätte Mohrenkeller, die bereits 1904 eröffnet wurde. 1910 erwarb der Gastronom Christian Schneider das Haus und führte so das Lokal weiter. Ihm folgte als Hauseigentümer der Restaurateur Johann Knorr nach bis 1927 der Brauereibesitzer Gottlieb Stahn aus Meschenbach das Grundstück erwerben konnte. So floss auch hier der Meschenbacher Gerstensaft ab diesen Zeitpunkt in Strömen. Im Jahre 1960 übernahm der im Coburger Land bekannte Diplom-Braumeister Friedrich Müller die Meschenbacher Brauerei. Für den Mohrenkeller konzipierte er eine neue Form der Gaststätte. Er machte aus dem allgemeinen Speiserestaurant eine Brathähnchenstation. Die Idee kam bei den Kunden sehr gut an. Noch lange Jahre konnte man hier seinen „Gummiadler“ bestellen und verzehren. Anfang der 1970er Jahre traten allerdings verstärkt vor der Kreuzung am Mohrenkeller Verkehrsprobleme auf. Schuld daran war eine abknickende Vorfahrt mit langen Staus bei den untergeordneten Straßen sowie der Bahnübergang am Städtischen Schlachthof. Ferner plante man den Fernverkehr westlich an der Innenstadt vorbei zuleiten. Dies sollte nach Meinung des Coburger Stadtrates mittels einer vierspurigen Stadtautobahn geschehen, deren Verlauf über die Adamistraße und den Neuen Weg direkt zu der Kreuzung am Mohrenkeller führte. Die Bauarbeiten für dieses Projekt begannen 1974. Natürlich sollte die Stadtautobahn ins Weichengereuth weiter geführt und eine Entschärfung der sogenannten „Schlachthofkreuzung“ herbeigeführt werden. Dabei stand der Bauer´sche Häuserkomplex im Weg. Ende März/Anfang April 1977 hatte schließlich das letzte Stündlein für den Mohrenkeller geschlagen. Als letzter Hauseigentümer wird im Adressbuch von 1977 die Bundesrepublik Deutschland angegeben. Ihr oblag seinerzeit der Ausbau der neu angelegten Bundesstraße 4. Mit dem Abbruch des Mohrenkellers begannen seinerzeit die Umgestaltung in diesem Bereich. Die Nachbarhäuser im Weichengereuth und am Marschberg fielen schließlich ab 1989 der Abrissbirne zum Opfer. Deren Geschichte hier zu erwähnen, würde den Rahmen des Aufsatzes sprengen. Man sollte jedoch diesen Artikel nicht beenden, ohne noch auf die beiden anderen Teile Marschberg Nr. 1 und 3 des Bauer´schen Komplexes einzugehen. Der Mittelbau Marschberg 1 kam 1910 in den Besitz von Schlossermeister Ernst Weidmann, welcher das Haus 1919 an den Kaufmann Albert Bores weiter veräußerte. Bores führte dort ein Lebensmittelgeschäft, das bis in die 1970er Jahre hinein unter den Namen „Hanft“ weiter existierte. Der dritte Gebäudeteil ging 1910 in den Besitz des Kaufmanns August Scheler über. 1911 eröffnete dort Hermann Gröckel eine Fleischerei. Später betrieb dort die Firma Großmann AG eine Filiale. Auch diese beiden Teile wurden 1977 abgerissen. Architektonisch war dies ein riesiger Verlust für die Coburger Baukultur. Größere Protestete gab seinerzeit aber kaum, denn der Jugendstil galt in den 1970er Jahren als „Kitsch-Architektur“ und genoss keinen großen Stellenwert. Erst nach der großen Abbruchserie des Jahres 1989 besann man sich der Bedeutung des Jugendstils wieder und lernte ihn wieder schätzen.
Bildquellen:
Bild 1: Der Mohrenkeller - Weichengereuth 1 - kurz nach dessen Eröffnung um 1910.
Bild 2: Die beiden anderen Hausteile Marschberg 1 und 3 kurz vor deren Abriss 1977
beide Aufnahmen sind entnommen aus: Stadt verkehrt. Ein fächerübergreifendes Unterrichtsprojekt in der 10. Jahrgangsstufe am Beispiel der Stadt Coburg (Heft 19/1997 der Lehrerzeitung "die untere anlage" am Gymnasium Albertinum)