Säle in Coburg

#1 von gerd , 26.10.2012 16:33

Ich will hier einmal in loser Reihenfolge verschiedene Säle aufzeigen welche früher in Coburg existiert haben.
Coburger Bürger gründeten um das Jahr 1872 einen Aktienverein zur Finanzierung und Bau eines Gesellschafthauses.
Dieser Verein wurde am 12.Juni 1872 in das Handelsregister,(ein Vereinsregister kannte man wohl damals nicht) eingetragen.Bald stand auch ein Betrag von 150. 000,-Mark z.V. und der Verein konnte von dem Baumeister Kühn am Ernstplatz 4 ein Grundstück erwerben.Der geplante Bau wurde am 23.9.1872 durch das Ministerium genehmigt.Der Bau kam zügig voran,sodaß bereits im Sommer 1873 ein "Geselliger Verein" gegründet werden konnte,überwiegend aus den Aktionären des Aktienvereins!
Es begann sich nun dort ein abwechslungsreiches Programm zu etablieren.Unter der "Federführung"des Vereins,entwickelten sich nun..
Konzerte,Gesangsabende,Tänzchen und Bälle!
Das Gebäude war im Stil eines englischen Clubhauses gebaut worden.Im Erdgeschoss befanden sich neben den Wirtschaftsräumen ,ein Lesezimmer in dem für damalige Verhältnisse viele Zeitungen und Zeitschriften(!) auslagen.
Ferner ein Billardzimmer und die Kegelbahn.
Im ersten Stock war der grosse Saal,mit einer Bühne,sowie ein Speisesaal mit einigen Nebenräumen zu finden.
Das gesellschaftliche Leben dort,wurde aber am 27.April 1874 durch ein Feuer unterbrochen,jedoch im Herbst des gleichen Jahres nach Instandsetzung der Räume wieder aufgenommen.
Der Verein stellte nun seine Lokalitäten auch anderen Vereinen z.V.So nutze es z.B.der Alpenverein,oder der Coburger Sängerkranz für seine Veranstaltungen.
Im Jahre 1934 aber musste der Verein das Anwesen mit dem angrenzenden Biergarten an die "Adolf-Hitler-Haus-Genossenschaft" für 60.000,-RM zwangsweise verkaufen!
Aus dem Gesellschaftshaus wurde nun das "Adolf Hitler Haus",welches über 60 Jahre zuvor den verschiedensten kulturellen Zwecken gedient hatte.
Lt.alten Zeitzeugen soll sich im Keller des Hauses eine "Trinkstube" befunden haben,die den Namen"Schwedenschänke" trug.
Als dann der 2. W.K. begann,soll ebenfalls im Keller ein "Schutzraum " ausgebaut worden sein.
Im April 1945 fiel das Haus dem Beschuss der US Army zum Opfer und brannte aus!
Die Ruine wurde dann nach dem Ende das 2.W.K. abgetragen und im jahre 1952 weihte die AOK ihr neues Verwaltungsgebäude dort ein.(Die AOK war zuvor in der Löwenstraße untergebracht,wo sich danach die VHS niederlies!)
Somit war den damaligen Coburgern,die nach dem Ende des 2.W.K. einen "Hunger" nach kulturellen Veranstaltungen hatten,die nicht "braun" angestrichen waren,ein Versammlungsort genommen worden,dem noch weitere folgen sollten!
Von dem Gesellschaftshaus dürfte hier im Forum ein Foto existieren,ebenso in der einschlägigen Literatur.


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RE: Säle in Coburg

#2 von Stammbus , 26.10.2012 19:31

Zitat von gerd im Beitrag #1
einen Aktienverein zur Finanzierung und Bau eines Gesellschafthauses.
Dieser Verein wurde am 12.Juni 1872 in das Handelsregister,(ein Vereinsregister kannte man wohl damals nicht) eingetragen.



Es dürfte sich um eine Aktiengesellschaft gehandelt haben, die nur Verein hieß. Das war früher nicht unüblich (man denke an "Vereinsbank", "Vereinsbrauerei" ...).

Ist die AOK nicht erst später errichtet worden, so um 1956?

Nichts desto trotz: Danke für Deinen wie immer spannenden Beitrag.

 
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RE: Säle in Coburg

#3 von gerd , 26.10.2012 20:38

Hallo Erhard,
ich muss das glauben,was ich im Buch über die Mohrenstrasse gelesen habe,denn dort wird in Verbindung mit dem Abriss des Hofbräusaales auch auf die Säle in Coburg eingegangen.
Ich erinner mich aber,das wir noch in der Judengasse wohnten,bis 1956,das der Neubau der AOK aber schon stand.

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RE: Säle in Coburg

#4 von Stammbus , 26.10.2012 20:51

Ich war damals noch zu klein, um mich daran zu erinnern, habe auch nicht in der Judengasse gewohnt, aber hier Bilderrätsel (46) haben wir uns darüber ausgetauscht, dass beim Umzug zur 900-Jahrfeier der Stadt 1956 die Baustelle der AOK als Aussichtsplattform diente.


 
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RE: Säle in Coburg

#5 von gerd , 26.10.2012 21:24

Das kann natürlich sein.Ich sehe gerade das wir 1955 von der Judengasse weggezogen sind.Da wurde auf jeden Fall dort gebaut,denn mein alter Herr arbeitete damals bei Krummholz und die haben da drüben am Neubau Türen und Geländer angebaut!
Die 50er Jahre waren doch mit soliden Materialen auf den Neubauten vertreten....Alu,eloxiert meistens und viel Glas waren doch damals Mode.....die Kunststoff Handläufe auf den Treppengeländern waren in den schönsten Farben vorhanden
Treppenstufen und Bodenbeläge aus Steinfliesen im Grossformat.....
Ob das die AOK,oder die Cortina im Steinweg oder das Gewerkschaftshaus/Mohrenstrasse oder die Schulen,welche damals neu gebaut oder umgebaut wurden,waren doch alle mit solchen soliden Sachen ausgestattet!

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RE: Säle in Coburg

#6 von Christian , 26.10.2012 21:28

Ich gebe dazu mal einen Literaturhinweis, fast in eigener Sache


Christian Boseckert, Hallen ein beinahe ständiges Thema in Coburg, in: Coburger Geschichtsblätter (2007).

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RE: Säle in Coburg

#7 von Christian , 26.10.2012 22:02

Fotoaufnahme des Gesellschaftshauses aus dem alten Coburg-Magazin.

ernstplatz.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)

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RE: Säle in Coburg

#8 von Stammbus , 26.10.2012 22:19

Und hier ein Foto, das Rolf mal eingestellt hat, 1945:


 
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RE: Säle in Coburg

#9 von gerd , 27.10.2012 01:13

Herzog Ernst der II. baute 1852 die Reithalle am Schlossplatz und stellte diese Halle für Veranstaltungen zur Verfügung.Für Festbälle dürfte sie eher ungeeignet gewesen sein,denn der Boden der Halle war für Pferdehufe und Hufeisen geeigneter als für Tanzbeine und Tanzschuhe!
Für Tagungen wie die des Dtsch.Sängerbundes oder der Turner oder des National Vereines war sie aber gut geeignet.

Bälle,welche bei großen Veranstaltungen nicht fehlen durften,dafür stand der Saal des Hoftheater ,den ebenfalls der Herzog z.V. stellte.
Da sich die Mitgliederzahl der hiesigen Vereine vor 1870,eher bescheiden ausnahmen,stand z.b.der Saal des alten Schiesshaus am Anger,erbaut 1826/1829 für kleinere Tanzveranstaltungen z.V.Das Gebäude wurde in den 50er Jahren abgerissen!(Auf seinen "Marsch auf Coburg" in den 20er Jahren übernachtete A.H.mit seinen Leuten in dem Gebäude!)
Beliebt war auch der schönste Saal Coburgs im Steinweg 34 gelegen.Der befand sich im Anwesen Gasthaus Kaufmann.Es wird berichtet das man dort gut Essen ,Billard spielen,Kegeln und im 2.Stock das Tanzbein schwingen konnte.Kaufmann muss ein guter Wirt und auch Koch gewesen sein.Da er aber 17 (!!) Geschwister auszahlen musste war für ihn allerdings zum Jahre 1891 der Schluss seines Gasthauses vorprogrammiert!
Ein weiterer Saal befand sich im Gasthaus "Himmelsleiter"in der Leopoldstraße 27.In dem Haus wurde der Schöpfer des Sindflutbrunnens im Rosengarten,Ferdinant Lepke geboren,dessen Vater das Gasthaus eine Zeit lang betrieb.Die Gaststätte hiess später "Zur neuen Welt"und war Gasthaus von der Vereinsbrauerei.Auch Versammlungslokal der SPD.

Wo sich bis dato am Eingang zur Mauer die Hypobank befand,gab es das sehr beliebte Restaurant Schaffner.Es galt lange Zeit als das feinste Wein und Bierlokal von Coburg.
Der Sohn von Schaffner baute aber das Lokal um,sodass zwei langgestreckte Säle entstanden,in denen sich aber die Coburger nicht wohl fühlten!Der Besitzer kam in finanzielle Schwierigkeiten und Nachfolgende haben das Restaurant abgewirtschaftet und es hatte keinen guten Ruf mehr.
Zuletzt hiess das Gasthaus "Zur Grübelei"...hiervon konnte Lina Hermann berichten,denn sie lebte ein ganzes Leben lang neben diesem Gasthaus..."Sauferei und Geschrei...bis am Morgen in der Grübelei!" das waren damals geflügelte Worte in der Ecke von der Stadt!
Das alte Haus wurde nach der Jahrhundertwende abgerissen und es entstand das Hotel "Bürgerhof" mit einem Kino im Keller.Im 1.W.k. ging das Anwesen in den Besitz der Hypobank über und ein weiterer Treffpunkt der Coburger ging somit verloren.
Im Jahre 1858 wurde in der Theatergasse das Logengebäude errichtet.Es ist auch 1945 dem Kriege zum Opfer gefallen.
In dem Gebäude befanden sich einige Räume,die mehr als 100 Personen aufnehmen konnten.So konnte dort der Allgemeine Deutsche Lehrerverein oder der Sängerkranz ihre Veranstaltungen abhalten,auch die Turngenossenschaft hatte jahrelang das Haus als ihr Vereinsheim.
Der Mangel an einem großen Saal machte sich aber immer mehr bemerkbar und so konnte der Sängerkranz zwar in den Rießensaal der Ehrenburg oder in die Moritzkirche ausweichen,aber für vergnügliche Veranstaltungen waren diese Räume nicht geeignet!


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RE: Säle in Coburg

#10 von gerd , 27.10.2012 17:50

In einen Reiseführer wurde auf zahlreiche Lokalitäten in Coburg hingewiesen.Allerdings waren nur zwei Gaststätten dabei,welche auf ihre Säle aufmerksam machten.Das war zum einen die Restauration "Wilhelmshöhe" an der Festungsstraße gelegen und zum anderen das Restaurant und Ausflugslokal "Capelle" auf den Plattenäckern .Es fanden Festlichkeiten und Treffen studentischer Verbindungen statt.Bei der Capelle spielte auch hin und wieder die Musikkapelle vom I.R. 95.
Im April 1945 ist das beliebte Lokal auch dem Beschuss der US Army zum Opfer gefallen und wurde nicht wieder aufgebaut!
Im Jahre 1872 gründete sich am Anfang des Hahnweges die Vereinsbrauerei.1880 war das Restaurant fertig und ca. um 1900 war dem Restaurant ein Saal angegliedert worden.Er wurde von den Coburger Vereinen gerne genutzt.Ein Sommertheater gab dort Gastrollen mit leichter Muse und auch die Kapelle des I.R. 95 spielte hier auf.Während des 1.W.K. war der Saal ein Resevelazarett für Verwundete Soldaten.
Im Jahre 1922 wurde der Saal zu einem Kino umgebaut,gleichzeitig löste sich die Brauerei auf.
Das kino erfuhr im Jahr 1936 eine gründliche Modernisierung und war nun unter dem Namen "Union Theater-UT" zu finden.Dieser alte Name dürfte ja den meisten hier im Forum noch ein Begriff sein!
Ein weiterer beliebter Saalbau war der von Bätz im Kanonenweg.Er ist ebenfalls schon lange verschwunden.Auf dem Anwesen baute später "Ford Schamberger" seine Werkstatt und heute befindet sich auf dem Gelände ein Supermarkt.
Unmittelbar bei der Veste wurde im Jahre 1910 das Hotel "Festungshof" eröffnet.
Auch hier war ein Saal vorhanden.Zum Zeitpunkt,als das hier vorliegende Heft über die Mohrenstraße erschien wird berichtet das daß Hotel jahrelang geschlossen war aber jetzt nach grundlegender Renovierung wieder geöffnet sei!
Die Geschichte ist nun auch schon wieder überholt.Im jahre 2012 wurde der Festungshof an einen Polster Industrieellen verkauft,der ihn in seinen ursprünglichen Zustand zurück verwandeln will.Das Gebäude wird wohl als Privatbesitz weiter bestehen,aber einen Hotelbetrieb wird es wohl dort nicht mehr geben!

Ein weiteres beliebtes Lokal mit Saal war der Gasthof "Zum schwarzen Bären" in der Spitalgasse.Der Saal wurde erst im Jahre 1924 gebaut,wobei ein grosser Teil der ehemaligen Stallungen wegfiel.Ein Streick von Bauarbeitern erschwerte damals die Bauarbeiten,aber sie konnten mit Hilfe von Baugewerkschülern zu Ende geführt werden.Turner,Sänger und andere Vereine waren nun dort stets zu finden.
In den 50er Jahren wurde das Kaufhaus "Zum Mohren " eröffnet später war dort das Kaufhaus "Weka" zu finden.
Die Pferdefuhrwerke welche früher in die Stadt kamen,übernachteten gerne "im Bären",deshalb waren dort zahlreiche Stallungen vorhanden!


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