Bei unserem letzten Forumstreffen wurde die Geschichte einer Radar Station die hier in unmittelbarer Nähe,zwischen Watzendorf und Neuses a.d.Eichen aufgebaut und von ca 1943 bis April 1945 bestand,angesprochen. Das Thema war schon einmal hier im Forum,liegt aber schon gut sieben Jahre zurück.Zum damaligen Zeitpunkt ging die Debatte über "Vermutugen" nicht hinaus!Nun liegen aber andere Erkenntnisse vor!
Dank Rolf,sind darüber entscheidente Neuigkeiten ans Tageslicht gekommen,die hier,mit Bildern welche er dazu aufgenommen hat, gepostet werden sollen. F.f.
Gerd und ich überlegen noch, wie wir dieses Thema in mehreren Beiträgen aufbauen (Texte und Bilder); es soll ja auch auf Resonanz bei den Forumslesern stossen.
Die Recherchen sind - wenn überhaupt jemals - noch nicht abgeschlossen, aber man muss sich beeilen, weil die Zeitzeugen immer weniger werden und ihnen z.T. auch das Erinnerungsvermögen schwindet.
Es ist auch nicht einfach, Fakten, subjektiv gefärbte Erinnerungen und eigene Hypothesen unter einen Hut zu kriegen (aber wenn man es jetzt nicht macht, ist das Wissen um diese Radarstellung in ein paar Jahren völlig verloren gegangen).
Na, Gerd und ich werden's versuchen; einige Überraschungen sind garantiert
Ich nehme an,das jeder hier im Forum das Wort RADAR schon einmal gehört hat. Im Bezug auf die Eingangs gemachten Hinweise möchte ich mit wenigen Worten erklären was es damit auf sich hat.
"Radar kann man als das Verfahren definieren,anhand der Echos von Funksignalen die Anwesenheit von Objekten zu entdecken,ihre Richtung und Entfernung zu bestimmen,ihre Art zu erkennen und die so gewonnenen Daten für militärische,seemännische oder andere Operationen zu nutzen!" Das Prinzip der Reflexion von Funkwellen wurde in den Jahren 1886-87 von Professor Rudolf Hertz am Polytechnikum in Karlsruhe entdeckt. Hertz hatte aber keine praktische Nutzanwendung für seine Entdeckung und somit bliebe es verschiedenen anderen Forschern überlassen seine Entdeckung für die drahtlose Telegraphie zu nutzen. Erst ein gewisser Christian Hülsmeyer sollte den Beweis liefern,das man Funksignale gezielt einsetzen konnte ,um später dann auch Flugzeuge in weiter Entfernung zu erfassen und deren Flugroute bestimmen zu können. Hohe Militärs,auch ein Admiral TIRPITZ von der kaiserlichen Marine,lehnten dieses Verfahren jedoch während des 1.W.K. ab.(Man gab lieber Flaggensignale,Lichtsignale,bediente sich auf Land der Brieftauben oder schickte "Meldegänger")Sogar als man dann im 2.W.K. begann in die Nachtjäger Radargeräte einzubauen,weigerten sich adlige Piloten,die im Sinne von Richthofen ,Immelmann oder Boelke "erzogen" wurden,mit "diesem Neuen Zeug" umzugehen. Die Forschung in Bezug auf Radar blieb aber nicht stehen und auch andere Nationen arbeiteten an der Verbesserung ! Als dann in den 30er Jahren in Deutschland die "Wehrhoheit" wieder hergestellt war,arbeitete die noch junge Luftwaffe verstärkt am Aufbau von Radarstationen,bzw. an der Technik. Nachdem der 2.W.K. begonnen hatte entstanden sprunghaft Radarstationen,praktisch über ganz Europa verteilt.Erste Anlagen wurden mit noch "himmelhohen Antennen" an der Kanalküste zu England hin errichtet. Als die Luftschlacht gegen England begann und Städte wie London,Liverpool,Birmingham und die Küstenstädte an der Südküste von England in Schutt und Asche fielen,war die Antwort auf Deutsche Städte eine beschlossene Sache. Nun kam das zurück,was vorher gesäht worden war und die Englischen Bomber tauchten über Deutschland auf. Als die Kriegserklärung der USA gegen Deutschland ausgesprochen war,wurde die Gefahr durch feindliche Flugzeuge über Deutschland immer bedrohlicher. Bei Tage kamen die Amerikaner,bei Nacht die Engländer und luden ihren "Segen" über den Deutschen Städten ab. Umso dringender wurden nun weitere Radarstationen gebraucht und gebaut.
So enstand nun hier,im Jahre 1943 bei uns,über dem Itztal gelegen,zwischen Watzendorf und Neuses a.d. Eichen eine Radarstation.Sie trug den Decknamen "Stachelschwein" . F.f.
Im Vorgriff auf die geplante Radarstation in Watzendorf/Neuses a.d.E.,erschien ein Vermessungstrupp der Luftwaffe(1942/43?)und bezog Quartier in Untersiemau.Die Soldaten müssen während ihrer Anwesendheit in Privatquartieren untergebracht gewesen sein und zwar "zwischen Murrmann und Raab",wie mir ein alter "Siemauer" bestätigte. Dieser Vermessungstrupp machte zwischen Unter und Obersiemau Flurbegehungen .Das zunächst erkundete Areal für eine Radar Station dürfte wohl nördlich der Bundesstrasse nach Lichtenfels gelegen haben,(Hochfläche in Richtung Weissenbrunn a. F.)denn nach Südosten hin erstreckt sich das mächtige Massiv des Banzer Waldes,welches einer gezielten (Fern) Arbeit mit Funksignalen sicher im Wege stand! Ob darüber hinaus noch andere Standorte zur Auswahl kamen,lässt sich heute nicht mehr belegen.Wahrscheinlich bewegte sich der Vermessungstrupp auch an anderen Orten im Landkreis um sich letztendlich für den o.E. Standort zu entscheiden. Auf dieser Hochfläche bei Neuses/E., praktisch zwischen dem Itztal im Osten und dem Tal der Rodach im Westen(Sesslach)gelegen, schien ein idealer Standort für die Station zu sein.Natürliche Abstrahlungen von Funkwellen waren hier oben wohl nicht zu erwarten! Zu den in den letzten Tagen gewonnenen Erkenntnissen,die ehemalige Radarstation betreffend ,wird Rolf hier weiter posten!
Die Radarstellung „Stachelschwein“ (von Zeitzeugen nur „die Stellung“ genannt), lag mit ihren verschiedenen Einrichtungen überwiegend auf der Gemeindeflur von Neuses an den Eichen. Nur der Tiefbrunnen und der geplante Beobachtungsturm befanden sich auf Watzendorfer Terrain.
Personell war die Stellung mit einer Kompanie bestückt (24. Mittl. Flugm.-Leitkompanie III/Ln-Rgt. 237). Damit ist von ca. 150 dort stationierten Soldaten (Mannschaftsdienstgrade, Unteroffiziere, Offiziere) auszugehen. Hinzu kam noch ein ca. 25köpfiges weibliches Personalkontingent, welches von den Zeitzeugen als „Luftwaffenhelferinnen“, „Blitzmädchen“ und „Arbeitsmaiden“ bezeichnet wird. Immerhin musste ja die Radarüberwachung des Luftraumes mit den zugehörigen Auswertungen rund um die Uhr erfolgen.
Die Luftnachrichten-Datenbank gibt zur Stellung „Stachelschwein“ folgende Hinweise:
Hieraus ist zu entnehmen, dass es sich um eine Stellung 2. Ordnung handelte und dass es eine vergleichbare Nachbarstellung „Wildschwein“ bei Schweinfurt gab.
Hier noch zwei Übersichten über die damaligen Radarstellungen in Deutschland und in der näheren Umgebung:
Nach der Luftwaffendatenbank ist die exakte Lage der Stellung „Stachelschwein“ unbekannt, die Ausstattung mit Radargeräten wird hiernach mit Stand vom 20.06.1944 wie folgt beschrieben:
Ein „Würzburgriese“ diente – vereinfacht dargestellt – eher der Messung von Entfernung und Bewegungsrichtung feindlicher Flugzeuge, eine “Freya“ eher der Höhenmessung. Hierzu folgende Beschreibungen:
Die Zeitzeugenaussagen bestätigen das Vorhandensein von 2 Würzburgriesen; ob und ggf. wo in der Stellung eine Freya-Radaranlage stand, habe ich bisher nicht heraus finden können.
Mir ging es jetzt vor allem darum, von den Zeitzeugen (zwischen 73 und 92 Jahre alt) zu erfahren, welche Ausstattungsmerkmale insgesamt zur Radarstellung „Stachelschwein“ gehörten und wo sie – möglichst exakt – positioniert waren.
- Es gab mit hoher Wahrscheinlichkeit 3 Baracken als Mannschaftsunterkünfte und eine Baracke als Materiallager (von diesem Materiallager aus wurden auch täglich gasgefüllte Wetterballons gestartet) - Die Eingänge zu den Mannschaftsbaracken lagen an deren südlicher Schmalseite - Es gab mit Sicherheit zwei Radaranlagen „Würzburgriese“ - Es gab mit Sicherheit einen großen Scheinwerfer bzw. ein Leuchtfeuer sowie in dessen Nachbarschaft zwei kräftige Stromaggregate. - Es gab mit Sicherheit einen 114 m tiefen Brunnen zur Wasserversorgung der Stellung - Es gab mit Sicherheit einen Wasserhochbehälter, zu dem das Wasser vom Brunnen hoch gepumpt wurde - Es gab mit Sicherheit durch eine Zimmerei angefertigte Holzlaufstege zwischen Mannschaftsunterkunft zur Radarstation und zwischen den beiden Radarstationen - Die sonstigen Verbindungswege in der Stellung waren mittels Schotter/Schlacke befestigt - Es gab mit Sicherheit die Planung für einen Beobachtungsturm (Fundamente wurden bereits angelegt) - Durch Zeitzeugen nicht zu bestätigen war eine Stromfreileitung von der Mühle Großheirath zur Stellung - Der Telefonanschluss der Stellung erfolgte wohl über das Bürgermeisteramt in Neuses an den Eichen - Die Stellung war übrigens nicht eingezäunt
Gerd und ich konnten einige der Firmen recherchieren, die am Bau der Stellung beteiligt waren:
- Der 114 m tiefe Brunnen, der damit vertikal bis auf die Sohle des Itztales reichte, wurde von der Hofer Brunnenbaufirma Etschel & Meyer gebohrt. Die Mitarbeiter der Brunnenbaufirma waren übrigens im Gasthof „Zum goldenen Stern“ (auch bekannt als „Gastwirtschaft Schramm“) in Neuses an den Eichen einquartiert. In diesem Gasthaus verkehrten ebenfalls die männlichen und weiblichen Mitarbeiter der Radarstellung - Betonarbeiten, wie Sockel der Würzburgriesen oder die Fundamente des geplanten Beobachtungsturmes, wurden von der Coburger Baufirma Brockardt ausführt - Alle Elektroarbeiten (Anlieferung und Aufstellung der Stromaggregate, des Scheinwerfers, Installation der Pumpe im Wasserhochbehälter, unterirdische Stromverkabelung zwischen Stromaggregat – Radaranlagen – Wasserpumpe – Unterkunfts- und Materialgebäuden) wurden von der Coburger Elektrofirma Max Walter, damals Rosengasse 10, verrichtet
Vor allem mit Unterstützung eines Zeitzeugen, der damals auf seinem Schulweg täglich von Neuses an den Eichen nach Watzendorf in Sichtweite an der Radarstellung vorbei lief und über noch recht präzise Erinnerungen verfügt, habe ich versucht, in Google-Earth-Landkarten einen Lageplan der Radarstellung „Stachelschwein“ einzuzeichnen.
Dazu links eine Karte, in der mit gelben Pins alle Bestandteile der Stellung markiert sind und rechts eine Karte, in die ich die wesentlichen Bestandteile der Stellung (Anfahrtsweg ,Gebäude, Wasserhochbehälter, zwei Würzburgriesen und die Verbindungsstege) möglichst lagegenau eingezeichnet habe (da mir bislang leider keine Fotos dieser Radarstellung vorliegen, erfolgte die Rekonstruktion alleine auf der Basis von Zeitzeugenaussagen):
Rolf Metzner
hat folgende Bilder an diesen Beitrag angehängt
Die Radarstation hatte also nachweislich zwei Radargeräte, sogenannte "Würzburgriesen"(Bilder von solchen Geräten werden hier von Rolf gepostet). Ein weiteres Gerät,ein "Freya" soll auch gestanden haben.Diese Antenne konnte aus einer Entfernung von ca. 150km Flugzeuge ordern.Die "Würzburgriesen" hatten eine Reichweite von etwa 50km.Eines dieser Würzburg Geräte brachte die Deutschen Jäger an den feindlichen Bomberpulk heran,die Piloten wurden von der Station durch Sprechfunk unterrichtet.Das andere Würzburg G.arbeitete in Verbindung mit dem Freya Gerät. Als die Radaranlagen noch nicht überall aufgebaut waren,standen im Bereich von Orten,wie z.B. Schweinfurt,das besonders durch die Kugellagerindustrie gefährdet war,Scheinwerfer Batterien,die den Nachthimmel bis in grosse Höhen nach Bombern absuchten. Und wenn sie dann die Flugzeuge im Scheinwerferkegel hatten,begann die Flak zu feuern.Man sprach damals von der "Hellen -Nachtjagt".... Doch dann bemerkten die Piloten in den Bombern,das die Scheinwerfer aus blieben....und sie wurden trotzdem mit Flakfeuer belegt!....???...Jetzt zeigten die Radargeräte unten am Boden ihre Wirkung.Sie hatten die Bomber geordert und gaben die Schiessbefehle an die Flakbatterien weiter.Nun sprach man von der "Dunklen Nachtjagd"Gefährdet waren aber dabei auch die deutschen Nachtjäger die zwischen den Bomberpulks herum kurften!... Um die Wirkung der Radarstrahlen zu unterbinden,fanden die Engländer ein einfaches Mittel.Sie nannten es "Window"... Das waren Staniolstreifen von etwa 25cm Länge und etwa 1 bis 2 cm Breite.Verpackt in Päckchen mit jeweils 1 Pfund.Das Führungsflugzeug einer Bomberflotte warf nun alle Minute ein solches Päckchen ab und diese Streifen wirbelten wie Schnee über die Landschaft am Boden und legte einen "Nebelvorhang" über die Radarstationen! Was konnte man dagegen tun? Nun baute man in den Nachtjägern auf deutscher Seite Radargeräte ein,oftmals an den Bugkanzeln die dazu gehörigen Antennen.Daraufhin konnten sich die deutschen Flugzeuge selber den Bomberpulk suchen,denn das "Window" war damit ausgeschaltet! Auch über der Radarstation in Neuses wurden solche Staniolstreifen abgeworfen und die Zeitzeugen sprechen davon,das der Wald und die Wiesen manchmal dort wie im Wnter bei Schnee aussahen. Die Radarstationen,welche hier aufgebaut waren,überlagerten sich mit ihrer Reichweite gegenseitig.Somit dürfte auch die Station "Stachelschwein" Anteil an dem Grossangriff der Engländer in der Nacht vom 30./31.März 1944 gehabt haben,als sie mit 795 Bombern,darunter 572 Lancaster,214 Halifax und 9 Mosquitos die Frankenmetropole Nürnberg/Fürth angriffen. 95 Bomber kehrten nicht mehr nach England zurück.Dieser Angriff ist in dem Buch "Nürnberg im Bombenkrieg" eindeutig beschrieben... Einer dieser Bomber, eine Avro Lancaster von der 97.Sqn.stürzt auf dem Rückflug in den Wald von Hohenstein.Die 8 Mann der Besatzung kommen ums Leben.Wahrscheinlich hatte diese Maschine noch über Fürth/Erlangen Treffer ab bekommen,warf noch über Scherneck in einen Notabwurf restliche Stabbrandbomben ab und zerschellte letztendlich im Bereich der heutigen "Alten Schäferei".... Lt. Zeitzeugen soll die damalige Totenfrau von Ahorn,die toten Soldaten mit dem Handwagen von der Absturzstelle zum Friedhof nach Ahorn gekarrt haben.....Sie wurden hier beerdigt,aber später auf einen Soldatenfriedhof am Tegernsee umgebettet.
Zitat von gerd im Beitrag #7 .......Einer dieser Bomber, eine Avro Lancaster von der 97.Sqn.stürzt auf dem Rückflug in den Wald von Hohenstein.Die 8 Mann der Besatzung kommen ums Leben.Wahrscheinlich hatte diese Maschine noch über Fürth/Erlangen Treffer ab bekommen,warf noch über Scherneck in einen Notabwurf restliche Stabbrandbomben ab und zerschellte letztendlich im Bereich der heutigen "Alten Schäferei".... Lt. Zeitzeugen soll die damalige Totenfrau von Ahorn,die toten Soldaten mit dem Handwagen von der Absturzstelle zum Friedhof nach Ahorn gekarrt haben.....Sie wurden hier beerdigt,aber später auf einen Soldatenfriedhof am Tegernsee umgebettet.
Ich habe heute mit diesem Zeitzeugen aus Ahorn gesprochen (leider ist er nach einem Schlaganfall gesundheitlich sehr angeschlagen): Offensichtlich hat dieser Lancaster-Bomber noch zwischen der heutigen B 303 und der "Alten Schäferei" die letzten Brandbomben abgeworfen (der Zeitzeuge spricht von "schwarzen Bäumen" in diesem Bereich) und ist dann zwischen "alter Schäferei" und Kutschweg nach Hohenstein in den Wald gestürzt. Eine andere Ahornerin konnte mir die Absturzstelle recht genau beschreiben (siehe beigefügte Google-Earth-Karte).
Noch ein Link zu den "Düppeln", die die Radarortung feindlicher Flugzeuge damals erschweren sollten:
Wie es so ist, wenn man sich mit einem Thema aus der Vergangenheit näher befasst, müssen bei weiteren Zeitzeugenbefragungen bisherige Ergebnisse ergänzt und/oder relativiert werden.
Ich habe gestern zwei Zeitzeugenbefragungen zur Radarstellung „Stachelschwein“ durchgeführt; darunter ein ca. zweistündiges Gespräch mit einem sehr zuverlässigen und erinnerungsstarken Zeitzeugen.
Folgende interessante Informationen erhielt ich dabei zur Radarstellung und zum Drumherum:
- Es waren deutlich mehr als 4 Gebäude/Baracken, wie ich bisher angenommen hatte (dies betrifft sowohl die Unterkunfts-, als auch die Funktionsbaulichkeiten).
- Bisherige Zeitzeugenaussagen, dass die Gebäude von noch vor Ort befindlichen deutschen Soldaten angezündet wurden, als die Amerikaner schon in Watzendorf einmarschierten, standen für mich im Widerspruch zu Erkenntnissen, dass insgesamt 4 Baracken demontiert und an anderer Stelle wieder aufgebaut wurden. Gestern habe ich erfahren, dass Beides richtig ist: ein Teil der Gebäude hat gebrannt, 4 unversehrte wurden aber an anderer Stelle wieder aufgebaut: darunter 3 Baracken in Ziegelsdorf zur Unterbringung schlesischer Flüchtlinge, die in der Landwirtschaft des Rittergutes arbeiteten, und eine davon als Schuppen in einem landwirtschaftlichen Anwesen in Neuses an den Eichen.
- Es hat in der Stellung sogar einen Kinoraum gegeben; hierzu berichtet der Zeitzeuge, dass die Kinder der umliegenden Dörfer einmal dorthin eingeladen wurden zur Filmvorführung: „Das tapfere Schneiderlein“.
- Es gab - das war für mich völlig neu - Luftverkehr in der Stellung „Stachelschwein“: Auf der Wiese zwischen Wasserhochbehälter und Radaranlagen landete gelegentlich eine Fieseler Storch.
- Gestern wurde mir durch zwei Zeitzeugen die genaue Lage des Brunnens im Waldstück „Rotholz“ beschrieben. Es sei nicht einfach ein runder Brunnenschacht gewesen, sondern ein abgedecktes Bassin mit einer Art Bunker darunter, im dem sich die eigentliche Brunnenanlage befunden habe (von der das Wasser in den Hochbehälter gepumpt worden sei). Beide Zeitzeugen haben sich bereit erklärt, mir bei trockenerem Wetter die exakte Lage des Brunnens zu zeigen.
- Der große Suchscheinwerfer hatte wohl eine etwas andere Position, als von einem vorherigen Zeitzeugen beschrieben, er stand mehr in südlicher Richtung der Radarstationen am Waldrand (Flurbezeichnung "Thiereller").
- Das Vorhandensein einer Radarstation „Freya“ konnte mir auch dieser Zeitzeuge nicht bestätigen.
- Der massenhafte Abwurf von Staniolstreifen („Düppeln“) durch feindliche Bomber im Umfeld der Radarstation „Stachelschwein“ wird auch diesmal berichtet.
- Von anderer kompetenter Stelle habe ich noch erfahren, dass die 3 benachbarten Radarstationen („Stachelschwein“ bei Neuses a.d.E., „Made“ in Mendhausen bei Römhild und „Wildschwein“ in Euerbach bei Schweinfurt; Flakhelfer in dieser Stellung waren übrigens Graf Alram zu Ortenburg, der spätere Coburger Kreisrat und Vizepräsident des bayerischen Landtages Möslein und noch 2 weitere Coburger) in sog. Triangulation zusammen arbeiteten, um deutsche Abfangjäger auf die feindlichen Bomberpulks anzusetzen, die sich im Angriff auf Nürnberg, Dresden oder Leipzig befanden. Hier eine in diesen Radarstationen verwendete "Flugansagekarte":
- Die Stellung „Stachelschwein“ wurde offiziell am 07.04.1945 mit einem LKW-Konvoi geräumt, die Amerikaner standen bereits in Seßlach. Es blieben aber noch deutsche Soldaten bei der Stellung, sie zündeten ja am nächsten Tag das Lager an. Ein deutscher Soldat wurde von den Amerikanern in der Stellung erschossen. Etliche deutsche Soldaten trieben sich noch tagelang in den benachbarten Wäldern herum und entledigten sich ihrer Waffen, Stahlhelme, Uniformen und Ordensabzeichen (die Kinder haben damals diese Gegenstände aufgesammelt).
- An den beiden Radarstationen (Würzburgriesen) waren Sprengkapseln angebracht, die aber nicht mehr gezündet wurden, weil die Amerikaner schneller kamen, als erwartet (die Amerikaner kamen damals über Seßlach, Watzendorf, Neuses an den Eichen – dort waren sie auch einquartiert – und rückten dann auf Rossach vor).
- Das weibliche Personal der Stellung sei nach deren Aufgabe bei Bauern der umliegenden Dörfer untergebracht/versteckt worden.
- In der Stellung blieben damals viele Waffen, Munition und natürlich technische Geräte zurück, die von der Bevölkerung (auch Kindern) geplündert wurden. Gerd weiß z.B. aus zuverlässiger Quelle, dass ein Stromaggregat zur Firma Escora nach Coburg und das andere zur Firma Debus in Untersiemau verbracht wurde.
- Ich habe natürlich auch diesen Zeitzeugen, wie alle anderen, nach alten Fotos von der Radarstellung gefragt: Damals habe im Dorf noch niemand einen Fotoapparat gehabt; seien Fotos benötigt worden, habe man den Uhlenhuth aus Coburg her bestellt.
Der gestrige Zeitzeuge hat mir noch weitere interessante Informationen aus der damaligen Zeit gegeben, die zwar nicht direkt mit der Radarstellung „Stachelschwein“ zusammen hängen, die es m.E. aber auch wert sind, fest gehalten zu werden:
- Als die Amerikaner bereits in Seßlach waren, hätten die Bauern der Eigensdörfer noch schnell die Kartoffeln in den Feldern verbuddelt, aus Angst, die Amis würden ihnen die Saatkartoffeln weg nehmen.
- Der Zeitzeuge ist als Kind auch zur Absturzstelle des englischen Lancaster-Bombers zwischen Ahorn und Hohenstein gerannt und bestätigt die von mir erkundete Absturzstelle hinter dem Hühnerberg. Die 8 toten englischen Soldaten seien noch im Bomber (der nicht gebrannt habe) gehangen; der Anblick sei für sie als Kinder sehr grauselig gewesen und sie seien schnell wieder heim gerannt.
- Bei Meschenbach sei eine deutsche JU 88 notgelandet; das sei ein grosses Spektakel gewesen und die ganze umliegende Bevölkerung habe sich dort eingefunden.
- Der Zeitzeuge war damals beim Jungvolk, Gruppe 8 Eigensdörfer (11- 14-jährige Buben). Sie haben gegen Ende des Krieges an der höchsten Stelle der Straße zwischen Neuses a.d.E. und Watzendorf einen Bunker gebaut und rund um die Uhr auf heran nahende Tiefflieger achten müssen, um diese dann schnell zu melden. Von ihrem Bunker aus habe man gut auf die etwas tiefer liegende Radarstellung „Stachelschwein“ schauen können.
- Die Schulungen für das Jungvolk hätten im Bahnhof Rossach stattgefunden. Während einer Schulung habe es einen Tieffliegerangriff auf die Firma Wagner in Untersiemau gegeben; da hätten sie alle raus in die Hecken gemusst.
- Gegen Ende des Krieges sei – unabhängig von den Soldaten in der Radarstellung – noch ein schon recht dezimiertes Rückzugsbattalion in Gossenberg einquartiert gewesen. Man habe die besten Pferde im Dorf requiriert, um Verwundete und Fußkranke Richtung Bayreuth/Hof in Marsch zu setzen. Der Kommandeur des Rückzugsbattalions habe kurz vor Kriegsende zu ihm (dem jetzigen Zeitzeugen) gesagt: "Bub, geh nicht mehr hoch in deinen Beobachtungsbunker; es wird zu gefährlich und es ist eh alles bald vorbei". Als dann die Amerikaner schon in Neuses an den Eichen Quartier bezogen hatten, hätten auf der Bank vor einem Bauernhaus in Gossenberg noch zwei hohe SS-Offiziere in Uniform gesessen (ein plakatives Bild für die damalige hektische Umbruchzeit).
Vielleicht kann Gerd noch Einiges zum Leben und zum Ende der Radarstellung „Stachelschwein“ ergänzen; er ist heute jedenfalls auch noch mal auf Recherche.
Darüber hinaus sind noch zwei weitere Beiträge zu den heute noch vorhandenen Relikten der Radarstellung „Stachelschwein“ vor Ort und an anderen Stellen geplant.
Hier nochmal ein aktualisierter Lageplan der Radarstellung "Stachelschein" (rekonstruiert nach bisherigen Zeitzeugenaussagen):
Rolf Metzner
hat folgende Bilder an diesen Beitrag angehängt