Rothhof bei Weitramsdorf

#1 von shabby , 27.08.2018 09:52

Auf meinen Mountainbiketouren bin ich schon öfters an seltsamen, gar nicht mal so alten (teils Betonsteine) Grundmauern im Wiesengrund etwa mittig zwischen Neundorf und Krumbach vorbei gekommen. Wikipedia kennt die Stelle und bezeichnet sie als abgegangene Ortschaft "Rothhof". https://de.wikipedia.org/wiki/Rothhof_(Weitramsdorf) Gibt es dazu mehr Wissen als das? Oder sogar historische Bilder?


Angefügte Bilder:
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RE: Rothhof bei Weitramsdorf

#2 von Stammbus , 27.08.2018 14:56

Habe nur den Link korrigiert: https://de.wikipedia.org/wiki/Rothhof_(Weitramsdorf)

aber sonst leider keine Informationen.

Rolf könnte etwas wissen, aber der ist derzeit in Urlaub.

 
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RE: Rothhof bei Neundorf

#3 von Rolf Metzner , 27.08.2018 15:25

Die Einöde Rothhof gehörte zu Neundorf.

Über die Einwohnerzahlen der Einöde Rothhof konnte ich folgendes finden:
1833 hatte der Ort drei Häuser, in denen 13 Personen lebten. 1875 zählte er fünf Einwohner und 6 Gebäude, 1950 deren acht, 1973 Null. 1987 wurde Rothhof nicht mehr im amtlichen Ortsverzeichnis erwähnt.

Historische Karten um 1860 zeigen die Lage von Rothhof zwischen Neundorf und Krumbach sowie die Gebäudeanordnung von Rothhof. Auch auf einem preussischen Messtischblatt um 1910 (Ausschnitt) ist die Häuseranordnung erkennbar:



Dann noch Kartenausschnitte von 1924, 1956 und 1972:



Aktuelle Karte mit Wegbeschreibung zu den Überresten von Rothhof: Weg 1 ist schwierig, da er sich gegen Ende im Wald verliert; Weg 2 könnte man im Prinzip komplett mit den Auto fahren (z.B. X3 ), wenn man Verbotsschilder nicht so genau nimmt und eine Wegschranke offen ist (man kann das Auto auch vor dieser Schranke abstellen und den letzten Kilometer zu Fuß gehen):


 
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RE: Rothhof bei Weitramsdorf

#4 von Christian , 27.08.2018 16:14

Rothhof hatte einst zwei Häuser und gehörte politisch zum Langheimer Klosterhof in Tambach, wo auch Recht gesprochen wurde. Kirchenorganisatorisch war Rothhof der Pfarrei Neundorf zugeteilt, also auch nach der Reformation katholisch.


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RE: Rothhof bei Weitramsdorf

#5 von shabby , 27.08.2018 21:15

Danke. Das meiste steht natürlich so schon in Wikipedia oder ist dort verlinkt. Gerne hätte ich noch ein paar mehr Information oder Fotos. Ein Wanderführer bezeichnet die Einöde als gräflichen Gutshof. https://www.wanderkompass.de/Thueringer-...88-rothhof.html Die Häuser scheinen in den 1970ern ja noch gestanden zu haben.


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RE: Rothhof bei Neundorf

#6 von Rolf Metzner , 28.08.2018 17:47

Also, ich hab' mich heute mal des Themas "Rothhof" angenommen.

1. die Gemeinde Weitramsdorf angemailt und um Infos zu Rothhof, wenn vorhanden auch Bildmaterial, gebeten.

2. hab' ich vor Ort in Neundorf, wo der alte Weg nach Rothhof beginnt, eine Frau beim Gießen angesprochen und Glück gehabt: Ihr 82jähriger Vater wisse sicher noch viel über Rothhof; er sei u.a. als Metzger dort zum Schlachten gewesen, auch mit Pferden habe er dort zu tun gehabt. Der alte Herr H. ist bis Ende dieser Woche noch auf Reha, sei aber geistig fit. Ich werde ihm nächste Woche einen Besuch in Neundorf abstatten.

 
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RE: Rothhof bei Neundorf

#7 von Rolf Metzner , 29.08.2018 15:02

Hab' heute nochmal vor Ort in Neundorf und Rothhof recherchiert und bin in Neundorf auf den 77jährigen Herrn Winfried Trinkerl gestoßen, der mir folgend Informationen zu Rothof geben konnte:

Rothhof: Gespräch mit Herrn Winfried Trinkerl (77) am 29.08.2018 in Neundorf:

- Rothhof und die Ländereien drumrum gehörten/gehören den zu Ortenburg’s/ Tambach. Der Tambacher Wildpark reicht nahe an Rothhof heran; auch das Land bis Witzmannsberg ist in Ortenburg’schem Besitz.
- Rothhof war durch Landwirschaft (Getreideanbau) und Obstanbau geprägt, vor allem befand sich dort aber eine Pferdezucht der Grafen zu Ortenburg (Herr Trinkerl spricht von Arabern, die dort gezüchtet worden seien). Es habe große Pferdekoppeln gegeben.
- Die Pferdezucht habe in Rothhof auch noch nach dem 2. WK bestanden, da Herrn Trinkerl‘s Opa dort nach dem 2. WK beim Bau eines neuen Pferdestalles mitgearbeitet habe. Er selbst habe seinem Opa damals das Essen dorthin getragen.
- Es habe in Rothhof ein großes Wohnhaus/Bauernhaus gegeben (mindestens 30 m lang) mit Getreideboden und Ställen. Dann noch zwei große Scheunen und den neuen Pferdestall.
- Die Wasserversorgung in Rothhof sei durch einen eigenen Brunnen erfolgt; elektrischen Strom habe es dort nie gegeben.
- Nach dem 2. WK sei die Familie Pilcher, Flüchtlinge aus Ostpreussen, die dort ein eigenes Gut besessen hätten, vom Tambacher Grafen Alram zu Ortenburg in Rothhof einquartiert worden (die Pilcher’s haben dann wohl einen Bauernhof in Neundorf übernommen).
- Anfang der 1950er-Jahre sei dann eine Familie Schuster mit etlichen Kindern in Rothhof eingezogen. Ein älterer Sohn hätte täglich seine kleine Schwester durch den Wald in die Schule nach Neundorf gebracht und wieder abgeholt (Ende der 1950er-Jahre nach Neundorf und dann nach Bamberg verzogen).
- Ende der 1950er-/Anfang der 1960er-Jahre seien dann zwei kinderreiche Familien nach Rothhof gekommen, die Familien Rebhan und Schadt. Zu dieser Zeit habe es keine Pferdezucht dort mehr gegeben. Diese beiden Familien waren Selbstversorger, hielten Kleinvieh und pflegten wohl auch noch die Obstplantagen des Tambacher Grafen. Diese beiden Familien zerstritten sich irgendwann; erst zogen die Schadt’s weg, später die Rebhan’s (Herr Trinkerl datiert dies auf die 1960er-Jahre). Die Rebhan’s hätten dann noch Unterkunft im alten Gemeindehaus von Neundorf gefunden (was nicht mehr steht).
- Offensichtlich verloren dann die zu Ortenburg’s das Interesse an Rothhof und die Gebäude begannen zu zerfallen (erst Löcher in den Dächern, dann nur noch Ruinen). „Man“ hat sich dort wohl auch viele Baumaterialien geholt. Möglicherweise sei das Gelände dann von den zu Ortenburg’s zusätzlich noch wegen Unfallgefahren eingeebnet worden.
- Die Gärtner von Schloss Tambach hätten noch lange das Obst um Rothhof herum geerntet (auch die Neundorfer hätten sich natürlich dort bedient).


Mal schau'n, was das Gespräch mit dem 82jährigen Herrn Herr nächste Woche noch ergibt! (die Gemeinde Weitramsdorf hat sich noch nicht gerührt)


 
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RE: Rothhof bei Neundorf

#8 von Rolf Metzner , 30.08.2018 10:51

War auch heute nochmal vor Ort (Neundorf und Rothhof) und hab' Herrn Trinkerl den Katasterplan von 1860 vorgelegt, um die dort eingezeichneten Gebäude zu identifizieren. Offensichtlich hat sich in 100 Jahren dort nicht viel geändert (bis auf den nach dem 2. WK neu gebauten Pferdestall), um die Baulichkeiten klassifizieren zu können:


Er erinnerte sich noch, dass es auch einen Feuerlöschteich gab, die von mir eingezeichnete Lage ist aber nicht gesichert.

Rothhof ist nicht ganz leicht zu finden (habe 2 Anläufe gebraucht), es gibt aber vor Ort einen Hinweis. Die alte Ortsverbindung von Rothhof nach Krumbach ist noch gut zu erkennen und auch die damals zu Rothhof gehörigen Obstbäume sind noch reichlich vorhanden:



Fotos von den Fundamentresten hat "shabby" ja schon etliche geliefert, da hab' ich auch nicht mehr viel Neues:




Herr Trinkerl hat heute früh mir noch empfohlen, in der ortenburgischen Verwaltung ("Rentamt")im Schloss Tambach vorzusprechen, was ich auch gleich bei der Rückfahrt machte. Ich konnte dort mit einem Mitglied der gräflichen Familie sprechen und hatte den Eindruck, dass zum Thema "Rothhof" etwas gemauert wurde. Man erklärte mir, dass alle geschichtlichen Unterlagen zur Tambacher Grafschaft an das Staatsarchiv abgegeben worden seien und dass ich mich ja dort informieren könne. Man gebe auch grundsätzliche keine Auskünfte über private Dinge. Immerhin wurde mir bestätigt, dass es eine ortenburgische Pferdezucht in Rothhof gab und dass man die Gebäude dort in den 1970er-Jahren abgerissen habe, weil keine Verwendung mehr vorhanden gewesen sei.
Als "Bildzeitungs-Reporter" würde ich mich jetzt fragen: "Gibt es ein Geheimnis um Rothhof?"


 
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RE: Rothhof bei Neundorf

#9 von Stammbus , 30.08.2018 14:33

Zitat von Rolf Metzner im Beitrag #8

Als "Bildzeitungs-Reporter" würde ich mich jetzt fragen: "Gibt es ein Geheimnis um Rothhof?"




Gut dass dieser Kelch an Dir vorüber gegangen ist

Tolle Recherche, vielen Dank.


 
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RE: Rothhof bei Neundorf

#10 von Rolf Metzner , 03.09.2018 17:39

Dank Unterstützung seiner Tochter und Enkelin konnte ich heute mit Herrn Helmut Herr über Rothhof sprechen:

Rothhof: Gespräch mit Herrn Helmut Herr (82) am 03.09.2018 in Neundorf ( Herr Herr ist nach einem Schlaganfall gerade aus einer 5wöchigen Reha zurück gekommen, es war aber ein sehr interessantes einstündiges Gespräch mit ihm möglich):

- In den 1930er-/1940er Jahren hatte ein Herr Friedlein (mit Familie) den Gutshof Rothhof von den zu Ortenburgs/Tambach gepachtet. Es wurde dort eine komplette Landwirtschaft mit Getreideanbau, „Viechern“ (Ochsen, Pferde, Schweine, Schafe) betrieben. Was Herr Trinkerl als Feuerlöschteich beschrieben hatte, war damals auch ein Fischteich mit Enten und Gänsen. Dort wo nach dem 2. WK der neue Pferdestall hingebaut wurde, war vorher der Schafstall. Herr Friedlein sei jeden Sonntag nach Neundorf in’s alte Wirtshaus gekommen und habe mit Herrn Herr’s Großvater Karten gespielt. Der kleine Helmut Herr habe da immer eine Limonade bekommen. Des nachts sei der Herr Friedlein dann durch den Wald nach Rothhof heimgelaufen. Herr Friedlein habe gegen Ende des 2. WK die Pacht des Gutshofes Rothhof aufgegeben, weil sein Sohn im Krieg geblieben sei.
- Herr Herr relativiert die Aussage von Herrn Trinkerl, dass in Rothhof kein elektrischer Strom vorhanden gewesen sei: In der westlichen Scheune habe es eine Stromerzeugung (Generator) gegeben, womit z.B. auch die Dreschmaschine betrieben worden sei. Ein Anschluss an das öffentliche Stromnetz bestand allerdings nie; vielleicht wurde der Stromgenerator später nicht mehr eingesetzt.
- Die Pferdezucht nach dem 2. WK (Herr Herr spricht von Haflingern und Arabern) wurde durch die gräfliche Familie Ortenburg betrieben. Herr Herr vermutet, dass dies ein Hobby der Mutter des Grafen Alram zu Ortenburg gewesen sei, die ja aus Ungarn stammte (Gräfin Ilona Semsey de Semse, 1895–1978).
- Herr Herr erzählt noch, dass sie als Kinder/Jugendliche häufig hinter nach Rothhof seien, um auf den dortigen Pferden, die in großen Koppeln abgestellt waren, wild zu reiten; er selbst sei mal von einem Haflinger gestürzt (wehe, der Graf habe sie erwischt). Später sei er als Metzger mehrfach zum Schlachten (Schweine) nach Rothhof gekommen.
- Es habe seitens des Grafen mal eine Planung gegeben, eine Straße von Neundorf hinter nach Rothhof zu bauen, das sei aber nie verwirklicht worden.
- Die Familien Schadt und Rebhan, die zuletzt in Rothhof gewohnt hatten, beschreibt Herr Herr als tendenziell asozial; zwischen den Männern hätte es häufiger Raufereien, wohl auch unter Alkoholeinfluss, gegeben.
- Das Wohnhaus sei dann baufällig geworden und die gräfliche Familie habe den Gutshof Rothhof schließlich wegen der Unfallgefahren in den 1970er-Jahren „eingelegt“ (abgerissen).
- Auf die Frage nach einem Foto von Rothhof die Gegenfrage: Wer hat damals schon einen Fotoapparat gehabt?
- Herr Herr verweist noch auf einen früheren Rentamtmann von Schloss Tambach, Herrn Hans Schulze, der noch viel über Rothhof wissen könne; aber ob der – ca. 86 – noch lebe?


 
Rolf Metzner
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