Veränderungen - Die Ecke Marschberg / Hutstraße (Beitrag vom 08.05.2010)

#1 von Christian , 07.05.2010 08:38

Wie bereits in den letzten beiden Artikeln festgestellt werden konnte, war die Ecke Marschberg / Hutstraße einer großen städtebaulichen Veränderung unterworfen. Anhand des Vergleichs zweier Fotos soll dies dargestellt werden. Das obere Bild zeigt die Situation der Einmündung beider Straßen in der Zeit um 1970. Das linke Gebäude Marschberg Nr. 2 entstand 1903 als historistische Kleinvilla mit einem Erker und einem Eckturm. Der Architekt Gustav Keßler hatte es seinerzeit für den Braumeister Reinhold Heymann erbaut. Dieser arbeitete für Coburger Hofbräu AG, deren Brauerei ja ebenfalls an der Einmündung der Hutstraße in den Marschberg lag. Es fällt in diesem Zusammenhang auf, dass viele Arbeiter dieser Brauerei in dem Bereich auch lebten. Ein weiteres Beispiel wird im Laufe des Aufsatzes noch folgen. Im mittleren hier gezeigten Gebäude Hutstraße Nr. 1 befand sich einst die Gaststätte „Zum Lindenthal“. Das Haus ließ der Gastronom Adam Sachs bereits im Jahre 1868 für sich errichten. Es war damit das älteste Wohngebäude in der Umgebung. Woher die Bezeichnung „Lindenthal“ herrührte, verraten uns die Chroniken nicht. Jedenfalls scheint es so, dass das Lokal einen regen Zuspruch erhielt, was aus der langen Existenz der Gaststätte hervorgeht. Dazu mag auch der Biergarten beigetragen haben, der vor dem Haus an der Einmündung beider Straße lag. Auf der Aufnahme von 1970 ist dieser bereits verschwunden. Er musste bereits zuvor neuen Parkplätzen weichen. So kann man nur erahnen, wie es dort vorher aussah. Vor diesem Biergarten stand einst, bis 1956, der sogenannte „Ölberg- oder Hölberlesbrunnen“ von dem schon an anderer Stelle die Rede war. Im Jahre 1970 findet sich dort eine wenig schmucke Bushaltestelle. Nach dem Tode von Adam Sachs 1898, erbte dessen Sohn Andreas das Anwesen. Er selbst arbeitete als Büttnermeister bei der Coburger Hofbräu AG. Es scheint, als hätten die Brauerei-Angestellten aufgrund des großen wirtschaftlichen Erfolges ihres Unternehmens, ebenfalls davon gut profitiert. Wie sein Arbeitskollege Heymann ließ sich auch Sachs auf dem hinteren Gartengrundstück seines Anwesens im Jahre 1908 eine dreistöckige Villa errichten. Diese Villa mit Eckturm ist auf unserem Foto auf der rechten Seite des Bildes gut zu erkennen. Sie trug einst die Adresse Hutstraße Nr. 3 und wurde fortan von der Familie Sachs bewohnt. Als Andreas Sachs während des Ersten Weltkrieges verstarb, verkaufte dessen Witwe das Gasthaus an den Wirt Wilhelm Müller. Die Familie Sachs indes ist noch bis 1955 als Eigentümer der Villa Hutstraße Nr. 3 nachweisbar. Beide Häuser der Familie teilten schließlich noch ein gemeinsames Schicksal – sie wurden nach 1989 im Zuge des Baus der Frankenbrücke abgebrochen. Wie auf dem aktuellen Foto zu sehen ist, thront heute nur noch die Heymann´sche Villa über der Einmündung der Hutstraße in den Marschberg. Sie war bis Mitte der 1950er Jahre im Besitz der Familie Heymann. Die Gaststätte „Zum Lindenthal“ existierte noch weit nach 1945. Anfang der 1950er Jahre verkaufte die Gastwirtswitwe Alma Müller Haus und Lokal an die Coburger Hofbräu AG. Es folgte schließlich die Verpachtung der Gaststätte, u.a. an den Gastronomen August Hose und an eine Familie Kunze. Anfang der 1980er Jahre wurde das Wirtshaus in „Hofbräustuben“ umgenannt und genoss keinen sonderlich guten Ruf mehr. Zuletzt versuchte hier ein Italiener mit einer Pizzeria sein Glück. Der letzte Hauseigentümer, die Paulaner AG München als Nachfolger der Coburger Hofbräu AG, verkaufte schließlich das Haus an die Bundesrepublik Deutschland. Das Haus Hutstraße Nr. 3 gehörte nach der Ära Sachs einer Familie Kühn. Im Erdgeschoss befand sich seinerzeit ein Friseursalon. Aber auch das ist inzwischen Geschichte. Die abgerissenen Häuser lassen heute einen Blick zum Anwesen Hutstraße Nr. 5 zu. Es bildet den Auftakt zu einer Reihe von einfachen Wohnhäusern, die der Baumeister Bernhard Felber 1873 auf eigene Rechnung errichten ließ. Hier lebten vor allem kleine Handwerker, wie die Adressbücher Coburgs berichten. Das hier zu sehende Gebäude erwarb 1876 der Malermeister Carl Held. Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte das Anwesen den Familien Döll und Kühner. Die Frankenbrücke wurde 1994 durch den Coburger Oberbürgermeister Norbert Kastner eingeweiht. Sie hat das verkehrstechnische Nadelör am Schlachthof entfernt. Doch bis heute bleibt die Frankenbrücke ein umstrittenes Objekt, auch weil ihr über 20 Wohnhäuser zum Opfer fallen mussten.

Bildquellen:
Bild 1: Die Situation um 1970 (Fotosammlung: Christian Boseckert)
Bild 2: Die heutige Situation 2010 (Foto: Christian Boseckert)


Angefügte Bilder:
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 CCI06052010_00000.bmp.jpg   Marschberg und Hutstraße.jpg 
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RE: Veränderungen - Die Ecke Marschberg / Hutstraße (Beitrag vom 08.05.2010)

#2 von Qidan , 16.11.2011 22:31

Hallo Christian, jetzt erst habe ich Deinen Artikel über Marschberg und Hutstrasse gefunden. Als ich neulich seit langer Zeit meine alte Heimat besucht habe, war mir diese Ecke so fremd! Allerdings war es sicher ein richtiges Nadelöhr, rechts der Heckenweg (das schönste Stück Land auf der Erde!), dann die Hut in der Mitte und links der Marschberg, dazu die Bahnschienen mit der Schranke! Natürlich musste da eine Lösung her, nur, nachdem Du aber im Schlussatz über das bis heute umstrittene Projekt geschrieben hast, hätte ich mir eine andere Lösung gewünscht. Gab es denn keine Alternativen zu dieser scheusslichen Brücke und dem Abriss der vielen Häuser? Gruß Qidan

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RE: Veränderungen - Die Ecke Marschberg / Hutstraße (Beitrag vom 08.05.2010)

#3 von Christian , 18.11.2011 13:24

Hallo Quidan, leider bin ich da überfragt. Da muss man die Zeitzeugen fragen. Aus heutiger Sicht würde ich sagen, dass es alternativ los war.

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RE: Veränderungen - Die Ecke Marschberg / Hutstraße (Beitrag vom 08.05.2010)

#4 von shabby , 18.11.2011 13:38

Ein alternativer Plan war: Untertunnelung der Stadt auf Höhe Schlossplatz. Ein und Ausfahrten sind mir nicht bekannt.

Klingt bestimmt wahnsinnig und richtig teuer. Speziell in der Schweiz sieht man in vielen eben auch kleineren Städten wie man überlastete Hauptverkehrsstrassen mehrspurig in den Untergrund verfrachtet.
In D: Baden-Baden.

Die Herzog-Höhn-Brücke und das ganzee Projekt "neuer Weg" war natürlich umstritten, jedoch wären die damaligen Gegner erst recht gegen eine Unterfahrung der Stadt gewesen. Und mit der Grenzöffnung entstand ein Verkehrsaufkommen, das einen Weiterbestand des alten Bahnübergangs nie und nimmer gerechtfertigt hätte.


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RE: Veränderungen - Die Ecke Marschberg / Hutstraße (Beitrag vom 08.05.2010)

#5 von gerd , 18.11.2011 17:17

Die Ecke "Schlachthofkreuzung" wie wir früher immer sagten,ist ja hier im Forum schon behandelt worden.
Ich wohnte mehrere Jahre "auf der Hut".
Wenn ich so zurück denke,was war das am Morgen(Abend) immer ein Theater,um vom Marschberg,Hut,Baumschulweg dort unten an der Einmündung in das Weichengereuth,in den fließenden Verkehr rein zu kommen!Es wurde tatsächlich hin und wieder der Verkehr dort durch mehrere Polizeibeamte(!) geregelt.Und damals war das Verkehrsaufkommen im Gegensatz zu heute weitaus weniger!
Aus meiner Sicht war diese Brücke alternativlos!
Sehn wir uns doch einmal die Verkehrsströme,welche nach Coburg rein führen einmal an:
O.k....wir haben heute eine Autobahn,die aber weit östlich von der Stadt vorbei führt.
Der von Süden kommende Verkehr läuft über die B4 und der "Stadtautobahn" westlich am Altstadtkern vorbei und bringt die Pendler und den Schwerverkehr zu seinen Zielen.(Innenstadt HUK usw.bzw.den LKW Verkehr ins Gewerbegebiet im Süden der Stadt-Brose z.B.und im Norden zum Gebiet Neuses-Glend.-Caeser)
Die westlich dieser Magistrale liegenden Wohngebiete-Ahorn-Wüstenahorn-Scheuerfeld-Thüringer-Viertel-Demo,dessen Bewohner zu ihren Arbeitsstätten in die Innenstadt wollen,müssen also unter oder über die Stadtautobahn kommen!
"Ahorner Berg"-kommend und links abbiegen ins Weichengereuth oftmals so gut wie unmöglich,bis die "Fahrweise" von manchen "kriminell" wird!!-kein Witz!
Rolf sollte mal die Situation schildern,wenn er in die Stadt will!!(??)

Die nächste an Masse von Fahrzeugen kommt nun vom Marschberg,Hutstrasse,in die Innenstadt(Anger usw.)
Was wäre heute dort los,hätten wir nicht die "Frankenbrücke"??
Weiteres Nadelöhr: Stadteinwärts-Kührengrund-Geleitstrasse.Da quälen sich zu den Stosszeiten die Leute durch die Callenberger Unterführung,um dann in Richtung Bahnhof,Kanonenweg oder Callenbergerstrasse zu gelangen.
Der abfliessende Verkehr von der Stadtautobahn kommt aber noch hinzu!
Fährt man am Abend,von der Autobahn kommend im Norden, über die Stadtautobahn Richtung Süden,kann es passieren,das sich im Weichengereuth,auf Höhe der OMV Tanke,ein Stau bildet,weil Kunden der Tanke dort rein oder raus wollen!Selbst dieses kurze Stück vom Weichengereuth -Frankenbrücke bis zur Kläranlage-,nur 2spurig befahrbar,stellt (noch) ein Hindernis dar!
Natürlich sind die schönen alten Häuser am Weichengereuth,welche der Brücke mit ihren Auf und Abfahretn weichen mussten,zu beklagen!Doch wohin hätten die damaligen Verkehrsplaner ausweiche können?---Zur Bahnseite hin??
Schaut man sich die Topographie am "Itzbogen"in Coburg einmal an:Östlich vom Fluss die Altstadt,westlich vom Fluss die steil aufragenden Hügel von Plattenäcker,Judenberg,Hohenfels Falkeneck usw.
Und dort im Tal musste eine leistungsstarke Strasse gebaut werden,um den horrend angewachsenen Verkehr aufzunehmen.
Man muss nur einmal die Bilder ansehen,als dort in den 70er Jahren eine Baustelle an der anderen war!Und der tägliche Verkehr musste da auch noch mit durch!
Was war es damals schon für eine Erleichterung,als die B4 von Süden kommend ,endlich fertig war und die "Südzufahrt" ebenfalls(Brosekreisel)
Man muss da einmal am Morgen fahren,wenn sich die Blechlawine in die Innenstadt hinein teilt!Die einen nehmen die Ausfahrt zum Brosekreisel-Krankenhaus -Anger usw. und die anderen fahren eben durch das Weichengereuth/Stadtautobahn über die Frankenbrücke bzw. nach den nördlichen Stadtteilen,Rodach
Wer schon einmal durch die "Edelstein" Stadt Idar Oberstein im Hunsrück gefahren ist,kann dasselbe Problem mit der Verkehrsführung sehen,wie es in Coburg gelöst wurde.Ein enges Flusstal(Nahe)und links und rechts steil aufragende Felswände.Hindurch eine viel befahrene Bundesstrasse!
Hier wurde z.T. der Fluss in den Untergrund verlegt um Platz für die Strasse zu schaffen.Sogar Strassen Tunnel mussten gebaut werden,was uns ja erspart blieb in Coburg.


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RE: Veränderungen - Die Ecke Marschberg / Hutstraße (Beitrag vom 08.05.2010)

#6 von Rolf Metzner , 18.11.2011 17:29

Es gab auch Zeiten, da konnte man dort noch spazieren gehen

Jetzt ernsthaft: Auf diesem alten Foto war der Bahnübergang offensichtlich noch etwas nördlich vom späteren, welcher dann durch die Frankenbrücke entschärft/ersetzt wurde.


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 Hofbrauhaus Coburg_800x527.jpg 
 
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RE: Veränderungen - Die Ecke Marschberg / Hutstraße (Beitrag vom 08.05.2010)

#7 von gerd , 18.11.2011 17:34

"Himmlisch" diese Leere dort.....

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RE: Veränderungen - Die Ecke Marschberg / Hutstraße (Beitrag vom 08.05.2010)

#8 von gerd , 18.11.2011 17:39

Rolf,genau gegenüber von der Bahn,am Hofbräu,war eine breite Freitreppe, (man kann sie hier auf dem Foto erkennen)darauf fuhr man beim überqueren der Schienen genau zu,um dann lnks abzubiegen -Weichengereuth oder zur Hutstrasse usw.

gerd  
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RE: Veränderungen - Die Ecke Marschberg / Hutstraße (Beitrag vom 08.05.2010)

#9 von Stammbus , 18.11.2011 18:02

Zitat von gerd
"Himmlisch" diese Leere dort.....



Ihr seid es doch, die Ihr nicht zu Fuß gehen wollt.

 
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RE: Veränderungen - Die Ecke Marschberg / Hutstraße (Beitrag vom 08.05.2010)

#10 von Rolf Metzner , 18.11.2011 18:09

Zitat von gerd
Rolf,genau gegenüber von der Bahn,am Hofbräu,war eine breite Freitreppe, (man kann sie hier auf dem Foto erkennen)darauf fuhr man beim überqueren der Schienen genau zu,um dann lnks abzubiegen -Weichengereuth oder zur Hutstrasse usw.



Hallo Gerd,
da merkt man mal, wie rasch die Erinnerung verblasst, obwohl ich sicher hunderte von Malen über den Schlachthof-Bahnübergang gefahren bin (alleine schon, als ich bei BAUFELD als LKW-Fahrer gejobbt habe).
Irgendwie war ich jetzt der Meinung, der Bahnübergang sei etwa auf der Höhe der Frankenbrücke gewesen, aber Du hast recht, man fuhr beim Überqueren der Schienen direkt auf's Hofbräu zu.


 
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