Judenberg

#1 von Stammbus , 19.01.2016 15:49

Christian hat in einem anderen Beitrag beschrieben, wie die Judengasse zu ihrem Namen gekommen ist, nämlich durch die Besiedlung durch Juden in ihrem unteren Teil.

Spuren jüdischen Lebens in der Judengasse (Beitrag vom 06.11.2010)

Mir liegt das Buch "Die Flurnamen von Coburg" von Gewerbeoberlehrer Marr aus dem Jahr 1928 und aus der Serie „Coburger Heimatkunde und Heimatgeschichte“ der Coburger Landesstiftung und dem Coburger Heimatvereins vor. Hier ist die Judengasse nicht beschrieben, aber der Judenberg, als eine von 63 Fluren des damaligen Coburg vor den Eingemeindungen 1934.

Es wird dabei deutlich, wie sehr 1928 bereits der Antisemitismus (nicht nur, aber besonders in Coburg) alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens durchdrungen hatte. Ich zitiere:

+++

Aus dem Werke „Germanische Vorzeit“ von Dr. K. H. Wels erfahren wir, dass im Jahr 150 v. Chr. über Thüringen ein Teil der germanischen Semnonen – das führende folge einer den Namen Sueben tragenden Kultgenossenschaft, die dem Gott Tju verehrte –, in die hiesige Gegend eindrang und sich hier ansiedelte. Dies Sueben werden von manchen Geschichtsforschern Tjuvari (= Tjuverehrer) genannt. Sie verehrten ihren Himmels-und Kriegsgott Tju in einem heiligen, von Hecken umgebenen Hain. Es liegt daher die Vermutung nahe, dass der Judenberg mit seinem abgrenzenden Heckenweg, seinem Himmelsacker und seiner Kanzel einst dieses Heiligtum war und dass er früher den Namen Tju-ten-berg geführt hat. In Anbetracht dessen, dass alle um den „Judenberg“ herumliegenden Flurabteilungen uralte germanische Namen tragen, kann kaum angenommen werden, dass diese Gegend erst nach den vielen 100 Jahre später sich vor der Stadtmauer alt-Coburg ansiedelten sog. „Pack-Juden“ ihre Namen erhalten hat. Wohl aber mögen letztere bei ihrer Niederlassung solche durch einen bedauerlichen Zufall ähnlich klingende urdeutsche Gassen und Plätze gerne als ständigen Wohnsitz ausgewählt haben, bzw. man wird ihnen später, als man den Sinn der ursprünglichen Flurbezeichnung nicht mehr verstand, diese Gegend zu Besiedelung angewiesen und den Berg nunmehr statt Tjudenberg „Judenberg“ genannt haben.

+++

Der Rest der Darstellung befasst sich mit dem Adamiberg und dem Rummental und ist frei von solchen ideologischen Darstellungen.


 
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zuletzt bearbeitet 19.01.2016 | Top

RE: Judenberg

#2 von Christian , 20.01.2016 09:31

Im Straßennamenbuch von Franz Eberlein aus dem Jahre 1987 (herausgegeben von der Historischen Gesellschaft Coburg) liest sich das anders:

"Der Judenberg hieß früher Mühlberg nach den an Itz und Hahnfluß stehenden Mühlen. Um 1420 bürgert sich dann der Name Judenberg für Berg und Straße ein. Es muß angenommen werden, daß er wahrscheinlich allmählich im Volksmund entstand in Angleichung an die Judengasse und an die Judenbrücke. Auch die Sand- und Steingruben, die noch heute am Fuß des Judenberges bei Beginn der Straße zu erkennen sind, tauchen schon 1415 im Stadtbuch als Judengruben auf."

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RE: Judenberg

#3 von Stammbus , 20.01.2016 20:18

Das müsste der o.g. Darstellung nicht unbedingt widersprechen.

 
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RE: Judenberg

#4 von Christian , 11.07.2016 09:06

Judenberg 1

Bis 1887 stand hier ein Stadel

1927 Arthur Catterfeld, Eisenbahnsekretär

1955 Adolf Catterfeld, Kaufmännischer Angestellter


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RE: Judenberg

#5 von Rolf Metzner , 11.07.2016 11:18

Zitat von Christian im Beitrag #4
Judenberg 1
Bis 1887 stand hier ein Stadel
..............


Hier das Hausfoto zu "Judenberg 1":

Judenberg 1.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)

 
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RE: Judenberg

#6 von Rolf Metzner , 11.07.2016 11:47

Da ich zum Fotografieren der Judenberg-Häuser einen Katasterplan benötige, damit ich auch die richtigen Häuser nehme, kann ich diesen Katasterplan auch hier zur Übersicht einstellen.

Ich habe der Übersichtlichkeit halber in "unteren Judenbergbereich" und "oberen Judenbergbereich" unterteilt:

Judenberg, unterer Bereich.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)Judenberg, oberer Bereich.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)


Zum Vergleich noch der Katasterplan von 1860 (Straßenbezeichnung damals: "Oberhalb der Judenbrücke"):

Judenberg, Katasterplan 1860.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)


 
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RE: Judenberg

#7 von Christian , 12.07.2016 09:18

Judenberg 1a

Dieses Haus gehörte früher zum Grundstück Judenberg 1. Es dürfte älter als der davorstehende Bau aus dem Jahre 1927 sein.
Meine Vermutung geht in die Richtung, dass wir hier einen letzten Rest der sogenannten Wagnersbrauerei haben, die im Haus Neuer Weg Nr. 1 (gleich daneben) ansässig war. Ein Bierkeller der Brauerei existiert heute noch. Hierfür bedarf es noch weitere archivalische Untersuchungen.


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RE: Judenberg

#8 von Rolf Metzner , 12.07.2016 09:38

Zitat von Christian im Beitrag #7
Judenberg 1a

Dieses Haus gehörte früher zum Grundstück Judenberg 1. Es dürfte älter als der davorstehende Bau aus dem Jahre 1927 sein.
Meine Vermutung geht in die Richtung, dass wir hier einen letzten Rest der sogenannten Wagnersbrauerei haben, die im Haus Neuer Weg Nr. 1 (gleich daneben) ansässig war. Ein Bierkeller der Brauerei existiert heute noch. Hierfür bedarf es noch weitere archivalische Untersuchungen.

Hier 2 Hausfotos zu "Judenberg 1a":

Judenberg 1a (1).JPG - Bild entfernt (keine Rechte)Judenberg 1a (2).JPG - Bild entfernt (keine Rechte)

In einem älteren Beitrag im Forum wurde schon mal diskutiert, ob im 2. WK in diesem Gebäude Kriegsgefangene einquartiert waren, die am Schindberg arbeiten mussten (d.h. früh den Judenberg hinauf ausrückten und abends auf diesem Weg wieder zurück kehrten). Ich selbst habe auch aus anderer Quelle davon gehört!


 
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RE: Judenberg

#9 von Christian , 12.07.2016 12:13

Zum Grundstück Judenberg 1 und 1a:

Ein kurzer Abstecher im Stadtarchiv hat Klarheit erbracht. Die beiden Grundstücke gehörten dem Bierbrauereibesitzer Friedrich Wagner, der an gleicher Stelle auch seine Brauerei betrieb. Zwischen 1888 und 1890 wurde der Braubetrieb eingestellt. Die dazugehörige Gastwirtschaft befand sich im Nachbarhaus Neuer Weg Nr. 1 und war als Wagnersbrauerei bekannt. Im Haus Judenberg 1a existierte auch ein Zugang zu einem Bierkeller.

Das alte Brauhaus brannte jedoch 1909 ab. An gleicher Stelle errichtete der Rechnungsrat Catterfeld zwischen 1925 und 1927 zwei Gebäude, eben diese Häuser Judenberg 1 und 1a. Architekt war jeweils der Maurermeister Otto Weisheit.

Während das vordere Gebäude als Villa für die Familie Catterfeld diente, war das hintere Haus ein Büro- und Lagergebäude für die Firma "Hauser & Co - kunstgewerbliche Werkstätten".


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RE: Judenberg

#10 von Rolf Metzner , 12.07.2016 14:14

Zitat von Christian im Beitrag #9
Zum Grundstück Judenberg 1 und 1a:
.............
Im Haus Judenberg 1a existierte auch ein Zugang zu einem Bierkeller.
.............



Da hab' ich doch gleich mal nachgehakt (nach Rückfrage bei einer Bewohnerin)!

Ich hab' im Haus "Judenberg 1a" zwei Zugänge zu Kellern gefunden (siehe rote Umrahmungen am Haus):Judenberg 1a, Kellermarkierung.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)


Linker Keller:Judenberg 1a, Keller links (3).JPG - Bild entfernt (keine Rechte)Rechter Keller (unterteilt):Judenberg 1a, Keller rechts (1).JPG - Bild entfernt (keine Rechte)Judenberg 1a, Keller rechts (2).JPG - Bild entfernt (keine Rechte)Judenberg 1a, Keller rechts (3).JPG - Bild entfernt (keine Rechte)

Bei beiden Kellern schaut es so aus, als seien sie am Ende abgemauert/zugemauert bzw. im rechten Keller auch eine Trennmauer eingezogen!


Dass vom Haus "Judenberg 1a" Kellergänge in den dahinter liegenden Hang gehen, kann man sich am besten vorstellen, wenn man sich dieses Gebäude von hinten anschaut.
Hangaufwärts findet man vom linken Keller (von der Hausvorderseite her gesehen) auch noch zwei Belüftungsschächte:

Judenberg 1a, Rückseite.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)Judenberg 1a, linker Keller (3).JPG - Bild entfernt (keine Rechte)Judenberg 1a, linker Keller (2).JPG - Bild entfernt (keine Rechte)


 
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