Neu für Coburger Verhältnisse ist die Frage nach der Durchdringung der Volksgemeinschaft als Ersatz für die gewachsenen gesellschaftlichen Strukturen in der Stadt. Allgemein wurde dazu natürlich schon relativ viel geschrieben. Die konkrete Anwendung auf Coburg fehlt allerdings. Archivalisch lässt sich das gut über die Akten des Sozial- und Gesundheitsamtes nachvollziehen. Und die wurden in der Forschung bisher links liegen gelassen.
"Coburg und der Nationalsozialismus. Eine Stadt als Experimentier-Kammer für das Dritte Reich" von Brigitte Baetz Ein Feature des Deutschlandfunks vom 08.02.2019 (zum Anhören muss man sich 50 Minuten Zeit nehmen):
Interessantes Zitat von Hubertus Habel (Seite 24-25):
"Es gab einen Oberbürgermeister, Dr. Walter Langer, Offizier, Fliegeroffizier des Zweiten Weltkrieges, der als Jurist, als Rechtsanwalt nach dem Krieg in den Entnazifizierungsverfahren die alten Nazis sozusagen rausgehauen hat und der dann 1948 nach einem Wahlkampf, der schlammschlachtmäßig verlaufen sein muss, nach dem, was man den Zeitungen entnehmen kann, hier für die FDP, und zwar für diese nationalliberale Fraktion der FDP, Oberbürgermeister wurde und bis 1970 Oberbürgermeister geblieben ist. Und der, man kann es bildlich sozusagen ausdrücken, einen großen Teppich ausgerollt hat, unter den der ganze braune Dreck gekehrt wurde."
Heute ist nochmal ein Bericht zur dieser Reportage in der hiesigen Tageszeitung zu finden.
Wenn man die Reaktion der einfachen Leute auf Facebook dazu sieht, hat das den Willen nach Aufarbeitung dieser Zeit nochmals befördert. Und damit hilft man dieser Sache ungemein.
Die Aussage der Autorin Baetz, dass sie zwar die Aufarbeitung begrüßt, obwohl das meiste schon bekannt sei, ist allerdings sehr oberflächlich betrachtet. Für die 1920er Jahre mag diese Aussage gelten. Für die Zeit zwischen 1933 und 1945 sehe ich anhand der vorhandenen Quellen noch größere Forschungslücken, siehe die Schlagwörter: Arisierung, Zwangsarbeiter, Aufbau der NS-Volksgemeinschaft oder die Geschichte Coburger Institutionen wie dem Theater oder der Kirche.
Eine solche Aussage ist auch deshalb schon gefährlich, da heutige Gegner der Aufarbeitung nicht mehr sagen, dass sie sie aus politischen oder persönlichen Interessen diese nicht wollen, sondern das Totschlagargument anbringen, es sei ja alles schon aufgearbeitet. Der normale Laie kann ja solche Aussagen schlecht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. Allerdings haben solche Aussagen auch nie die Forschung aufgehalten sondern höchstens verzögert. Der Damm diesbezüglich ist bereits gebrochen.
In einer der geschlossenen Gruppen. Da muss ich gezielt noch mal nachschauen, weil diese Diskussion oder eher Stellungnahmen aus dem Februar stammen, als die Dokumentation zum ersten Mal gelaufen ist.