Weiss vielleicht jemand, wie es 1947 mit dem Thema Telefonieren ausgesehen hat ??Das nicht jeder Haushalt einen eigenen Anschluß hatte ist mir auch klar, aber wo ist man als normaler Bürger hingegangen, wenn man ein nationales Gespräch führen wollte? Gab es ein Postamt auf dem man das tun konnte, musste man in eine Gastwirtschaft ect.? Habe mal gelesen, dass es damals in Coburg nur 150 Anschlüsse gab, direkt nach dem Krieg angebl. nur 22, kann das sein. Vielleicht kann sich jemand erinnern...
Durch meine Recherche im Münchener Staatsarchiv bin ich auf ein Lager ab 1945 für inhaftierte ehemalige SS-Leute und andere Belastete in Coburg gestossen. Weiss vielleicht jemand mehr dazu oder kann Literatur nennen. Vielen Dank !
Da ja Weihnachten und der Jahreswechsel langsam näher rücken, möchte ich an dieser Stelle dem Forum alles Gute wünschen und mich ausdrücklich für die vielen netten Hilfestellungen bedanken, die man mir bei meiner Recherche gegeben hat.Ich habe mein Ziel dadurch so gut wie erreicht, was ohne die Sachkenntnis des Forum so schnell nicht möglich gewesen wäre. Ich habe so viel Interessantes über Coburg gelernt und vor allem durch meine Arbeit im Staatsarchiv herausgefunden!! Manchens davon war freilich auch schockierend, ich, die ich gedacht habe gut geschichtlich bewandert zu sein habe doch lernen müssen, dass Themen wie Nachkriegszeit, Entnazifizierung ect. in der Öffentlichkeit meist nur holzschnittartig behandelt werden. Die Wahrheit ist doch um einiges vielschichtiger! Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtig sich damit zu beschäftigen, da doch vieles nicht aufgearbeitet wurde und man allen unglückseligen Anfängen wehren sollte! Ich bin weiterhin im Forum gerne unterwegs und habe es schon weiter empfohlen...
Vielleicht hat der eine oder andere letzten Samstag auf BR alpha das Special zur Neuauflage von "Mein Kampf" in kommentierter Version gesehen. Durch eine Pressemitteilung des Instituts für Zeitgeschichte München (IfZ) bin ich auf ein dazugehöriges Web-Special aufmerksam geworden, in dem nicht nur die zerstörerische Kraft der verwendeten Propaganda sondern auch deren Bezug zur Neuzeit ("Lügenpresse" ect.)anschaulich dargestellt wird. Das IfZ hat an der kommentierten Neuauflage mitgearbeitet. Es zeigt sich immer wieder wie sehr bereits Vergangenes bis in die heutige Zeit hinein reicht... www.br.de/hitlers-mein-kampf
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges löste die amerikanische Militärregierung zunächst alle bestehenden Polizeieinrichtungen in Bayern auf und ordnete deren Neuaufstellung nach demokratischen Grundregeln an. Neben 150 Gemeinde- und Stadtpolizeien in Stärken von 2 bis 3.000 Beamten wurde in den Regierungsbezirken die Landpolizei, die „Landjägerei“ sowie die Bayerische Landesgrenzpolizei gegründet. Zugleich trat mit Ende des Krieges ein Besatzungsrecht in Kraft, dessen Schärfe noch heute erschreckt. Dass es dennoch 1945 nur wenig abschreckte, erscheint kaum vorstellbar. Die Verordnung Nr. 1 der US-Militärregierung (OMGUS) führte 43 Tatbestände auf, 20 „mit dem Tode bedrohte Verbrechen“ und 23 „sonstige strafbare Handlungen“ (vgl. Amtsblatt für Land- und Stadtkreis Coburg Nr. 1 vom 11. August 1945). Eine besondere Gefahr bildeten die in Coburg in der Hindenburgkaseren einquartierten „Displaced Persons“, ehemalige Zwangsarbeiter und Konzentrationslagerhäftlinge, die teilweise in bewaffneten Banden das Land terrorisierten und auch von der Besatzungsmacht nur mit Mühe in Schach gehalten werden konnten. Mehrere Morde erschütterten das Coburger Land. So wurde auf dem Lauterberg der Gendarmeriemeister Zuleg ermordet, ebenso ein auf Schloss Eichhof lebender ehemaliger Major der Wehrmacht. Die Coburger Polizei war diesen Personen gegenüber hilf- und machtlos. In die Kaserne durfte sie nicht, sie durfte auch keine Durchsuchungen und Festnahmen durchführen. Erst nach und nach wurde sie wieder bewaffnet. Unter Führung des US-Generals Ernest H. Hermon wurde nach dem Leitbild der amerikanischen Bundesstaatspolizeien ab Februar 1946 die „US-Constabulary“, die so genannte „Blitzpolizei“, die den Spitznamen „Kartoffelkäfer“ erhielt, aufgestellt. Sie übernahm die „Patenschaft“ für die neue deutsche Polizei, in Coburg die 6th Squadron, 6th Constabulary Regiment. Die Führungsvorschrift der US-Constabulary forderte dabei schon 1946, die deutsche Polizei zu unterstützen, ohne sie einzuengen oder zu bevormunden. In Kap. 13c wies die Vorschrift darauf hin, dass, „obwohl die deutsche Polizei in der Zeit des Nationalsozialismus missbraucht und korrumpiert wurde, sie zu den besten Polizeien der Welt gehört habe und in ihren Reihen die besten Köpfe der Nation Dienst getan hätten.“ Bereits 1947 gab es gemischte deutsch-amerikanische Streifen. Im heutigen Stadtcafé am Spitaltor hatte die Constabulary eine eigene Wache. Die Coburger Stadtpolizei mit ihrer Dienststelle in der Rosengasse bestand im Dezember 1945 aus 54 uniformierten Polizisten und acht Kriminalbeamten. Zivilkleidung, Armbinde und Holzknüppel bildeten die erste Uniformierung, bis aus Wehrmachtsuniformen eingefärbte blaue Uniform getragen werden durften. Die Dienstgradabzeichen bestanden zu diesem Zeitpunkt aus silbernen Ärmelstreifen. Als einzige kommunale Polizei Bayerns trugen die Angehörigen der Coburger Stadtpolizei ab 1955/56 bis zu ihrer Verstaatlichung – in Anlehnung an die Dienstgradabzeichen des seit September 1951 in Coburg stationierten Bundesgrenzschutzes – Schulterstücke (Stadtratsbeschluss vom 2. November 1955, TP. 9b.). 1948 wurde zeitlich begrenzt in der von-Berg-Kaserne (benannt nach dem 1915 gefallenen ersten Kommandeur des auch in Coburg stationierten 6. Thüringischen Infanterieregiments Nr. 95) ein 2. Polizeirevier sowie eine Verwaltungsschule geschaffen, während das Polizeiamt mit Schutzpolizei und Kriminaluntersuchungs-Abteilung weiterhin in der Rosengasse verblieben. Nur eine Abteilung der Schutzpolizei, die Verkehrspolizei, wurde in die von-Berg-Kaserne ausgelagert.
Die uniformierte Stadtpolizei wurde bis zur Verstaatlichung von folgenden Chefs geführt: Gerber, Todtenhaupt, Fischer, Lorenz, Ströhlein; die Kriminalpolizeiinspektion wurde von den Beamten Geese und E. Knoch geleitet. _____________________ Info: EPHK a.D. Hans-Jürgen Schmidt, Jg. 1937, gehörte von 1956 bis 1997 dem Bundesgrenzschutz an und war langjähriger Einsatz und Ausbildungshundertschaftsführer. Helmut Götz, Jg. 1934, trat 1953 in die Bayerische Bereitschaftspolizei ein und versah danach Dienst als Stationsbeamter der Bayerischen Landpolizei. Ab 1958 gehörte er der Stadtpolizei Coburg an, zuletzt als Leiter der Schutzpolizei. Von 1972 bis zu seinem Ruhestand 1994 leitete er die Station Coburg-Stadt der Bayerischen Landespolizei. PHK a.D. Wolfgang Schneider, Jg. 1947, versah von 1968 bis 1999 Dienst im Bundesgrenzschutz.
Quellen Von Hans-Jürgen Schmidt, Helmut Götz und Wolfgang Schneider, Coburg Quellen: Stadtarchiv
Die Zeit unmittelbar nach dem Kriegsende scheint es in Coburg generell sehr verwirrend gewesen zu sein, was natuerlich hauptsächlich mit der Zonengrenze zur sowjet. Besatzungszone zu tun hatte, nicht nur Displaced Persons sondern auch ein massiver Schwarzmarkt sowie alle anderen Randerscheinungen des Chaos waren zu finden.Ich bin gespannt, ob sich die vor kurzem einberufene Historiker- Kommision auch mit der unmittelbaren Nachkriegszeit beschäftigt, in der in vielerlei Hinsicht die Grundsteine für spätere Jahrzehnte gelegt wurden.Wen es interessiert,der sollte mal die Korrespondenz der amerikanischen Kommandeure im Staatsarchiv lesen. Unterhaltsamer als ein Krimi, da gab es wirklich nichts was es nicht gab...und dass im beschaulichen Coburg!
Hier einmal eine ganz andere Frage. Kürzlich habe ich eine Doku über "Swing" gesehen. Weiter oben im Thread haben wir ja schon einmal über das ehemalige "Cafe Renner" kurz nach Kriegsende gesprochen. Weiß jemand zufällig wie man sich ein Ausgehlokal damals vorstellen kann (ausser den amerikanischen Casinos)? Welche Band hat da gespielt, was (Swing ect.), welche Speisen und Getränke wurden serviert (wo es doch nichts gab)? Vielleicht kann sich jemand an Erzählungen erinnern...
Zur "Entnazifizierung" im Allgemeinen und zur diesbezüglichen Stimmung im Nachkriegsdeutschland war gestern Abend ein interessanter Beitrag auf ARTE zu sehen, der in der Mediathek bis 5.3.2021 gesehen werden kann: https://www.arte.tv/de/videos/090597-000...hre-geschichte/