Also ich durfte heute das Buch in Augenschein nehmen. Soviel vorweg: Dieses Werk vermeidet ebenfalls Fußnoten. Wer aber gemeint hat, dass in "Hitlers Herzog" schon alle Bildquellen zu Carl Eduard veröffentlicht worden sind, wird hier aber positiv überrascht.
Interessant und aufschlussreich ist jedoch das Literaturverzeichnis. Wenn man hier konkret nach Literatur über Carl Eduard sucht, erlebt man eine Überraschung. Zur Auswahl stehen Priesners "Biografie" und das Werk Harald Sandners über das Haus Sachsen-Coburg und Gotha. Die Biografie Carl Eduards von Sandner wird mit keinem Wort erwähnt.
Dieses Faktum, zusammen mit der Aussage von Prinz Andreas über die Darstellung seines Großvaters in dem Buch, muss daher für Sandner eine schallende Ohrfeige sein. Ob nun dieses Buch für die Geschichtsforschung ein Mehrwert darstellt, kann man erst beurteilen, wenn man das Werk durchliest.
Also um es vorweg zu sagen. Das Buch ist in Englisch verfasst und ich hatte es natürlicherweise noch nicht vollständig durchgelesen. Was aber auffällig ist: Der Autor setzt die Biografie Carl Eduards in den Kontext des allgemeinen Niedergangs der Monarchien in Europa. Damit verbunden ist auch der Niedergang des Coburger Dynastie zwischen 1918 und 1945. So vergleicht der Historiker das Schicksal Carl Eduards nach 1945 mit einigen Mitgliedern des Hauses Kohary. Ein derartiger Kontext findet sich auch im Kapitel über "starken Frauen der Coburger Dynastie". Bei einem solchen Vergleich kommt Carl Eduard eher schlecht weg.
Es bringt also nichts, sich nur die Geschichte rund um Carl Eduard anzuschauen.
Was ich aber durchaus sagen kann, dass sich durch diese kontextuelle Sichtweise neue Möglichkeiten der Interpretation eröffnen. Wenn ich eine Biografie und mich nur auf das Forschungsobjekt, sprich die Person konzentriere, dann kann ich wohl möglich einige Ungereimtheiten nicht beseitigen. Diese sind dann im Kontext erklärbar.
Alles im allen wird das Leben Carl Eduards sachlich behandelt. Familienskandale werden nicht erwähnt. Ob die Einstufung als Strebsamer/Emsiger so stimmig ist, habe ich allerdings meine Zweifel. Das sieht Sandner durchaus differenzierter. Auch wird die Frage nach einer Naivität des Herzogs aufgeworfen. Hintergrund ist hier sein Verhalten im Dritten Reich. Sandner hat auch hier deutlichere Worte gefunden. Der erste Eindruck von mir jedoch ist, dass dieses Buch im Bezug auf Carl Eduard einige neue Aspekte aufnimmt, aber in der Bewertung der Person eher rückwärtsgewand, vor "Hitlers Herzog" einzuordnen ist.
Leider ist dem Autor ein grober Fehler unterlaufen, nachdem ich mir die Lektüre angeeignet habe. Im Vorfeld erklärte er, er habe Carl Eduards Entnazifizierungsakte in seinem Buch verwertet und zitiert. Tatsächlich handelt es um ein Verhörprotokoll, welches Erhard bereits weiter oben hier im Forum veröffentlicht hat.
Offenkundig war bei dem Thema es keine gute Idee, Institutionen wie das Staatsarchiv Coburg zu meiden.
Aber auf dem deutschen Markt (auch amazon.de) scheint es noch nicht gehandelt zu werden.
In den englischsprachigen Rezensionen auf amazon.com, die allesamt positiv bis enthusiastisch ausfallen, wird u.a. die Mitwirkung von Prinz Andreas betont. Ich habe aber den Eindruck, die Rezensenten sind alle begeisterte Royalisten und würden, wenn Prince Charles doch noch zum König von U.K. gekrönt wird, drei Tage vorher um die besten Plätze am Kensington Palace anstehen.
Soll das Buch vielleicht ein "Gegenwerk" zu "Hitlers Herzog" darstellen?
Es ist aber schon bemerkenswert, dass Andreas das Werk mit vorangetrieben hat und auch das Verhältnis zum Autor als sehr herzlich erscheint. Bei "Hitlers Herzog" blieb Andreas samt engerer Familie der Buchvorstellung fern (Ausnahme die Nachkommen der "Schwarzen Schafe der Familie"). Auch eine Stellungnahme zu "Hitlers Herzog" konnte ich von dieser Seite nicht finden. Das kann man als Distanzierung deuten. Deine These vom "Gegenwerk" lässt sich jedenfalls nicht von der Hand weisen.
Zitat von Christian im Beitrag #66Deine These vom "Gegenwerk" lässt sich jedenfalls nicht von der Hand weisen.
Ich betone, dass ich das nicht als These, sondern als Frage formuliert habe. Dagegen spricht die englische Sprache und die offensichtliche Schwierigkeit, an das Buch zu kommen. Im Übrigen kenne ich durchaus geschichtsaffine alteingesessene Coburger Familien, die sich "Hitlers Herzog" nicht zugelegt haben und dies offensichtlich auch nicht beabsichtigen.
Zitat von Christian im Beitrag #66Deine These vom "Gegenwerk" lässt sich jedenfalls nicht von der Hand weisen.
Ich betone, dass ich das nicht als These, sondern als Frage formuliert habe. Dagegen spricht die englische Sprache und die offensichtliche Schwierigkeit, an das Buch zu kommen. Im Übrigen kenne ich durchaus geschichtsaffine alteingesessene Coburger Familien, die sich "Hitlers Herzog" nicht zugelegt haben und dies offensichtlich auch nicht beabsichtigen.
Dann lass es mich so formulieren, deine Frage hat durchaus eine Berechtigung
Nun zum Thema. Sandner hat ein Buch für die Coburger gemacht. Beéche für ein europäisches Publikum in England, wo es zuerst erschienen ist, oder in Belgien. Der Coburger Markt spielt dabei keine große Rolle, wie du bereits festgestellt hast. Gerade in der Verbreitung des Buches kann man von einem "Gegenwerk" sprechen. Dadurch ist das Buch mehr Personen zugänglich (etwaige Mehr-Auflagen sind ja noch nicht abzusehen) und dadurch kann der Autor seine wissenschaftliche Letztbegründung (oder brutal gesagt Deutungshoheit) mehr Lesern nahe bringen und sie davon überzeugen. "Hitlers Herzog" gerät dadurch ins Hintertreffen.
Ich habe mich vor dem (angeblichen) Hintergrund, dass Prinz Andreas das Buch unterstützt hat, etwas ganz anderes gefragt? Ob damit eine Rehabilitierung des Hauses Coburg bei den Windsors befördert werden soll? Für die, wenn dem so wäre, Sandner mit Sicherheit Porzellan zerschlagen hätte.
Aber ich gebe zu, vielleicht geht die Fantasie mit mir durch, zumal ich das neue Buch ja gar nicht kenne.
Mal schaun was du zu dieser Aussage Beéches sagst:
"In Coburg they were both (Anmk. gemeint sind hier Carl Eduard und Viktoria Adelheid) celebrated and remembered for their endless dedication to the town and the welfare of the citizenry, and Carl Eduard´s former subjects seemed willing to excuse his faults, missteps, and shortcomings."